Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer leidet immer noch unter dem Lipobay-Desaster. Analysten sind angesichts der jüngst abgeschlossenen Vergleiche wieder optimistischer gestimmt.
Hamburg/Frankfurt am Main - Der Dax-Konzern Bayer scheint sich langsam von der Last des zurückgerufenen Medikaments Lipobay zu befreien. Insgesamt hat sich das Unternehmen nach eigenen Aussagen mittlerweile in 1342 Fällen außergerichtlich geeinigt und dafür 477 Millionen Dollar gezahlt.
Im August hatte Bayer die Zahl der außergerichtlich geschlossenen Vergleiche noch mit 1211 und die damit verbundenen Zahlungen mit 432 Millionen Dollar angegeben. Die Zahl der Klagen stieg bis September im Vergleich zum August um 1100 auf 11.200.
Bislang ist Bayer in zwei Verfahren freigesprochen worden. Bayer hatte Lipobay 2001 vom Markt genommen, weil der Cholesterinsenker im Verdacht steht, als Nebenwirkung Muskelschwäche mit tödlichem Ausgang verursachen zu können.
Analysten werten die Vergleiche positiv
Analysten bewerteten den Abschluss von weiteren Vergleichen positiv. "Bayer kommt voran mit den Vergleichen und das ist ja auch angestrebt", sagte DZ Bank-Analyst Martin Rödiger. "Die steigende Anzahl von Vergleichen ist sicher positiv, weil es Unsicherheit rausnimmt", bestätigt ein weiterer Chemie-Analyst. Allerdings steige auch die Anzahl der Klagen und es sei bislang nicht abzuschätzen, welche Substanz die hinzugekommenen Klagen haben, sagte Rödiger. Ursprünglich sei man bei den Klagen von rund 1600 Fällen mit schweren Nebenwirkungen ausgegangen.
HVB: Höhere Einstufung ohne Lipobay
Die HypoVereinsbank (HVB) hat die Aktie in Reaktion auf die neu abgeschlossenen Vergleiche mit dem Rating "Neutral" bestätigt. Obwohl der Chemiekonzern erste gerichtliche Erfolge verbucht habe, sei die Zahl der Klagen zuletzt gestiegen. Nach Ansicht von Analyst Andreas Heine wird dies die weitere Entwicklung der Aktie belasten. "Das ist der einzige Grund, warum wir Bayer nur mit 'Neutral' bewertet haben." Der HVB zufolge würde die niedrige Bewertung des Titels ansonsten eine höhere Einstufung rechtfertigen.
"2000 ernsthafte Fälle"
Silke Stegemann, Analystin der Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP), sieht in der Aktie weiterhin einen "Marketperformer". Die zusätzlich abgeschlossenen Vergleiche seien positiv zu werten. Nach Berechnungen der LRP gibt es etwa "insgesamt 2000 ernsthafte Fälle", die jetzt bekannt sein dürften.
Zwar schwebe die große Unsicherheit bezüglich Lipobay weiterhin über der Bayer-Aktie, da der Markt gespannt auf das erste Urteil bei den Sammelklagen warte, bislang sei das Unternehmen aber in zwei Verfahren in den USA von jeglicher Haftung freigesprochen worden.
Insgesamt sollte die "Lipobay-Problematik" nach Berechnungen von Stegemann Bayer rund 1,5 Milliarden Euro kosten.