
Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei einem Auftritt in Paris
Foto: Gérard Julien/AFPEs ist eine enorme PR-Show, die Facebook-Chef Mark Zuckerberg sich für dieses Jahr vorgenommen hat. In Gesprächen mit Experten und Führungskräften wolle er über Chancen, Herausforderungen, Hoffnungen und Gefahren von Technik sprechen, verkündete Zuckerberg zu Jahresbeginn. Wie das Ganze aussehen soll, konnten die Deutschen dann vor einigen Wochen in Berlin beobachten, als Zuckerberg sich mit Springer-Chef Mathias Döpfner und der Turnschuh tragenden CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer traf
Eine Charmeoffensive, bei der Zuckerberg nicht nur neue Erlösmodelle für klassische Medien in dem sozialen Netzwerk in Aussicht stellte. Er sprach sich auch für strengeren internationalen Datenschutz aus - ein Feld, das in der Vergangenheit sicher nicht zur Kernkompetenz des 34-Jährigen gehörte.
Zuckerbergs Tour-de-Force hat einen guten Grund: Der Facebook-Chef will zunehmenden Forderungen nach einer Zerschlagung des Netzwerkes entgegentreten. Und angesichts der nicht abreißen wollenden Serie von Datenschutzversagen, Hassbotschaften und massiven Problemen, diese einzudämmen, um Vertrauen werben. Das ist auch dringend nötig. Denn angesichts all der aktuellen Probleme will Zuckerberg Facebook neu erfinden und offenbar langfristig auch geschäftlich auf eine völlig neue Basis stellen. Dafür braucht er allerdings nicht nur das Wohlwollen, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit.
Denn auch wenn Facebook immer noch eine Geldmaschine ist und alleine im vierten Quartal 2018 16,9 Milliarden Dollar vor allem mit Werbung einspielte - die wilden Wachstumsjahre sind vorbei. Gerade einmal um 1,36 beziehungsweise 2 Prozent konnte Facebook bei den Nutzern in den vergangenen Quartalen zulegen.
Stagnierende Nutzerzahlen in den USA
Das Problem dabei: Facebook wächst vor allem in Asien, während die Nutzerzahlen in den USA und Europa weitgehend stagnieren. Mit absehbaren finanziellen Konsequenzen: Für Facebook, das mehr als 90 Prozent seines Umsatzes mit Werbung macht, sind US-Bürger und Europäer deutlich lukrativer als Asiaten. So generierte ein Nutzer in den USA und Kanada für Facebook zuletzt 27,61 Dollar im Quartal und ein Europäer 8,82 Dollar, wie der Tech-Blog "Recode" kürzlich vorrechnete. Der von einem asiatischen Nutzer generierte Umsatz lag dagegen bei schlanken 2,67 Dollar.
Zuckerberg auf "Wohnzimmermission"
Um auch künftig am Puls der Nutzer zu sein und deren Bedürfnisse zu bedienen, will Zuckerberg nun offenbar umschwenken. Er glaube, dass "die Zukunft der Kommunikation sich zunehmend hin zu privaten, verschlüsselten Diensten verschieben" werde, verkündete der Facebook-Chef unlängst. Zu Orten "an denen die Leute darauf vertrauen können, dass das, was sie zueinander sagen, sicher ist und Inhalte nicht ewig verfügbar bleiben."
Genau das, das "digitale Äquivalent eines Wohnzimmers", wie Zuckerberg es ausdrückte, will der Tech-Konzern seinen Kunden künftig liefern - zusätzlich zum "öffentlichen Marktplatz".
Verschlüsselung
Dazu will Facebook nach Zuckerbergs Worten bis 2020 sämtliche Messenger-Dienste - von Whatsapp über Instagram bis hin zu Facebook - End-zu-End verschlüsseln. Zudem erwägt er, die Inhalte der Messenger vergänglicher zu gestalten, wie Snapchat es schon vor Jahren erfolgreich vorgemacht hat. Das bringt allerdings das Problem mit sich, dass sich in solch privaten Gruppen weniger gut Werbung vertreiben lässt - aktuell die Haupteinnahmequelle des sozialen Netzwerkes.
Shopping
Aber auch dafür hat Zuckerberg eine Lösung: Statt mit Werbung könnte das soziale Netzwerk einen Anteil seines Umsatzes mit Umsatzbeteiligungen erzielen. Wie das funktionieren könnte, zeigte die aktuell boomende Facebook-Tochter Instagram. Auf der App können sich US-Kunden seit kurzen nicht mehr nur noch inspirieren lassen, sondern auch shoppen. Sehen sie ein Produkt, das ihnen gefällt, müssen sie die App nicht mehr verlassen, sondern können Produkte von Marken wie Adidas, H&M, Zara, Nike, Prada, Dior oder Burberry direkt in den Einkaufswagen legen. Und Facebook hält die Hand auf. Hinzu kommen Möglichkeiten wie Livestream-Shopping, mit denen Facebook bereits experimentiert - und das gerade bei jungen Kunden auf großes Interesse stößt.
Bezahldienste & Kryptowährung
Inspirationsgetriebenes Shopping ist nicht die einzige Art und Weise, auf die Facebook künftig Geld verdienen könnte. So hat Zuckerberg seinen früheren Messenging-Chef und Paypal-Präsidenten David Marcus bereits im vergangenen Jahr auf das Thema Blockchain angesetzt. Er soll, wie es in US-Medien heißt, für Facebook offenbar eine so genannte "Stablecoin" entwickeln, eine an eine Währung wie den Dollar gekoppelte Kryptowährung. Die Bindung an eine existierende Währung würde das Cybergeld für Spekulationen deutlich unattraktiver machen als etwa Bitcoin. Nutzer weltweit könnten sie aber dennoch halten und nutzen, um grenzüberschreitend Dienstleistungen und Waren zu bezahlen.
Facebook auf den Spuren von WeChat
Sollte das recht schwierige Vorhaben - an dem schon andere gescheitert sind - funktionieren, wäre die finanzielle Zukunft Facebooks gesichert. Wie das Ganze - auch ohne Kryptowährung - funktionieren kann, zeigt der chinesische Konzern Tencent, der unter anderem die Messaging-App WeChat betreibt. Über diese können Kunden sowohl externe als auch interne Dienstleitungen bezahlen, von der Taxifahrt über den Snack unterwegs bis hin zu Flugtickets oder Geldanlageprodukten. Aber auch In-App Spiele oder andere Dienste.
Für Tencent ein äußerst lukratives Geschäft. Wie groß der Erlösanteil von WeChat Pay bei Tencent zuletzt genau war, veröffentlicht das Unternehmen zwar nicht. Alleine im abgelaufenen Jahr erwirtschaftete Tencent bei einem Umsatz von 45,6 Milliarden Dollar aber einen Gewinn von 11,5 Milliarden Dollar. Und das mit einer Nutzerbasis, die mit etwas über einer Milliarde sogar noch geringer als die von Facebook ist.
Kommt jetzt "Whatsabook"
Nimmt man alle Dienste zusammen kommt Facebook laut letzten Zahlen auf 2,7 Milliarden Nutzer - ein Kundenpool, der in seiner Größe kaum seines Gleichen findet. Wenig überraschend also, dass Facebook-Chef Mark Zuckerberg angeblich eine Art Superapp plant, über die Kunden auf sämtliche Dienste von Instagram, Whatsapp und Facebook zugreifen können sollen. Oder in der sie - um in Zuckerbergs Bild zu bleiben - vom Marktplatz beliebig ins Wohnzimmer wechseln können und zurück. Ein Schritt, der dem Konzern zusammengeführt einen noch tiefergehenden Datenschatz über seine Kunden und deren Präferenzen liefern würde.
Wie erfolgreich Zuckerbergs Diversifizierungsstrategie und seine Vertrauenswerbung sein wird, bleibt abzuwarten. Aber vom Zu-Kreuze-Kriechen hat Zuck nun offenbar genug. Er hat wieder in den Angriffsmodus geschaltet.