Obamas To-Do-Liste fürs Silicon Valley So wollen die Tech-Vordenker die sechs kompliziertesten Probleme der Welt lösen

Hirn fürs Silicon Valley: Facebook-Chef Mark Zuckerberg stellt sich den Herausforderungen der digitalen Zukunft, glaubt aber nicht, dass künstliche Intelligenz menschliche ersetzen kann
Foto: Bloomberg via Getty ImagesEin ordentlicher Chef macht eine detaillierte Übergabe, wenn er geht: Welche Aufgaben sind noch offen? Und wer könnte sich am besten darum kümmern? Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat dem Magazin "Wired" sechs Herausforderungen genannt , denen sich Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu stellen haben.
Sechs Silicon-Valley-Größen haben auf Anfrage des Magazins darauf geantwortet und machen Vorschläge, wie ihre jeweilige Branche zu einer besseren Zukunft beitragen könnte. Lesen Sie hier die Antworten von Tim O'Reilly, Chris Dixon, Mark Zuckerberg, Yasmin Green, Mary Barra und Satya Nadella.
1. Tim O'Reilly: Die Ungleichheit angehen

Technologie wird von Geschichten getrieben, meint Tim O'Reilly: "Wir erschaffen, was wir glauben"
Foto: Getty ImagesDas Silicon Valley werde von Geschichten getrieben, sagt der Investor und Gründer von O'Reilly Media: "Wir erschaffen, was wir glauben." Technologie könne helfen, große Probleme zu lösen; die Tech-Industrie könnte eine Kraft zur Verringerung der Ungleichheit sein, aber zu wenige Leute im Silicon Valley seien sich dessen bewusst.
O'Reilly gibt zu bedenken: Wenn eine Firma mehr Wert erzeuge als sie binde, dann verringere sie Ungleichheit - ganz egal, wie reich die Gründer würden. Am besten seien Firmen aufgestellt, die Technologie als Mittel für mehr Möglichkeiten für die Menschen betrachten, nicht als Mittel zur Effizienzsteigerung durch die Eliminierung menschlicher Arbeit.
Das selbstfahrende Auto nur als Möglichkeit zu sehen, wie man Lohnkosten sparen könne, sei einer der uninteressantesten Aspekte dieser neuen Technologie - viel klüger sei es, zu fragen, wie es zu einer günstigen öffentlichen Verkehrsstruktur oder besserem Zugang zu medizinischer Versorgung beitragen könne.
Der Investor kritisiert, viel zu wenige Unternehmen würden auf diese Weise arbeiten. "Wir sind an einem Punkt, an dem Unternehmen noch nicht einmal mehr versuchen, Profite zu erzielen - sie versuchen nur, lang genug solvent zu bleiben, bis ein anderes Unternehmen sie aufkauft." Dieser falsche Fokus erinnere ihn an den Wall-Street-Crash von 2007. Wenn Unternehmen Arbeitskräfte nur als Kostenfaktor (statt auch als mögliche Konsumenten) betrachteten, würden sie sich langsam die eigene Kehle durchschneiden.
"Kurz gesagt, ist der beste Weg für die Tech-Industrie, die Ungleichheit anzugehen, indem sie das tut, was sie tun sollte: Innovationen schaffen, die Wachstum und Produktivität steigern - und nicht nur Menschen ersetzen wollen, sondern diese Menschen in die Lage versetzen, zu tun, was vorher unmöglich war."
Chris Dixon: Die Cybersicherheit stärken

Chris Dixon, Gesellschafter der Private-Equity-Firma Andreessen Horowitz, sagt: Die Bedrohung der Cybersicherheit wächst auf vorher ungekannte Weise
Foto: Bloomberg via Getty ImagesChris Dixon, Gesellschafter des Private-Equity-Investors Andreessen Horowitz glaubt, dass sich die Art der Bedrohung der Computersicherheit entscheidend verändert habe. In der ersten Angriffswelle in den 80er und 90er Jahren seien Hacker-Viren das größte Problem gewesen - im Grunde purer Vandalismus. In den späten 90ern und frühen 2000er Jahren habe sich der zu einem ökonomisch motivierten Tun gewandelt: Handel mit gestohlenen Kreditkartendaten, Botnets und Spam. Beiden gemein: Die Angriffsweise - eine breite Attacke auf möglichst viele Ziele.
Das sei nun anders: Die Angriffe etwa auf Sony Pictures, das Democratic National Committee, und das US Office of Personnel Management hätten gezeigt, dass die Attacken mittlerweile auf Einzelziele maßgeschneidert würden - so können sie auch von gängiger Abwehrsoftware nicht erkannt werden. Kürzlich seien Drohnen vor einem Bürogebäude unterwegs gewesen und hätten Druckinformationen vertraulicher Dokumente abgefangen; und je mehr Computer unseren Alltag bestimmen, in Autos, Wohnungen, öffentlicher Infrastruktur, desto verwundbarer werden all diese Systeme.
Dixon meint, künstliche Intelligenz könne in Zukunft besser helfen, solche Angriffe abzuwehren - weil selbstlernende Systeme auch begreifen könnten, dass es verdächtig ist, wenn der Chef eine Mail mit der Bitte um ein bestimmtes Passwort schickt, selbst wenn die Mailadresse stimmt und der Virenscan negativ ist.
Entscheidend für die Frage nach der Cybersicherheit sei aber auch das oft gespannte Verhältnis zwischen Regierung und Tech-Industrie. Starke Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sei von essentieller Bedeutung - aber könne auch die Verfolgung von Straftaten erschweren. "Um in der dritten Ära der Cybersicherheit zu bestehen, müssen wir einen konstruktiven Weg finden, gemeinsam an solchen Themen zu arbeiten - einen, der sowohl der nationalen als auch der persönlichen Sicherheit gerecht wird."
Mark Zuckerberg: Sichergehen, dass künstliche Intelligenz eher hilft als schadet

Großer Freund von künstlicher Intelligenz: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg
Foto: AFPDer Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist überzeugt: "Leute haben Technologie immer genutzt, um Leben zu verbessern und Produktivität zu steigern." Aber am Beginn jedes Innovationszyklus gebe es die Versuchung, sich auf die Bedrohungen statt auf die Chancen neuer Technologien zu konzentrieren.
Das sei bei künstlicher Intelligenz nun nicht anders. Die klinge nach Magie, aber die meisten heutigen Beispiele funktionierten eher so, dass man dem System eine riesige Menge an Information gebe - etwa Tausende von Hundebildern - und es dann in der Lage sei, weitere Hunde zu identifizieren. Das sei toll etwa für Übersetzungen oder selbstfahrende Autos, aber habe nichts damit zu tun, was Menschen selbst leisten könnten.
Bis künstliche Intelligenz in der Lage sei, die Welt wirklich zu beobachten und aus ihr eigene Schlüsse zu ziehen, sei es noch ein weiter Weg. Schon jetzt aber würde sie Leben retten, etwa durch automatisierte Diagnosen. Und: "Selbstfahrende Autos werden viel sicherer sein als solche mit menschlichen Fahrern."
Zuckerberg ermuntert dazu, sich lieber auf die Chancen künstlicher Intelligenz zu konzentrieren als auf deren Risiken - und die besten menschlichen Köpfe daran arbeiten zu lassen. "Es ist nur Mathematik. Nicht Magie."
Yasmin Green: Terroristen davon abhalten, Technologie für ihre Zwecke einzusetzen
Wenn man Menschen davon abhalten wolle, einer Terrororganisation wie dem "Islamischen Staat" beizutreten, müsse man sie im richtigen Moment erreichen, meint Yasmin Green, die bei Jigsaw (vormals Google Ideas) den Bereich Forschung und Entwicklung leitet: Schon bevor sich diese Leute den Zielen des IS verschrieben hätten.
Green habe, schreibt sie, das vergangene Jahr damit zugebracht, mit IS-Mitgliedern zu sprechen. Viele hätten mit Fragen nach der Regierungstauglichkeit oder der Legitimität der religiösen Ansprüche des IS begonnen - und der IS habe die Hoffnung, solche Fragen abzufangen und eigene Antworten bereitzustellen, mit Rekrutierungsvideos in den verschiedensten Sprachen bis hin zur Gebärdensprache. "Das ist sehr einladend - es fängt im offenen Netz an."
Also sei es wichtig, solche Online-Radikalisierungen zu unterbrechen, indem man das jeweilige Publikum auch mit gegenläufigen Botschaften versorge. Da käme Online-Werbung ins Spiel: Wenn jemand etwa nach "Fatwas über den Dschihad" suche, könne man ihn zu Videos leiten, in denen IS-Aussteiger darüber sprechen, wie es dort wirklich zugeht. In Experimenten habe das schon gut geklappt - die Anti-IS-Videos hätten 70 Prozent höhere Klickraten gehabt als vergleichbare Werbung mit ähnlichen Schlüsselwörtern.
Solche Versuche seien weitaus fruchtbarer als Bestrebungen, den freien Dialog im Netz zu unterbinden. Wenn der IS Fragen aufwerfe, könne man das nicht einfach aus dem Internet ausradieren - auch wenn Gewaltinhalte nicht online gehörten. "Derzeit kann es sich gefährlich anfühlen, Extremismus online zu begegnen; Menschen werden niedergebrüllt, belästigt oder Schlimmeres. Das gibt den bösen Jungs Macht, weil es die vernünftigen aus der Konversation ausschließt und nur die Stimmen der Gewalt übrig lässt."
Die Online-Macht des IS sei nur deshalb irritierend, weil wir alle die Idee hätten, Terroristen seien alte, bärtige Männer, die sich in Bergen versteckten. Aber Terrorgruppen würden eben auch am Fortschritt teilhaben; und es sei wichtig, weiter damit zu experimentieren, wie man gefährdete Personen dort erreichen könne, wo sie eben doch mit dem Rest der Welt in Verbindung stünden.
Mara Barra: Instrumente entwickeln, die Klimabeständigkeit und saubere Energie massentauglich machen

Mary Barra, CEO von General Motors, beschäftigt sich intensiv mit dem Klimawandel
Foto: AFPKlimabeständigkeit sei für sie schon ein großes Thema gewesen, bevor sie CEO bei General Motors wurde, schreibt Mary Barra: "Die Frage war: Wie können wir unsere Kunden mit Fahrzeugen und Transportoptionen versorgen, die es ihnen erlaubt, Teil der Lösung zu werden?"
Früher sei es sehr schwierig gewesen, als Außenseiter in der Automotive-Industrie Fuß zu fassen, mittlerweile suche ihr Unternehmen aktiv jenseits des Tellerrands nach guten Ideen - wie der Partnerschaft mit dem Mitfahr-Anbieter Lyft oder der Kauf von Cruise Automation, einer Technologie-Firma, die sich mit dem selbstfahrenden Auto befasst. GM würde sich konstant damit beschäftigen, wie man kleinere Batterien mit mehr Leistung zu kleineren Preisen anbieten könne.
"Natürlich werden Autos alleine das Problem nicht lösen", schreibt Barra: "Wenn man Elektrofahrzeuge anbietet, aber keine saubere Energie produziert, wird das Problem nur verlagert." Da hätte die Regierung eine gewichtige Rolle, Standards zu setzen und auch dafür zu sorgen, dass es funktionierendes Netz an Ladestationen gebe.
"Jede Firma entscheidet, wie sie Energie nutzt - und die Leute nehmen das zur Kenntnis." So würden Unternehmen danach beurteilt, ob sie gute Weltbürger seien - und Unternehmen mit gutem Ruf zögen auch gute Leute an, die dort arbeiten wollten. Große Herausforderungen seien auch große Chancen, gerade für die Autoindustrie.
Satya Nadella: Es Bürgern einfacher machen, an der Regierung teilzuhaben

Microsofts CEO Satya Nadella glaubt an einen grundlegenden Wandel im Umgang öffentlicher Stellen mit Wählern und Bürgern
Foto: © Anindito Mukherjee / Reuters/ REUTERSIn den vergangenen Jahren hätten sich Unternehmen daran gewöhnt, Zugriff auf riesige Datenmengen zu haben - und mit Systemen zu arbeiten, die daraus das Beste holen können, sagt Microsoft-CEO Satya Nadella. "Wir haben einen 360-Grad-Blick darauf, wer unsere Kunden sind, was sie getan haben und was sie in Zukunft wahrscheinlich brauchen werden."
Von ihren Regierungen würden Bürger solche Fähigkeiten nicht erwarten, meint Nadella. Aber durch die weltweite Zusammenarbeit mit Vertretern öffentlicher Sektoren habe er gesehen, dass sich das gerade fundamental wandle. Beamte und öffentlich Angestellte wollten Zugriff auf ähnliche Kapazitäten haben, um ihre Aufgaben besser wahrnehmen zu können und die Herausforderungen anzugehen, mit denen die jeweilige Gemeinschaft zu tun habe.
Ob Schulabbrüche, Verhinderung von Wahlbetrug oder Sicherheitsrisiken auf den Verkehrswegen - big data könne in all diesen Bereichen helfen. "Die Tech-Industrie hat den Ruf, schnell Innovationen auf den Weg zu bringen, während Regierungen als bürokratisch und lethargisch gelten. Aber das ändert sich gerade." Natürlich habe der öffentliche Sektor andere Standards für Sicherheit und Datenschutz - aber Nadella glaubt, dass eines Tages kommunale und staatliche Stellen in ebenso direkte Interaktion mit den Bürgern treten könnten wie heute Unternehmen mit ihren Kunden. Das würde Kosten senken und den allgemeinen Wohlstand mehren. "Amerikas Wirtschaft wächst, wenn wir in Infrastruktur investieren - und hier geht es um eine nie dagewesene Infrastruktur einer anderen Ausprägung."
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