Elizabeth Holmes / Elon Musk: Die beiden (Ex)-Manager zeichnen sich durch einen höchst unterschiedlichen Umgang mit Fehlern aus
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Fehlschläge sind etwas, was Tesla-Chef Elon Musk nur zu gut kennt. Die ersten drei seiner Space X Raketen schafften es nicht in die Umlaufbahn, bei einem Start stürzte eine sechs Milllionen Dollar teure Raketenspitze ins Meer und auch die anhaltenden Produktionsschwierigkeiten beim Model 3 und der massive Jobabbau bei dem Autobauer waren alles andere als Erfolgsmeldungen. Ein Unternehmen zu gründen sei, sei "wie Glas zu kauen und in den Abgrund zu schauen", zitierte Musk einmal einen Freund.
Amy Wilkinson: Die Stanford-Dozentin hat hunderte Gründer zu ihren Erfahrungen als Unternehmer befragt
Was erfolgreiche Unternehmer ausmacht und welche Qualitäten entscheidend für den unternehmerischen Erfolgs sind , hat die Autorin und Stanford-Dozentin Amy Wilkinson untersucht. Für ihr Buch "The Creators Code" sprach sie mit 200 Gründern großer US-Unternehmen wie Tesla, AirBnB, Dropbox, Paypal, LinkedIn oder Chobani.
Unternehmen, die alle mindestens fünf Jahre alt waren, mindestens 100 Millionen Dollar Jahresumsatz machen und nicht länger als zehn Jahre gebraucht hatten, diese Marke zu erreichen. Über 10.000 Seiten umfassten die Gesprächstranskripte, der laut Wilkison "größte Datensatz" seiner Art.
Sechs zentrale Schlüsselfähigkeiten hat Wilkinson daraus herausfiltriert, über die alle der von ihr interviewten Gründer und Unternehmensführer verfügten. Ein Überblick.
Finde eine Lücke
Howard Schultz: Der ehemalige Starbucks-Chef hat Starbucks vom kleinen Kaffee-Unternehmen in Seattle zum Weltkonzern gemacht
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Alle der von der habilitierten Mathematikerin befragten Unternehmer hatten es geschafft, eine Lücke zu finden, eine Geschäftsmöglichkeit, die andere bislang übersehen hatten.
Entweder, indem sie wie Starbucks-Gründer Howard Schultz eine Idee - in diesem Fall die eines zweiten Wohnzimmers, nämlich des Cafés - aus Europa in die USA importierten - und an die dortigen Bedürfnisse anpassten.
Oder indem sie ein Problem lösen, das davor niemand zufriedenstellend gelöst hatte. Wie es beispielsweise Kevin Plank von Under Armour getan hat, indem er - selbst unzufrieden mit seiner schweißgetränkten Footballunterwäsche - eine Alternative aus atmungsaktiven High-Tech-Stoff entwickelte. Einmal am Markt, weitete er sein Geschäft dann auf andere Bereiche aus, was Wilkinson "Architekten-Modell" nennt.
Eine dritte Möglichkeit, die laut Wilkinson immer wieder auftauchte, war die Integration, das Verschmelzen des Besten aus zwei Welten, wie es beispielsweise der Gründer des Tex-Mex Restaurants Chipotle getan hat. Nämlich die Schnelligkeit von Fast Food mit der frischen Zubereitung von Nobelrestaurants zu verknüpfen.
Fahre auf Sicht
Gruppenbild. Airbnb-GrÜnder Joe Gebbia, Nathan Blecharczyk UND Brian Chesky (v.l.n.r.)
"Wenn man will, dass einem die Geschwindigkeit in einer schnell wachsenden Wirtschaft zugute kommt, man wachsen will, muss man sich wie ein Rennfahrer nach dem Licht am Horizont richten", so Wilkison. Ein Beispiel dieses erfolgreichen "Fahrens auf Sicht" ist für sie Airbnb, ein Unternehmen dass seine Gründer eine "Sieben-Jahres-übernacht-Erfolgsgeschichte" nennen.
In einem sich stetig wandelnden Umfeld, mit immer neuen Anforderungen musste Airbnb viele Rückschläge hinnehmen, sich ständig anpassen - ohne die langfristige Vision aus den Augen zu verlieren. Auch Amazon oder Uber sind Beispiele dafür, wie Unternehmen in ständig wandelnden Bedingungen ihr Geschäftsmodell stetig angepasst haben.
Schnell und möglichst klug entscheiden
Peter Thiel: Der Paypal-Gründer musste in den frühen Jahren des Unternehmens häufig umdenken
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Oder: "Fly the OODA-Loop". Das Kozept des OODA-Loop stammt aus der US-Airforce. Die Abkürzung OODA steht für observe, orient, decide & act. Also: beobachte, orientiere dich, entscheide und handle. Es sollte die US-Flieger, die damals den russischen Jets technisch unterlegen waren, befähigen, aufgrund schnellerer Entscheidungen und somit Handlungsfähigkeit gegen die feindlichen Jets zu obsiegen.
Als Beispiel für ein Unternehmen, das diese Strategie erfolgreich angewendet hat, sieht Wilkinson den Zahlungsabwickler Paypal. Zu Beginn seiner Existenz "hat Paypal in 18 Monaten sechs verschiedene Geschäftsmodelle durchlaufen", fasst sie die Erkenntnis der Gründer und frühen Mitarbeiter zusammen, die im Anschluss an Pay Pal weitere Techriesen wie Youtube, Palantir, Linkedin , Yelp, Yammer, Palantir, Tesla oder Space X gründeten.
"Es ist oft nicht das erste Modell, das funktionier. Man muss genau beobachten, was funktioniert, und was nicht. Und dann muss man schnell entscheiden und handeln. Und wenn man das macht, findet man eine Lösung."
Such Dir einen Wingman
Nicht alleine unterwegs: F-35 Kampfflugzeuge
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Eine Fähigkeit, mit der sich nach Erfahrung Wilkinsons vor allem große, bereits etablierte Unternehmen schwer tun, bei denen Freigabeprozesse sich oft ewig hinziehen. "Das ist der Killer", sagt Wilkison, die mit ihrem Unternehmen Ingenuity Konzerne bei der Transition in die digitale Welt berät. "Wenn man groß ist, muss man schneller werden. Je größer man als Unternehmen wird, umso schneller muss man sich bewegen."
Und noch etwas ist nach Einschätzung Wilkinsons nötig, um in der schnellen, digitalen Wirtschaft als Unternehmen richtige Entscheidungen zu fällen: "Wingmen", die den eigenen toten Winkel im Auge haben. "Wenn man schnelle Entscheidungen trifft, braucht man Leute, die einem die Wahrheit sagen.
"Und die fehlten vor allem in Großkonzernen häufig. "In großen Firmen nicken Mitarbeiter alles oft nur ab, sagen ja. Was man braucht, ist aber Widerspruch. Leute, die einen in Zweifel ziehen, einem sagen, wenn man falsch liegt."
Klüger scheitern
Explosionsort einer Falcon-9-Rakete in Cape Canavera: Auch bei Space X verläuft nicht immer alles wie geplant
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Eine Schwäche, die Wilkinson in Deutschland beobachtet hat, ist eine mangelnde Kultur des Scheiterns.
Unternehmer müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie Fehler machen werden und dass nur ein Teil dessen, was sie versuchen, auch tatsächlich funktionieren wird, sagt Wilkison. "Wenn man etwas repliziert, kann man alles perfektionieren und keine Fehler machen. Wenn man etwas völlig neues ausprobiert, geht immer etwas schief. Das muss man einkalkulieren."
Eine Lösung hierfür wäre es einen Fehlerschlüssel festzulegen, wie es beispielsweise Ex-Google-CEO Eric Schmidt getan habe. "Er hat einen Split von 70, 20,10 festgelegt. 70 Prozent seiner Zeit und seines Fokus widmete er dem Kerngeschäft, 20 Prozent Nebengeschäften und 10 Prozent so genannten 'moonshots', total verrückten aber spannenden Ideen."
Ein Defizit hier sieht Wilkinson als Grund für das Scheitern der einst gefeierten Theranos-Chefin Elisabeth Holmes. "Statt offen zu sagen: meine Bluttest-Vision ist immer noch gut, aber die Technologie hat die Erwartungen nicht erfüllt, hat sie ihr Scheitern versteckt. Und das war fatal." Ein Fehler, den Tesla-Chef Elon Musk nach Ansicht von Wilkinson hingegen bislang nicht gemacht habe. "Er verbirgt seine Fehler nicht. Tesla scheitert immer wieder. Und die Welt - insbesondere Deutschland mit seiner Autoindustrie - schaut zu. "
Anders denken
Kognitive Diversität: Unterschiedliche Herangehensweisen führen manchmal zu unkonventionellen Lösungen
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Wenn man neu denken und Probleme anders lösen will als früher üblich, braucht man koginitive Diversität, sagt Wilkison. Man muss unterschiedliche Leute zusammensetzen mit unterschiedlichen Hintergründen, die sonst nicht zusammen arbeiten: Anthropologen mit Mathematikern, Journalisten , Datenexperten. Introvertierte mit Extrovertierten. So kann man Dinge schaffen, die vorher nicht geschaffen wurden, fasst sie die Erfahrungen aus ihren Gesprächen zusammen.
Außerdem sei es sinnvoll, kleine Geschenke zu machen. Nicht unbedingt materielle, sondern eher ideelle: Zeit für andere zu investieren, indem man Menschen einander vorstellt, Lebensläufe weiterleitet, generell hilfsbereit ist. "Es dauert fünf Minuten, Menschen miteinander bekannt zu machen." Das könne erstaunliche Ergebnisse haben. "Außerdem erwirbt man sich damit einen guten Ruf, und wird selbst produktiver - und auch als Arbeitgeber viel attraktiver. "
Die Gig-Economy kommt
Fahrradkurier: Die Gig-Economy ist in den USA schon Realität
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Ein nicht unwichtiges Attribut in der aktuellen Arbeitswelt. "In den USA hatten 38-Jährige im Durchschnitt bereits 12 Jobs - entweder im selben oder in unterschiedlichen Unternehmen. Und die Frequenz wird steigen."
Vor allem für Traditionsunternehmen sind die Herausforderungen enorm, sich mit ihren Geschäftsprozessen auf das Digitalzeitalter einzustellen. Eine Aufgabe, die nach Ansicht von Wilkison nur von oben nach unten geregelt werden kann. Damit große Unternehmen unternehmerischer werden, müssten Freiräume geschaffen werden. "Nur dann können die Firmen das unternehmerische Potenzial ihrer Angestellten auch wirklich ausnutzen."