Pharmamarkt Telekom und DocMorris planen die Überall-Apotheke

Beratung am Laptop: Sieht so die Apotheke der Zukunft aus?
Foto: DocMorrisHannover - Die Beratung zu Pillen, Sprays und Pflastern im Vier-Augen-Gespräch war bislang den Mitarbeitern stationärer Apotheken vorbehalten. Ein Monopol, das diese gern als zentrales Unterscheidungsmerkmal gegenüber Versandapotheken anführen. Doch damit könnte bald Schluss sein. Denn auf der Cebit hat die Deutsche Telekom nun eine Kooperation angekündigt, die diesem Monopol ein Ende setzen könnte.
Gemeinsam mit der Versandapotheke DocMorris will der Telefonkonzern Apothekenkunden künftig direkt im Internet über Pillen und Pflaster beraten. Um diesen Service zu ermöglichen, setzen Telekom und DocMorris auf den so genannten "LiveBerater". Dabei handelt es sich um Apotheker, die Kunden per Videochat über Produkte informieren und beraten sollen.
"Mit dem Liveberater bringen wir die persönliche Online-Beratung auf eine neue Ebene ", sagt Dirk Backofen, Leiter des Geschäftskundenmarketings der Telekom. "Der Kunde kann sich in privater Atmosphäre informieren, ohne das Haus zu verlassen." Bislang greifen Online-Beratungsdienste meist auf Textchats, telefonische Rückrufe oder E-Mail zurück.
Stagnierender Marktführer
"Wir ermöglichen unseren Apothekenkunden mit dem Liveberater einen pharmazeutischen Beratungsservice von Angesicht zu Angesicht", sagt Olaf Heinrich, CEO von DocMorris. Mehr als hundert Apotheker und pharmazeutisches Fachpersonal sollen dafür zur Verfügung stehen. Während der Beratung könnten beispielsweise auch erklärende Einspielfilme oder Dokumente gezeigt, Formulare gemeinsam bearbeitet oder Downloads bereitgestellt werden. "Die Apotheke DocMorris kommt interaktiv zum Patienten, ganz gleich, wann und wo der Kunde unser Wissen über Arzneimittel und ihre Therapien braucht."
DocMorris ist derzeit Marktführer unter den Versandapotheken in Europa. Dennoch lief das Geschäft zuletzt schleppend. 2012 setzte das Unternehmen gut 324 Millionen Euro um - drei Millionen weniger als im Jahr zuvor. Hoffnungen, die unter anderem der Pharmagroßhändler Celesio mit der aus rechtlichen Gründen in den Niederlanden firmierenden Versandapotheke verbunden hatte, erfüllten sich nicht. 220 Millionen Euro hatte Celesio im Jahr 2007 für DocMorris bezahlt. Im Herbst 2011 gab der Pharmagroßhändler seine holländische Tochter für 25 Millionen Euro an die Schweizer Versandapotheke Zur Rose ab.
Hoffnungsträger für DocMorris, Megamarkt für die Telekom?
Ein Grund für die stagnierenden Umsätze des Telekom-Patners: Der knapp 21.000 Apotheken zählende Markt wird inzwischen von vielen Wettbewerbern mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Nischenprodukten bearbeitet. Neben Online-Marktführern wie DocMorris oder Mycare haben inzwischen rund 3000 Apotheken allein in Deutschland eine Versanderlaubnis. Der Wert der im Internet bestellten Produkte summiert sich auf derzeit rund 1,3 Milliarden Euro.
Darüber hinaus gehen inzwischen auch preisaggressive Discounter - darunter die Easy- und die Apo-Rot-Apotheken - auf Kundenjagd. Und auch die klassischen Apotheken haben aufgerüstet. So setzt beispielsweise Celesio nach dem Verkauf von DocMorris mit seiner neuen Kette Lloyds auf ausgefeilte Beratung in der Apotheke selbst - etwas durch Touchscreens oder Hautbestimmungstest.
Nicht zuletzt haben auch immer wieder Gerichtsurteile dazu geführt, dass Versandhändler wie DocMorris stark eingeschränkt sind, wenn es um Preisnachlässe für Medikamente geht. So entschied der Bundesgerichtshof erst Ende Februar, dass es einem Apotheker nicht erlaubt sei, 10 Prozent Preisnachlass auf rezeptpflichtige Medikamente zu geben, wenn diese in den Niederlanden bestellt und in Deutschland abgeholt würden.

Apotheke der Zukunft: Wo wir künftig Medikamente kaufen
Für DocMorris könnte die Live-Beratung nun zum Befreiungsschlag werden - sollt das Angebot sich bei den nach eigenen Angaben rund 2,5 Millionen Kunden durchsetzen. Denn mit dem neuen Angebot wagen sich die Holländer nun im großen Stil in die selbst erklärte Beratungs-Domäne klassischer Apotheken.
Doch auch für die Telekom ist der erste Showcase bedeutsam. Denn die Bonner denken längst weiter. Ihren neuen "Live-Berater", der sich als Kommunikations-Lösung unter anderem mit Kundenmanagementsystemen und anderer Firmensoftware verknüpfen lässt, könnte dem Konzern zufolge auch von der Touristikbranche, Finanzdienstleistern, der Immobilienwirtschaft, dem Elektronik- oder auch dem Onlineversandhandel verwendet werden.