US-Wahl Hauptsache, Alan Greenspan bleibt
Washington - Egal, ob die Amerikaner am Mittwoch mit dem Demokraten Al Gore oder mit dem Republikaner George W. Bush als künftigen Präsidenten aufwachen, niemand erwartet an der Wall Street dramatische Reaktionen in die eine oder die andere Richtung.
Denn ihr wichtigster Mann bleibt US-Notenbankpräsident Alan Greenspan. Und der ist noch über drei Jahre im Amt.
Greenspan der starke Mann der US-Ökonomie
Die Politik der Einsparungen, der Haushaltsdisziplin und der Marktöffnung, die Präsident Bill Clinton und sein Vize Gore in seiner Amtszeit betrieben hat, setzte die Rahmenbedingungen für den grandiosen Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft.
Clinton hatte dabei in dem 74-jährigen Greenspan einen mächtigen Verbündeten, den viele für den eigentlich starken Mann der US-Ökonomie halten. Mit einer klugen Zinspolitik hielt der noch von Ronald Reagan berufene Chef der Federal Reserve dem Präsidenten den Rücken frei und half, der Welt größte Volkswirtschaft schadlos durch die Klippen der Asienkrise vor zwei Jahren zu steuern.
Nichts deutet darauf hin, dass dies bei einem Präsidenten Gore oder Bush anders wäre. Das heißt auch eine Fortsetzung der Politik des starken Dollar. Dabei gilt Gore aber auf Grund der bisherigen Erfahrungen einer aktiven Wechselkurspolitik eher zugeneigt als Bush.
Mit dem Republikaner im Weißen Haus wären nach dieser Lesart Interventionen zu Gunsten des Euro schwerer zu verabreden. Doch dürfte auch hier schließlich Greenspan das letzte Wort haben.
Was passiert in einzelnen Branchen?
Das Interesse der Marktbeobachter richtet sich also eher auf die Folgen, die ein Politikwechsel im Weißen Haus für einzelne Branchen haben könnte:
Würde eine republikanische Regierung den Kartellprozess gegen Microsoft schnell beilegen? Würde die drohende Klage gegen die Tabakindustrie nicht weiter verfolgt? Würden Pharmakonzerne und Krankenkassen von Washington in Ruhe gelassen?
Die Tradition der Republikaner und aktuelle Äußerungen ihres Kandidaten Bush lassen auf weniger Regulierungsneigung als bei Gore schließen. Doch gibt es andererseits keine konkreten Aussagen zu den genannten Themen.
Das tatsächliche Handeln jeder Regierung wird stark von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress abhängen, und die sind selbst noch am Wahltag ebenso schwer vorherzusagen wie das Ergebnis der Präsidentenwahl. Eine negative Reaktion der Märkte wird nur für den unwahrscheinlichen Fall erwartet, dass eine Partei das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses erobert.
Einen Ausfall des Systems der "Checks and Balances" an der Spitze des Staates würde auch eine auf ihre Eigenständigkeit bedachte Wirtschaft vermutlich irritiert aufnehmen.
HypoVereinsbank ist skeptisch
Eine Analyse der Wahlprogramme beider Präsidentschaftskandidaten durch die deutsche HypoVereinsbank kommt übrigens zu einem wesentlich negativeren Ergebnis als US-Analysten.
Überhitzung der Wirtschaft, steigende Zinsen, fallende Kurse würden die Ergebnisse ihres freigiebigen Umgangs mit dem Haushaltsüberschuss sein. Fazit: "Gore ist schlecht, Bush ist nicht gut."
Doch das gilt freilich nur, wenn ihre Programme wirklich umgesetzt würden. Und damit rechnet der realistische Amerikaner ohnehin nicht.
Auch deutsche Aktienhändler interessiert Wahl nur am Rande
Die Analyse der HypoVereinsbank fiel zwar negativ aus, doch die meisten Händler in Frankfurt sehen wie ihre amerikanischen Kollegen den US-Wahlen am Dienstag gelassen entgegen. Sie glauben, dass das Ergebnis keinen großen Einfluss auf den deutschen Aktienmarkt haben werde. "Das interessiert die wenigsten", sagte ein Händler.
Nach den jüngsten Umfragen bleibt es beim Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Kandidaten: Bush führte mit 47 zu 46 Prozent.