Das Wall-Street-Kartell Ein Freund, ein guter Freund
Geradezu legendär ist der Einfluss der Banker auf das Department of the Treasury, das Washingtoner Finanzministerium. Was im Kalten Krieg die sprichwörtlich gute Beziehung zwischen Rüstungsindustrie und Militär war, spottet Wirtschaftsprofessor Jagdish Bhagwati von der renommierten Columbia-Universität, sei in Zeiten der Globalisierung der "Wall-Street-Treasury-Komplex".
Ronald Reagan holte seinen Finanzminister Donald Regan von Merrill Lynch; George Bush senior rekrutierte Nicholas Brady von Dillon Read; Bill Clinton machte den früheren Goldman-Sachs-Chef Robert Rubin zum obersten Finanzhüter.
Mittlerweile ist Rubin Chef der Citigroup und verfügt immer noch über einen guten Draht nach Washington. Als die internationalen Notenbanken im vergangenen Herbst zu Gunsten des Euro intervenierten, kam an den Finanzmärkten das Gerücht auf, eine Bank habe vorher Bescheid gewusst und davon profitiert: die Citigroup.
Der neue US-Präsident George Bush junior berief mit Paul O'Neill einen Industriemanager ins Finanzministerium. Das empfand das Wall-Street-Establishment als Affront, schließlich hatte es dem Republikaner mehr als 13 Millionen Dollar für den Wahlkampf gespendet. Bush reagierte, indem er zumindest mit dem Handelsbeauftragten Robert Zoellick einen ehemaligen Goldman-Sachs-Berater in sein Kabinett holte.
Washington interveniert zum "Schutz der Investoren"
Die Unterstützung ihrer Freunde in Washington hilft den Wall-Street-Häusern auch im Auslandsgeschäft. Freier Kapitalverkehr über alle Grenzen hinweg hat im Finanzministerium höchste Priorität und wird auch gegen Widerstände durchgesetzt.
So berichtete der frühere Weltbank-Ökonom Joseph Stiglitz, seine Bedenken gegen eine allzu schnelle Öffnung der asiatischen Schwellenmärkte für internationale Investoren seien vom Treasury vom Tisch gefegt worden. Begründung: "Unsere Kunden wollen Zugang zu diesen Märkten."
Als die Asien-Krise ausbrach, drängte die gleiche ungeduldige Wall-Street-Lobby Regierung und Währungsfonds, mit Steuergeldern und Krediten einzuspringen. Diesmal "zum Schutz der Investoren".
"Das ist der Hebel, den die Banken immer ansetzen", meint US-Professor John Woolley, Experte für Finanzpolitik an der Universität Santa Barbara. "Ihre Macht beruht darauf, dass sie nicht ihr eigenes, sondern das Geld anderer Leute investieren."
Banken entscheiden mit bei der Nachfolge von Alan Greenspan
Eine Konstellation, die sich auch bei der amerikanischen Notenbank als hilfreich erweist.
Die Banken haben verschiedene Kanäle zur Fed. Bei der Wahl der regionalen Notenbank-Präsidenten besitzen sie beträchtlichen Einfluss. Die Finanzbranche stellt zudem ein eigenes Notenbank-Beratergremium. Geleitet wird dieser "Federal Advisory Council" zur Zeit von J.-P.-Morgan-Chef Douglas Warner.
Der sitzt gemeinsam mit weiteren Wall-Street-Größen auch im Washingtoner "Financial Services Roundtable", einem illustren Klub, der ganz offen als Vereinsziel angibt, "wichtige Politikthemen im Sinne der Finanzbranche zu beeinflussen".
Einmal jährlich zeichnet das Gremium Personen aus, die sich um "Amerikas finanzielle Unabhängigkeit" verdient gemacht haben. Jüngster Preisträger: Alan Greenspan.
Nicht ohne Grund nennen Wall-Street-Größen wie Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Ed Yardeni den Chef der amerikanischen Notenbank "unseren Freund". Greenspan hilft der Geldbranche in allen Lebenslagen - vor allem, wenn es brenzlig wird.
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