Fotostrecke

Titelgeschichte des manager magazins: Fluch des Fliegens - eine kleine Kulturgeschichte in 11 Bildern

Foto: DPA

Kreditech-Gründer Diemer wühlt die Branche auf Geld zurück bei Flugverspätungen - der irre Kampf der deutschen Rivalen

Eigentlich wollte Sebastian Diemer (29) nach seinem Abgang als Kreditech-CEO ein paar Monate ausspannen. Doch daraus wurde erst einmal nichts. Statt mit seinem Motocross-Bike über Staubpisten zu brettern, trat der umtriebige Hamburger Unternehmer Mitte Februar mit einer neuen Firma an den Markt: "Wirkaufendeinenflug.de" (wkdf) soll Passagiere auszahlen, die wegen Verspätungen oder Flugausfällen Ersatzansprüche gegen Airlines haben.

Das Projekt läuft alles andere als rund. Nun ist Ärger für Diemer an sich nichts Neues. Bei Kreditech, einer Plattform für hochverzinste Mikrokredite, brachte er mit seinem erratischen Führungsstil vor allem Mitarbeiter und Führungskräfte gegen sich auf, die dann das Unternehmen verließen. Mit der neuen Firma, die von Konstantin Loebner und Mehdi Afridi geführt wird, scheint er vom Start weg Kunden massiv zu verärgern. Von "leeren Versprechungen" und einer "kompletten Luftnummer" berichten Facebook-Nutzer, die sich als wkdf-Kunden ausgeben.

Fotostrecke

Im siebten Himmel: 10 Tipps für den Langstreckenflug

Foto: Delta Air Lines

Im Markt für Fluggast-Entschädigungen, den nach Inkrafttreten der EU-Fluggastverordnung 2004 vor allem die Potsdamer Firma flightright aufgebaut hat, ist derzeit einiges los. Etliche Wettbewerber ringen mit dem neuen Kniff der "Sofortentschädigung" um Marktanteile. Dabei treten Fluggäste ihre Ansprüche (Langstrecke 600 Euro, Mittelstrecke 400 Euro, Kurzstrecke 250 Euro) an die Internetportale ab und sparen sich so den unerfreulich langen Rechtsweg. Die Startups zahlen die erwartete Entschädigung aus - mit einem saftigen Abschlag.

Auch Diemer und sein Kompagnon Loebner (23), der schon bei Kreditech mit ihm zusammen arbeitete, werben mit dem Versprechen, "innerhalb von 48 Stunden" eine Sofortentschädigung von "bis zu 400 Euro" auszuzahlen. "An die tausend Fälle" will Diemer in den vier Wochen des Bestehens von wkdf bereits angekauft und "ein paar Tausend" geprüft haben. Auf der Website loben glückliche Kunden wie "Caro W." "ihre Helden" von wkdf.

Fotostrecke

Titelgeschichte des manager magazins: Fluch des Fliegens - eine kleine Kulturgeschichte in 11 Bildern

Foto: DPA

Bei näherem Hinsehen treten Ungereimtheiten auf. Die Werbefiguren "Stefan B." und "Caro W." sind offensichtlich erfunden - sie treten mit identischen Lobeshymnen und Fotos auf einer anderen Entschädigungs-Plattform auf, die nicht online gegangen ist, manager-magazin.de aber im Entwurf vorliegt. Etliche Facebook-Nutzer beklagen, Anfragen bei wkdf eingereicht und nichts gehört zu haben. Die Gründer entschuldigen das mit "chaotischen Anfangstagen", in denen es auch Probleme mit dem "Email-Provider" gegeben habe.

Der wahre Grund für die vielen Verzögerungen dürfte darin liegen, dass Diemer und Loebner nur auf einen Bruchteil ihrer potentiellen Kunden wirklich Wert legen. Kern des Geschäftsmodells ist es, möglichst nur "sichere Fälle" anzukaufen, wie Diemer im Gespräch erläutert. Fälle also, für die wkdf bei den Airlines umstandslos die Erstattungen erhält.

Satte Abschläge für die Kunden

Doch wie sicher ein Fall ist, wird den Kunden nicht offengelegt. Stattdessen ködert wkdf seine Kunden auf der Website mit einer Preispolitik, die großzügig wirkt ("bis zu 400 Euro", das suggeriert eine Auszahlung von zwei Drittel auf der Langstrecke), aber die wahren Abschläge verschleiert. So war es in zwei manager-magazin.de vorliegenden Fällen. Das Portal bot einem Kunden tatsächlich 400 Euro - allerdings für zwei Flüge, die zusammengenommen per Fluggast-Verordnung ziemlich sicher 800 Euro Entschädigung wert gewesen wären. Im anderen Fall wurden Fluggästen für drei Mittelstreckenflüge 600 Euro in Aussicht gestellt, der reale Entschädigungswert hätte wohl bei 1200 Euro gelegen. Ein Abzug von 50 Prozent also. Wettbewerber begnügen sich mit geringeren Abzügen.

Fotostrecke

Billigflieger: Wer den Himmel dominiert

Foto: Getty Images

Mit ihrer freihändigen Preispolitik "je nach Risiko" halten Diemer und Loebner auf Nachfrage auch gar nicht hinter dem Berg. Sie müssen vorsichtig kalkulieren, weil sie ihre Forderungen an eine Firma verkaufen, die personell eng mit Partnern der Hamburger Inkasso-Kanzlei KSP verflochten ist. Das Risiko für verloren gegangene Klagen bleibt bei wkdf.

KSP-Anwalt Jens Blaffert gehören mittelbar fünf Prozent an der wkdf-Trägergesellschaft AAA Consumer Technology. Weitere Anteile liegen bei Diemers Beteiligungsgesellschaft mit dem nicht unbedingt bescheidenen Namen "Unicorn Asset Management", mittelbar bei den wkdf-Geschäftsführern Loebner und Mehdi Afridi sowie der Beteiligungsgesellschaft eines ehemaligen Spielhallenunternehmers.

Alle glauben fest an ihr Geschäftsmodell, so Diemer: "Wir haben Verträge mit Fluggästen von Tag eins an, bei denen wir ganz sicher sind, dass daraus Umsätze werden. Welches Startup schafft das schon?" Rechtsanwalt Blaffert wechselt demächst sogar die Seiten und geht als Justiziar zu wkdf.

Fotostrecke

Billigtrend bei Airlines: Schöne neue Welt des Fliegens

Foto: Christian Charisius/ picture alliance / dpa

Pikant: KSP und Blaffert haben sich ihr Know-how im Fluggastrecht über eine jahrelange enge Zusammenarbeit mit flightright aufgebaut. Eine Tageszeitung, mit der Diemer und Loebner zum Firmenstart gesprochen hatten, schrieb Mitte Februar sogar noch, die an wkdf beteiligte Kanzlei stelle die Daten ihrer über Zehntausend Fälle zu Verfügung. Das roch dann doch zu sehr nach missbräuchlicher Nutzung von Mandatsgeheimnissen - gegenüber manager-magazin.de sprachen die Gründer daher von einem "Missverständnis". Blaffert sei "rein beratend in Bezug auf juristische Fragestellungen" tätig.

Erst Wucherzinsen für Kleinkredite bei Kreditech, jetzt schnelles Geld mit enttäuschten Fluggästen - Sebastian Diemer hat offensichtlich einen speziellen Geschmack in unternehmerischen Fragen. Und vergisst dabei nicht, das Leben zu genießen: Während zwei Hände voll Werkstudenten bei wkdf Fälle prüfen, geht der Gründer nun endlich wieder seinem Hobby nach. Am Mittwoch flog er für vier Wochen zum Motocross-Fahren nach Kalifornien.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren