Nokias Übernahmepläne Dieser Mann bietet 15,6 Milliarden Euro für Alcatel-Lucent

Rajeev Suri, Chef von Nokia, könnte den einstigen größten Handy-Hersteller wieder zu alter Größe führen
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Der einstige Handy-Weltmarktführer Nokia will sich neu erfinden und nun in der hart umkämpften Netzwerk-Branche zur Nummer eins aufsteigen. Dazu plant das finnische Unternehmen eine Fusion mit dem französischen Rivalen Alcatel-Lucent.
Nokia gab am Mittwoch offiziell ein Angebot für Aktien des in Paris ansässigen Konkurrenten bekannt. Die neue Firma solle Nokia Corporation heißen. Hauptsitz werde Finnland sein, mit einer "starken Präsenz" in Frankreich.
Der finnische Konzern bietet 0,55 neue Aktien für einen Anteilsschein von Alcatel-Lucent. Der Deal solle im ersten Halbjahr 2016 abgeschlossen werden. Alcatel-Lucent werde mit insgesamt 15,6 Milliarden Euro bewertet, hieß es. Für die Aktionäre bedeute das einen Aufschlag von 28 Prozent auf den durchschnittlichen Preis der vergangenen drei Monate. Bei einer Fusion würde ein Unternehmen mit einem Marktwert von rund 40 Milliarden Euro entstehen - fast zwei Drittel davon kämen von Nokia.
Netzwerk-Ausrüster liefern Technik für Telekom-Konzerne. Dabei stehen etablierte westliche Anbieter unter verstärktem Druck aggressiver Rivalen aus China. Gemeinsam könnten Nokia und Alcatel-Lucent besser mit ihnen konkurrieren. Bis 2019 sollen jährliche Einsparungen von 900 Millionen Euro bei den operativen Kosten erzielt werden, wie Nokia ankündigte. Erst am Dienstag hatte die Unternehmen nach Medienberichten Gespräche über einen Zusammenschluss bestätigt.
Mögliche Rückkehr auf die große Bühne
Für Nokia wäre es eine Rückkehr auf die große Bühne. Der einstige Gummistiefel-Hersteller und Mobiltelefon-Pionier ist zu einem reinen Netzwerkausrüster geschrumpft. Erst vor rund einem Jahr wurde die traditionsreiche Handysparte an Microsoft verkauft. Die Geschäfte waren zuvor jahrelang schwach gelaufen.
Sollte die Fusion nun gelingen, wäre Nokia ein Beispiel dafür, dass sich eine Firma mehrmals erfolgreich neu aufstellen kann. Platzhirsch unter den Telekomausrüstern ist bislang der schwedische Ericsson-Konzern.
Nokia-Chef Rajeev Suri und sein Alcatel-Lucent-Kollege Michel Combes waren am Dienstag mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande zusammengekommen. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron unterstützt die Firmenpläne. "Es ist ein guter Schritt für Alcatel-Lucent, weil es ein Schritt Richtung Zukunft ist."
Wie genau das neue Unternehmen jährlich 900 Millionen Euro einsparen will, ist derzeit noch unklar. Bei den 6000 Beschäftigten von Alcatel-Lucent in Frankreich soll es aber keine Kürzungen geben, hieß es noch am Dienstag. Nach der Fusion plane die Gruppe zudem, den Bereich Forschung und Entwicklung dort anzusiedeln.
Zusammen würden Nokia und Alcatel-Lucent beim Umsatz die Netzwerk-Marktführer Ericsson und Huawei übertreffen. Größe ist laut Gartner-Analyst Sylvain Fabre vor allem in dieser von Preiskämpfen gebeutelten Branche entscheidend. Die Zahl der Kunden sei ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Hinzu komme, dass Nokia und Alcatel zusammen mehr Patente hätten.
Experten halten zwar Probleme bei der Integration der Firmen für möglich, betonen aber die Vorteile einer Fusion. So sei Alcatel gut in den USA aufgestellt, wo Telekom-Riesen wie AT&T und Verizon zu den Kunden gehören. Nokia habe auf dem wichtigen Schlüsselmarkt hingegen Nachholbedarf, sei dafür aber in Europa und Japan stark.
Paris prüft Auswirkungen auf Jobs, Aktie von Alcatel haussiert
Die französische Regierung wirft traditionell ein kritisches Auge auf die Übernahme von heimischen Unternehmen durch ausländische. Man werde sehr genau verfolgen, welche Auswirkungen Nokias Pläne auf die Arbeitsplätze und Aktivitäten in Frankreich hätte, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium.

Alcatel beschäftigt rund ein Neuntel seiner 52.000 Mitarbeiter in Frankreich. Die Regierung in Paris könnte die Übernahme noch blockieren. Erst im vergangenen Jahr hatte sie ein entsprechendes Gesetz auf den Telekomsektor ausgeweitet und diesen zu einer Schlüsselindustrie erklärt.
Börse: Alcatel-Lucent haussiert, Nokia gibt nach
An den Börsen hatten bereits am Dienstag die Fusionsgespräche für viel Wirbel gesorgt. Die Aktie von Alcatel-Lucent war um mehr als stieg 14 Prozent gestiegen, während das Nokia-Papier um knapp drei Prozent nachgab. Analysten äußerten sich zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten. "Nur weil sich ein schwächerer Spieler mit einem anderen schwachen zusammentut, muss am Ende kein starker Spieler entstehen", sagte Clairinvest-Fondsmanager Ion-Marc Valahu.
Laut den Marktbeobachtern von Bernstein Research würden beide Firmen beim Marktanteil aber mit 35 Prozent hinter den 40 Prozent von Ericsson zurückbleiben.
In den vergangenen Tagen und Monaten war bereits viel über die beiden Firmen spekuliert worden. Beide sollen seit Jahren miteinander in Kontakt stehen.
Zusammenschlüsse in der Netzwerkbranche, in der ständig Geld in neue Projekte investiert werden muss, gelten als schwierig. Die letzte Fusionswelle vor rund einem Jahrzehnt brachte nicht die gewünschten Resultate. Damals entstand Alcatel-Lucent. Nokia brachte sein Netzwerkgeschäft mit dem von Siemens zusammen. Diese Zusammenarbeit gehört allerdings längst der Vergangenheit an.
Während sich Nokia zuletzt dank der Konzentration auf Mobilfunknetze wieder besser schlug, hat Alcatel trotz massiver Bemühungen seit der Gründung 2006 keinen Gewinn erzielt. Alcatel-Chef Combes hat dem Konzern einen Sparkurs verordnet, der vorsieht, 10.000 Stellen zu streichen und Unternehmensteile zu verkaufen. Nokia kam 2014 auf 12,7 Milliarden Euro Umsatz, Alcatel auf 13,2 Milliarden Euro.
Report: Wie Nokia-Chef Rajeev Suri Nokia wieder aufrichtet