Schwieriger Neustart für skandalgeplagten Fahrdienst Weg vom Rambo-Image - wie der neue Chef Uber umkrempelt

Von Wilfried Eckl-Dorna
Uber-Chef Dara Khosrowshahi (links) stellt in Berlin seinen Leihfahrraddienst Jump vor

Uber-Chef Dara Khosrowshahi (links) stellt in Berlin seinen Leihfahrraddienst Jump vor

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Chaos-Startup: Das sind die Köpfe hinter Uber

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Seit einem Jahr muss Dara Khosrowshahi als Chef eines weltweit bekannten Startups einen ungewöhnlichen Spagat meistern: Er muss den großen Besänftiger und Entschuldiger geben, zugleich aber auch sattes Wachstum vorweisen können.

Einfach ist das nicht, denn Khosrowshahi steht an der Spitze des meistgehassten US-Startups: Des Fahrdienstanbieters Uber. Der Ruf des 2009 gegründeten Unternehmens, das sich lange als Bad Boy unter den Mobilitätsdienstleistern gerierte, ist nach einer Reihe von Skandalen arg angeschlagen: Gegen den Gründer und langjährigen Uber-Chef Travis Kalanick gab es Vorwürfe wegen sexueller Belästigung. Mitarbeiter beschwerten sich vielfach über den harschen Ton im Unternehmen. Da passte es durchaus ins Bild, dass Uber den Klau von Millionen Kundendaten zu vertuschen versuchte. Kalanick haben die Investoren aus dem Unternehmen rausgedrängt - und dafür den 49-jähigen Khosrowshahi geholt, der zuvor den Online-Reisekonzern Expedia leitete.

Einen Neuanfang versprach der gebürtige Iraner, als er Ende August 2017 als neuer Uber-Chef antrat. Nach wie vor ist Uber eines der höchstgehandelten Startups der Welt - zuletzt sprach das Unternehmen selbst von einer Bewertung von 62 Milliarden Dollar. Im kommenden Jahr will Khosrowshahi Uber an die Börse bringen. Der dürfte nur dann erfolgreich verlaufen, wenn Ubers schlechtes Image bis dahin einigermaßen abschüttelt. Kein Wunder also, dass sich Khosrowshahi viel versöhnlicher und verbindlicher zeigt als sein Vorgänger Kalanick.

Zugleich muss Khosrowshahi aber auch zeigen, dass Uber weiterhin stark wächst, um die hohe Bewertung des Unternehmens zu rechtfertigen. Die jüngsten Zahlen fielen gemischt aus. Ubers Defizit schrumpfte in dem Ende Juni abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal zwar um 19 Prozent, wie das Unternehmen mitteilte. Damit schlägt jedoch immer noch ein Minus zu Buche: Der bereinigte Nettoverlust stieg von 577 Millionen Dollar auf 659 Millionen Dollar.

Mission: Normales Unternehmen - mit neuen Geschäftsfeldern

Immerhin legte Uber beim Umsatz den Turbo ein: Im zweiten Quartal stieg der Nettoumsatz um 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 2,7 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro)"Wir hatten wieder ein großartiges Quartal", sagte Unternehmenschef Dara Khosrowshahi. "Wir setzen unser Wachstum in einem für ein Unternehmen unserer Größe beeindruckenden Tempo fort."

Das sehen längst nicht alle so: US-Medien weisen etwa darauf hin, dass sich Ubers Wachstum im zweiten Quartal verlangsamt hat im Vergleich zum ersten.

Unter der Führung des gebürtigen Iraners hat sich Uber zuletzt aus verlustträchtigen Märkten zurückgezogen: So hat Khosrowshahi sein US-Autoleasing-Geschäft verkauft, das Südostasien-Geschäft schlug er an den Rivalen Grab Inc. los.

Am Hauptteil des bisherigen Geschäftsmodells rüttelt Khosrowshahi nicht. Denn Teil seiner Mission ist es, Uber zu einem normalen Unternehmen zu machen, ohne dessen bisheriges Erfolgsrezept komplett aufzugeben. Nach wie vor vermittelt Uber via App Fahrten von Privatleuten, die ihre Kunden mit dem eigenen Auto kutschieren. Zugleich drängt Uber jedoch in neue Bereiche: So bietet Uber in den USA etwa Essenslieferungen an.

Auch in das Geschäft mit dem Verleih von Scootern und Fahrrädern will Uber im großen Stil einsteigen: Im April hat Uber dafür das Startup Jump Bikes übernommen. Auch in Deutschland wagt Uber einen neuen Anlauf: In Berlin will Uber in Kürze Elektro-Fahrräder anbieten - und auch eine Elektroauto-Flotte auf die Straße bringen.

Welches Kostenproblem Ubers Roboterauto-Pläne haben

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Umtriebig bleibt Uber auch bei zukünftigen Transportmitteln: Der Konzern forscht an elektrisch angetriebenen Lufttaxis, die Personen in Städten von einem Ort zum anderen fliegen. Und auch sein Roboterauto-Projekt verfolgt Uber weiterhin - obwohl eines seiner Fahrzeuge vor einigen Monaten einen tödlichen Unfall verursachte und Uber deshalb seine Testfahrten unterbrach.

Die Frage ist allerdings, wie lange sich Uber noch die kostspielige Forschung am autonomen Fahren leistet. Nach einem Bericht des Portals "The Information" fiel der Verlust im zweiten Quartal vor allem deswegen so hoch aus, weil Uber gewaltige Summen in die Entwicklung selbstfahrender Autos steckt. Das Unternehmen habe die vergangenen anderthalb Jahren zwischen 125 Millionen und 200 Millionen Dollar für diese Forschungsarbeiten ausgegeben.

Einige Investoren drängen demnach das Unternehmen, den Bereich für selbstfahrende Autos zu verkaufen, weil Uber selbst noch keinen Weg zur Kommerzialisierung der entwickelten Technologie gefunden habe.

Bislang hat Khosrowshahi allerdings noch nicht durchblicken lassen, ob er Ubers teuren Roboterauto-Ambitionen den Stecker zieht. Herumschlagen muss er sich auch nach wie vor mit regulatorischen Hürden, die seine Wachstumshoffnungen dämpfen könnten: So hat die Stadt New York vor kurzem die Vergabe neuer Lizenzen für Fahrdienste eingefroren und einen Mindestbezahlung für Uber-Fahrer beschlossen. Seattle erwägt ähnliche Lohn-Vorgaben.

Experten zweifeln an Grundsätzlichem

Und auch das Drehen der Uber-Unternehmenskultur verläuft nicht ganz glatt: So musste jüngst Ubers Personalchefin nach Rassismusvorwürfen den Hut nehmen. Die Konkurrenz nützt die Turbulenzen: Der kleinere Rivale Lyft hat zuletzt Marktanteile gewonnen - und 600 Millionen Dollar an neuem Kapital aufgestellt, was seine Bewertung auf 15,1 Milliarden Dollar verdoppelt hat.

Zudem zweifeln manche Experten nach wie vor an Grundsätzlichem: "Ich bin weiterhin nicht beeindruckt", sagte Management-Professor Brent Goldfarb von der Universität Maryland zu den jüngsten Quartalszahlen. Nur weil man sich von den schwächsten Bereichen trenne, bedeute das noch nicht, dass das zugrunde liegende Geschäftsmodell profitabel sei.

Da muss Khosrowshahi wohl nicht nur besänftigen, entschuldigen und neue Geschäftsfelder verheißen - sondern vor dem Börsengang noch etwas ganz Grundsätzliches erklären. Und an vielen Fronten weiter kämpfen.

mit Material von dpa/Reuters
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