Ländervergleich - Deutschland in der Spitzengruppe Die besten Tech-Standorte für Unternehmen und Investoren
Technologiegetriebene Produktion und Digitalisierung haben der Weltwirtschaft neuen Schub verpasst - und den Wettlauf der Staaten um Investitionen und Zukunftstechnologie beschleunigt. Wo liegen heute und in näherer Zukunft die interessantesten Investitionsstandorte? In welchen Ländern sollten Unternehmen, die auf wissensbasierte Technologie und Dienstleistung setzen, jetzt investieren? Wie steht Deutschland in diesem globalen Wettbewerb da und wo entstehen die wichtigsten Märkte für die Produkte der deutschen Industrie?
Auf diese Fragen gibt es keine einfache Antwort - doch mit Hilfe eines weltweiten Ländervergleichs können sich Unternehmen und Investoren zumindest einer Antwort nähern. Die Unternehmensberatung Contor hat 144 Länder anhand von 30 Indikatoren miteinander verglichen. In der Studie "Technologiestandorte - die geeignetsten Staaten weltweit" wurden dabei Länder zu Gruppen zusammengefasst, die von ihrer Struktur her ähnlich sind (Länder-Cluster).
Auf der interaktiven Weltkarte erscheinen damit Länder in grün, die sich als Technologiestandorte heute und in naher Zukunft eignen - und Länder in gelber Farbe, die vielleicht für bestimmte Industrien einen zweiten Blick wert sind. (siehe Karte). Ein Klick auf die einzelnen Länder ruft die wichtigsten Standort-Kriterien auf.
Als Kriterien für die Analyse hat Contor 30 Indikatoren herangezogen, die sich in vier Bereiche aufteilen lassen: Wohlstand und Lebensqualität, Bildung und Wissenschaft, Industrie- und Technologieaffinität, Unternehmerfreundlichkeit und politische Stabilität.
Der Bereich Wohlstand und Lebensqualität zielt auf Daten wie BIP, Einkommen, Arbeitslosenquote oder Zahl der qualifizierten Arbeitskräfte des jeweiligen Landes. Er ist Grundlage, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und zu halten. Der zweite Bereich Bildung und Wissenschaft bietet die Voraussetzung, diese Arbeitskräfte ausbilden zu können - dabei geht es um eine möglichst breite gebildete Basis, aus der dann Höchstqualifizierte erwachsen. Daten zu Studierenden, Patenten und aus dem weltweiten Bildungsindex fließen in diesen Bereich ein.
Dritter Bereich ist die Industrie und Technologieaffinität des jeweiligen Landes, also das Know-how, um wissensbasierte und technologiegetriebene Güter herzustellen. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes, der Hochtechnologie und Hochtechnologieexporte fließen hier als Datensatz mit ein. Im Bereich Unternehmerfreundlichkeit werden Daten zur Steuerbelastung im jeweiligen Land, zur Produktivität und zu den Bruttoinvestitionen ausgewertet.
Für Deutschland ist das Ergebnis der Länder-Analyse erfreulich. Die Bundesrepublik gehört zu den Standorten, die für wissensbasierte, technologiegetriebene Industrie und Dienstleistung besonders gut geeignet sind. Gemeinsam mit Ländern wie Südkorea, den USA, Singapur und der Schweiz gehört Deutschland außerdem zu den drei Ländergruppen (Clustern) mit den höchsten Punktwerten. Zugleich zeigt die Analyse, dass die Konkurrenz zahlreich und weltweit verteilt ist - und dass einige von Deutschlands europäischen Nachbarn, wie Italien und Frankreich, zurückzufallen drohen, wenn sich die Entwicklung der vergangenen Jahre in der Zukunft fortsetzt. Dabei ist es auch in deutschem Interesse, dass diese EU-Kernländer zu Stärke zurückfinden, um idealerweise gemeinsam mit Deutschland ein größeres Cluster zu bilden und Unternehmen wie auch Investitionen aus aller Welt anzuziehen.
Da die farbliche Darstellung der Länder auf der Karte nur als grober Überblick dient, folgt hier eine genauere Übersicht einzelner Ländergruppen, die sich als Technologiestandorte eignen. Hervorgehoben sind darin auch einige Kriterien, die dazu führen, dass sich diese Länder für Investitionen anbieten.
Die besten Cluster: Südkorea, Japan, Katar
Für die grün markierten Bereiche gilt: Diese Länder setzen sich deutlich positiv von anderen Staaten ab und sind mit hoher Wahrscheinlichkeit gut geeignet als Technologiestandorte. Bei allen Unterschieden, die diese Staaten bieten, und trotz der großen Bandbreite unterschiedlicher Anforderungen von Unternehmen sind diese Ländergruppen wahrscheinlich die besten Standorte, um technologiegetriebene Produktion und Dienstleistung voranzutreiben.
Zur Spitzengruppe zählt das Ländercluster 26 mit Japan und Südkorea. Die beiden Länder punkten mit relativ hohem Wohlstand und hoher Lebensqualität und einem extrem hohen Bildungs- und Wissenschaftsniveau. Außerdem ist die Industrie- und Technologieaffinität sehr hoch, und die Bedingungen für Unternehmen (Unternehmerfreundlichkeit) leicht über dem Durchschnitt.
In beiden Ländern ist der Anteil der Menschen, die in einem Studiengang oder in einem ähnlichen Bildungsgang eingeschrieben sind, an der entsprechenden Altersklasse des Landes deutlich höher als der Mittelwert aller Länder. Hierbei zeigt Südkorea mit 94 Prozent einen Spitzenwert an. Die Zahl der Patentanmeldungen je 1 Million Einwohner ist in Südkorea zudem die höchste der Welt. Auch Japan bietet mit mehr als 2.000 Patentanmeldungen je 1 Mio Einwohner sehr hohe Werte, die weit über dem weltweiten Mittelwert von ca. 125 Patentanmeldungen liegen. Insgesamt haben Bildung und Wissenschaft einen extrem hohen Wert in Japan und Südkorea - und das macht sie als Technologiestandort besonders interessant.
Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt liegt in beiden Ländern außerdem deutlich über dem Durchschnitt. Südkorea erreicht mit einem Anteil von 30 Prozent fast den Höchstwert weltweit.
Emirat Katar profitiert von Extremwerten
Das Länder-Cluster Nummer 31, das den höchsten Schwerpunktwert erreichte, besteht lediglich aus einem (relativ kleinen) Staat, Katar. Dies deutet zunächst auf einen statistischen Ausreißer hin. Das reiche Emirat Katar profitiert offenbar von Extremwerten, die den Vergleich mit anderen Standorten erschweren. So weist Katar das höchste Bruttoinlandsprodukt aller analysierten Länder auf, das BIP liegt noch rund 25 Prozent über dem BIP des zweitplatzierten Luxemburg. Die Arbeitslosenquote ist mit 0,16 Prozent die niedrigste im gesamten Datensatz.
Im für die Zukunft relevanten Bereich Bildung und Wissenschaft sind Katars Werte jedoch nicht mehr so herausragend: Der Anteil an Menschen, die in einem Studium oder studienähnlichen Bildungsgang eingeschrieben sind, ist in Katar niedrig und liegt deutlich unter dem Anteil aller anderen Staaten. Auch der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt liegt mit einem Wert in Höhe von 10 Prozent leicht unter dem Durchschnitt. Hierbei hat das verarbeitende Gewerbe in Katar zuletzt einen überdurchschnittlichen Einbruch von fast 20 Prozent in diesem Bereich erlebt.
Die mittlere Hochtechnologie und Hochtechnologie hat in Katar dagegen in den vergangenen Jahren eine deutlich überdurchschnittliche und starke Bedeutung gewonnen. Der Anteil von Exporten an High-Tech-Produkten ist mit lediglich 0,05 Prozent noch extrem niedrig. Doch das Land setzt mit starkem Kapitaleinsatz auf den Import von Technologien und ist damit aktuell ein wichtiger Markt für die führenden Anbieter.
Geeignete Tech-Standorte: Deutschland, Schweiz, USA, Irland, Singapur
Die Bundesrepublik Deutschland bildet mit der Schweiz und Irland sowie mit den Vereinigten Staaten und dem Stadtstaat Singapur eine Ländergruppe, die im Wettlauf der Technologiestandorte vorne mitspielt und für Unternehmen und Investitionen interessant ist. Bei allen regionalen Unterschieden weisen diese Länder strukturelle Ähnlichkeiten auf und bilden damit ein Cluster, das sich das Label "geeignete Technologiestandorte" verdient.
Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in allen 5 Staaten weist sehr deutlich überdurchschnittliche Werte auf. Sie sind mindestens doppelt so hoch sind wie der Durchschnittswert aller Staaten. Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern zeigt innerhalb der Gruppe die niedrigsten Werte, der Stadtsaat Singapur (5,6 Millionen Einwohner) mit ca. 80.000 international Dollar in konstanten Preisen die höchsten Werte. Das BIP hat sich in allen Ländern gegenüber einem allgemeinen Zuwachs von ca. 7,5 Prozent zwar unterdurchschnittlich, jedoch immer noch positiv entwickelt.
Positiver Ausreißer bei diesem Indikator ist Irland, das einen enormen Zuwachs des BIP in Höhe von fast 35 Prozent vorweisen kann. Dennoch hat Irland mit einer Arbeitslosigkeit zu kämpfen, die leicht über dem weltweiten Mittelwert liegt. Die anderen Länder des Clusters zeigen deutlich unterdurchschnittliche Daten.
Singapur hat mit 1,7 Prozent Arbeitslosen in dieser Hinsicht die geringsten Probleme. In sämtlichen Ländern außer der Schweiz ist die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren sehr stark und sehr deutlich überdurchschnittlich gesunken. Auch in Deutschland ist die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren um rund 20 Prozent zurückgegangen.
Die Zahl der Patentanmeldungen ist in den meisten Staaten des Clusters deutlich überdurchschnittlich. Hierbei zeigt Singapur den höchsten Wert mit fast 900 Patentanmeldungen je 1 Million Einwohner. Irland weicht von dem Bild des Clusters durch eine deutlich unterdurchschnittliche Zahl an Patentanmeldungen ab.
Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt in allen Staaten des Clusters deutlich überdurchschnittlich - lediglich Singapur fällt mit einem nur durchschnittlichen Wert hier heraus. Spitzenreiter mit dem höchsten Anteil am verarbeitenden Gewerbe ist Deutschland mit 23 Prozent: Während sich die anderen Länder des Clusters nicht von der weltweiten Tendenz eines leicht sinkenden Anteils des verarbeitenden Gewerbes abkoppeln konnten, ist für Deutschland ein Zuwachs in diesem Bereich von knapp 4 Prozent zu beobachten. Die Produktivität je Beschäftigten ist in allen Staaten des Clusters sehr hoch und liegt mindestens beim 2-Fachen des weltweiten Mittelwertes.
Weitere geeignete Tech-Standorte in Europa
Zahlreiche europäische Länder - Norwegen, Schweden, Finnland, die Niederlande, Belgien und Österreich - bilden gemeinsam mit Australien das Cluster Nummer 5, das ebenfalls zu den geeigneten Tech-Standorten im weltweiten Vergleich zählt. Die Gründe sind vielfältig.
Das Bruttoinlandsprodukt liegt in diesen Ländern deutlich über dem Durchschnitt. Norwegen hat das höchste BIP mit 63.000 international Dollar. In sämtlichen Staaten des Clusters hat sich das BIP jedoch zuletzt unterdurchschnittlich entwickelt, in Finnland ist es sogar um 4 Prozent gesunken.
Die Arbeitslosenquoten in diesem Länder-Cluster sind unterdurchschnittlich bis durchschnittlich. Im Durchschnitt liegen Belgien und Finnland. Sämtliche Staaten kämpfen mit einem deutlichen Zuwachs der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren. Besonders stark ist die Arbeitslosenquote in Norwegen und den Niederlanden gestiegen.
Die Produktivität ist in allen Staaten sehr hoch und hat sich in den letzten Jahren weiterhin leicht positiv - Ausnahme ist lediglich Finnland, das in diesem Bereich stagnierte. Der Anteil der Bruttoinvestitionen am BIP lag in allen Ländern im Bereich des Mittelwertes.
Bei einem hohen Wohlstand und hoher Lebensqualität, hohem Stand von Bildung und Wissenschaft und eher durchschnittlicher Unternehmerfreundlichkeit, zeigen die Länder allgemein eine Fokussierung auf den High-Tech-Sektor. Sie bieten sich als Technologiestandorte an, obwohl der industrielle Sektor derzeit keine herausragende Bedeutung für diese Staaten hat.
Slowenien, Ungarn, Rumänien - Alternativ-Standorte für den zweiten Blick
Ländergruppen, die auf der Karte gelb markiert sind, empfehlen sich möglicherweise als Alternativstandorte für Unternehmen, deren Schwerpunkt-Anforderungen in anderen Bereichen liegen als in dieser Analyse. Insgesamt scheinen in diesen Ländergruppen positive Entwicklungstendenzen bei Wohlstand und Lebensqualität gegeben. Die leicht überdurchschnittliche Bildung und Wissenschaft könnte Grundlage für eine weitere positive Entwicklung bei Industrie und Technologie bieten. Eine dieser Ländergruppen (Cluster 12) besteht aus Ungarn, Rumänien, Weißrussland, Tschechische Republik, Slowenien und Slowakische Republik.
Das Bruttoinlandsprodukt in den Staaten dieses Clusters schwankt in einem breiteren Rahmen um den weltweiten Mittelwert in Höhe von 20.000 international Dollar. Die Zahlen für Weißrussland liegen knapp unter dem Mittelwert, während die Zahlen für Tschechische Republik, Slowakische Republik und Slowenien über Durchschnitt liegen.
Der Anteil der Menschen an der entsprechenden Altersklasse, die in einem Studiengang eingeschrieben sind, liegt über dem weltweiten Mittelwert. Der Bildungsindex ist in allen Ländern relativ hoch, hat sich zuletzt allerdings leicht unterdurchschnittlich entwickelt. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP liegt über dem Mittelwert. Während das verarbeitende Gewerbe in Weißrussland zuletzt zurückging, entwickelte es sich in Slowenien und der Tschechischen Republik positiv und deutlich überdurchschnittlich.
Weder grün noch gelb: Standorte mit Nachholbedarf
Standorte, die auf der Karte weder grün noch gelb markiert sind, könnten es in den nächsten Jahren im Standort-Wettbewerb schwer haben. Die betroffenen Länder haben Aufholbedarf bei den für den Standortvergleich festgelegten Kriterien, da viele in diesen Bereichen nur durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Werte aufweisen. Wichtig ist jedoch, dass bei dieser Analyse vor allem die Entwicklungstendenzen der vergangenen 15 Jahre eine wichtige Rolle gespielt haben: Das Ergebnis bedeutet nicht, dass es unumkehrbar ist. Die Studie liefert jedoch einen Hinweis darauf, dass in diesen Staaten etwas verändert und die die jüngste Entwicklungstendenz umgedreht werden sollte, wenn sie als Technologiestandorte in einem größeren Umfang interessant werden wollen.