Die US-Konkurrenten Siebel und Peoplesoft zeigen Schwächen. Analysten sehen für SAP aber keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Der deutsche Konzern werde in den USA sogar Marktanteile hinzugewonnen haben, sagen Experten. Risikobereite Anleger sollten die jüngste Kursschwäche zum Kauf der Papiere nutzen.
London - Die jüngsten Nachrichten aus der US-Softwarebranche sorgen für Unruhe an den Kapitalmärkten. Nachdem der US-Konkurrent Peoplesoft am Vortag seine Umsatz- und Gewinnerwartungen für das zweite Quartal zurückgeschraubt hatte, überraschte in der Nacht zu Donnerstag Siebel Systems mit der gleichen Hiobsbotschaft. Die Aktien von Europas größtem Softwarehersteller SAP gerieten darauf erneut unter Verkaufsdruck und verloren am Donnerstag in der Spitze rund 2,80 Prozent.
Doch SAP und die US-Konkurrenten seien zwei verschiedene Paar Schuhe, urteilen die Analysten von Goldman Sachs. Sie empfehlen den Investoren gar, bei Kursschwäche nachzukaufen. Damit stehen sie nicht allein.
So haben die Experten der US-Investmentbank Merrill Lynch trotz der negativen Branchennachrichten aus den USA ihre Kaufempfehlung für SAP erneuert. Das Hauptrisiko für die aktuellen Prognosen liege in einer später als erwarteten Erholung der Investitionsneigung in dem Sektor, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Kommentar. Das Kursziel für die
Aktien belassen die Experten bei 150 Euro.
Die Analysten gehen davon aus, dass SAP die von ihnen prognostizierten Lizenzumsätze von 483 Millionen Euro im
zweiten Quartal erreichen wird. Gleichwohl sei das Potenzial für eine positive Überraschung begrenzt.
Mit Blick auf die eigenen Schätzungen liege das größte Risiko in den Erwartungen für das vierte Quartal, die bei einer späten Belebung des Softwaremarktes unterschritten werden könnten. Die Warnungen von Siebel Systems und Peoplesoft deuteten an, dass der weltweite Markt für Softwareprodukte nicht so stark zurückkommen könnte wie von Unternehmen und Börsianern erwartet.
Gemäß der Einstufung "Buy" erwartet Merrill Lynch, dass die Aktie auf Sicht von zwölf Monaten einen Gesamtertrag aus Kursgewinn und Dividende von mindestens 10 Prozent abwerfen wird. Dies gilt für Werte, die wie SAP nach Meinung der Analysten eine mittlere Kursschwankungsbreite aufweisen.
"Sie gewinnen in den USA Marktanteile hinzu"
Die Analysten von Goldman Sachs stufen SAP weiter mit "Outperform" ein. Sie erwarten unverändert 490 Millionen Euro im zweiten Quartal. Die Bedingungen für das US-Geschäft von SAP blieben trotz der jüngsten negativen Nachrichten der US-Konkurrenten überzeugend. Das Unternehmen gewinne weiterhin Marktanteile dazu, konstatieren die Experten. Jedes Anzeichen von Kursschwäche sollte als Kaufmöglichkeit genutzt werden, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Kommentar.
Wenn zwei sich streiten ...
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte
Die Umsatzwarnung von Siebel Systems dürfte nur einen begrenzten Einfluss auf SAP haben, meinen auch die Experten der Bankgesellschaft Berlin (BGB). Ihr Votum lautet unverändert "Kaufen". Das Kursziel sehen sie nach wie vor bei 155 Euro.
Die Lizenzeinkünfte im ersten Quartal von SAP in den USA seien saisonbereinigt um 65 Prozent gestiegen. Das zweite Quartal dürfte ihrer Einschätzung nach ähnlich stark ausfallen. Es habe sich zudem jüngst herausgestellt, dass sich Siebel dem US-Konkurrenten Oracle gegenüber als Übernahmeziel empfohlen habe.
Somit könne es also durchaus sein, dass bei Siebel-Kunden, ähnlich wie bei denen von Peoplesoft, Zweifel über die Unabhängigkeit des jeweiligen Softwareanbieters und folglich über die Sicherheit von zukünftigen Upgrades aufgekommen seien. Solche Bedenken würden die Marktanteilszugewinne von SAP nur beschleunigen, schreiben die Analysten der Bankgesellschaft Berlin.
Kurzfristig die Position wieder aufbauen
Ähnlich schätzt Alla Gorelova, Analystin beim Bankhaus Sal. Oppenheim, die Situation auf dem US-Softwaremarkt ein. Sie rechne damit, dass SAP im zweiten Quartal von der Verunsicherung um den Übernahmestreit zwischen Peoplesoft und Oracle profitiert haben dürfte. Peoplesoft selbst hatte am Mittwoch eingeräumt, das eigene Geschäft habe beträchtlich unter den "Störmanövern" von Oracle gelitten. Da aber auch andere Softwareunternehmen von niedriger als erwartet ausgefallenen Umsätzen und Auftragsverschiebungen berichteten, könnte SAP teilweise in Mitleidenschaft gezogen worden sein.
Experten zufolge habe sich das Klima für IT-Investitionen in den USA im Juni allgemein verschlechtert. Die Analystin sehe gleichwohl keinen Grund, ihre Prognosen für das zweite Quartal zu senken. Sie rechne weiterhin mit Lizenzerlösen von 482 Millionen Euro und einem Gesamtumsatz von 1,72 Milliarden Euro.
Ähnlich wie Goldman Sachs sehen die Experten von der Landesbank Rheinland-Pfalz die gegenwärtige Kursschwäche der SAP-Aktie als Kaufgelegenheit und stufen den Titel mit "Trading Buy" ein. Das langfristige Rating "Marketperformer" bleibe aber bestehen, heißt es in einer Studie vom Donnerstag. Zwar werde SAP die "extrem gute" Entwicklung auf dem US-Markt im ersten Quartal wohl nicht wiederholen können. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass es für SAP so schlimm komme, wie die Kursentwicklung der vergangenen Tage erwarten lasse.
Nach den erneuten Kursabschlägen sollte ein möglicherweise sehr schwaches SAP-Quartalsergebnis endgültig eingepreist sein. Unter kurzfristigen Aspekten sei daher für risikobewusste Anleger ein Positionsaufbau sinnvoll, auch wenn bei SAP nur eine marktkonforme Kursentwicklung zu erwarten sei, empfiehlt der LRP-Experte.