Auch Pinterest vor hoher Finanzierungsrunde Zweifelhafter Geldrausch der US-Startups

Nach der Smartphone-App Snapchat will auch die digitale Foto-Pinnwand Pinterest bei Investoren eine halbe Milliarde Dollar einwerben. Die hohen Summen für viele Startups machen manche Investoren allmählich nervös.
Von Andrea Rungg
Moderne Pinnwand: Über Pinterest können Nutzer Fotos an eine Art digitale Pinnwand platzieren. Manch Online-Händler postet beispielsweise Produkte. Wenn ein Nutzer dann ein Foto anklickt, kann er direkt in den jeweilgen Online-Shop gelangen.

Moderne Pinnwand: Über Pinterest können Nutzer Fotos an eine Art digitale Pinnwand platzieren. Manch Online-Händler postet beispielsweise Produkte. Wenn ein Nutzer dann ein Foto anklickt, kann er direkt in den jeweilgen Online-Shop gelangen.

Foto: Julian Stratenschulte/ picture alliance / dpa

Hamburg - In den USA nehmen die Investitionen in Startups wieder ein bedenkliches Ausmaß an. Nicht einmal ein Jahr nach der siebten Kapitalspritze in Höhe von 200 Millionen Dollar strebt Pinterest die bislang für das Unternehmen höchste Finanzierungsrunde an, berichtet das "Wall Street Journal" unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Personen.

Die Bewertung des fünf Jahre jungen Unternehmens könnte so von fünf auf elf Milliarden Dollar steigen. Pinterest wolle das Geschäft in dieser Woche abschließen und hätte damit seit der Gründung bereits knapp 1,3 Milliarden Dollar von Investoren erhalten.

Sollte Pinterest die Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen, dann würde sich das Unternehmen in eine Reihe von Startups einordnen, die ohne Börsengang und ohne Druck des Kapitalmarkts, ihr Geschäft weiterentwickeln wollen. Erst einen Tag zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, die Smartphone-App Snapchat wolle von Investoren ebenfalls bis zu 500 Millionen Dollar einsammeln, womit Snapchat umgerechnet dann bis zu 19 Milliarden Dollar wert wäre. Erst Ende 2014 war bekannt geworden, dass Snapchat unter anderem von Yahoo und Risikokapitalgebern wie Kleiner Perkins Caulfield & Byers 485 Millionen Dollar erhalten hatte.

Investments in US-Startups in Höhe von 48,3 Milliarden Dollar

Nach Angaben der National Venture Capital Association und PricewaterhouseCooper stieg das Volumen der Risikokapitalinvestments 2014 in den USA um 61 Prozent auf 48,3 Milliarden Dollar an. Das war die höchste Summe seit dem Jahr 2000 - vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Mehr als ein Drittel der Investionen dürften Investoren im Silicon Valley gelassen haben. Nach sechs Jahren erreichten Finanzierungsrunden mit einer Summe von mehr als 500 Millionen Dollar wieder einen Höchststand.

Pinterest gehört neben Snapchat zweifelsohne zu den Netzwerken mit schnellem Nutzerwachstum. Beide Unternehmen feilen allerdings noch an ihren Geschäftsmodellen. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts Comscore hatte Pinterest im Januar allein in den USA rund 75,8 Millionen Nutzer, 37 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Pinterest hält sich mit Angaben über Nutzerzahlen derzeit zurück.

Über die Website und eine Smartphone-App können Nutzer Fotos über zahlreiche Themen posten beziehungsweise an eine Art digitale Pinnwand heften. Das Unternehmen versucht über Werbung Geld zu verdienen. Berichten zufolge will das Startup noch im laufenden Jahr einen Kauf-Button einführen, so dass Händler direkt über Pinterest ihre Ware verkaufen können. Pinterest würde dann wahrscheinlich über eine Provision am Umsatz teilhaben.

Selbst wenn Pinterest und Snapchat durchaus Potenzial zugeschrieben wird, so dürften die hohen Finanzierungsrunden erneut Diskussionen über eine Blase auslösen.

Warnung vor wenig ertragreichen Geschäftsmodellen

In den vergangenen Monaten hatten sich bereits prominente Investoren zu Wort gemeldet, die unter anderem kritisierten, viele junge Unternehmen würden zu schnell zu viel Geld ausgeben.

Erst vor wenigen Tagen war wieder Bill Gurley alarmiert, Partner beim Risikokapitalgeber Benchmark Capital (u.a. Uber, Snapchat). Anlass war das E-Commerce Startup Jet.com, das bereits vor dem eigentlichen Marktstart von Geldgebern 220 Millionen Dollar erhielt.

"Hört auf, die Unternehmen mit Geld vollzustopfen", sagte Gurley bei einer Technologie- und Internetkonferenz der Bank Goldman Sachs. Er warnt seit Monaten, dass die Entwicklung allmählich bedenkliche Ausmaße annehme. Bei besagter Konferenz verwies er auf das Scheitern des früheren Hoffnungsträgers Fab.com, ebenfalls ein E-Commerce Startup. "Es gibt ein Zitat des Chefs, wo er sagte: ,Wir geben 200 Millionen Dollar aus und verstehen unser Geschäftsmodell nicht'", sagte Gurley. Genau hatte Fab-Gründer und Chef Jason Goldberg gesagt: "Unser Geschäftsmodell hat sich nicht bewährt".

Fab hatte binnen kurzer Zeit von Investoren 336 Millionen Dollar erhalten. Nur wenige Monate nach der letzten großen Finanzierungsrunde implodierte das Geschäft regelrecht. Das internationale Geschäft, was vornehmlich von Berlin aus gesteuert wurde, wickelte Fab binnen Wochen ab. Die US-Website soll einem Bericht der für gewöhnlich gut unterrichteten Tech-Nachrichtenseite Recode zufolge noch in diesem Monat vom Netz gehen. In Fab hatten auch die viel geachteten Silicon-Valley-Größen Andreessen Horowitz investiert.

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Foto: ? Stephen Lam / Reuters/ REUTERS

Gurley zitierte zudem eine Geschichte aus seinem Freundeskreis, als einer kürzlich einen Anruf erhielt und gefragt wurde, ob man sich nicht an einem Unternehmen beteiligen wolle, ohne dass es dafür an die Börse gehen müsse. "Und ich dachte mir nur, dass die Idee dieser Einladung etwas von Madoffs Schnellballsystem hat". Bernard Madoff ist ein amerikanischer Anlagebetrüger, der von Tausenden Investoren Geld eingesammelt hatte und versprochene Gewinne über immer neue Geldgeber finanziert hatte.

Der Risikokapitalgeber findet es besorgniserregend, dass sich viele Investoren an Geschäftsmodellen beteiligten, die niedrige Margen abwerfen würden. Als Beispiel nannte er Unternehmen, die darauf abzielten, Lieferzeiten für Produkte auf ein Minimum zu reduzieren. Er warnte ebenso davor auf Startups zu setzen, die ihr Wachstum nur durch Gutscheine aufpumpten.

Auf der gleichen Konferenz von Goldman Sachs sagte Greylock Partner Asheem Chanda (u.a. Instagram, Dropbox), dass die Branche definitiv in einer Blase sei. Jeder glaube gerade, er könne eine schwindelerregend hohe Unternehmensbewertung erzielen. Studenten der elite-Universität Stanford und Programmierer würden nicht mehr für andere arbeiten wollen, sondern lieber ihr eigenes Unternehmen gründen. Das Problem sei allerdings, dass die meisten Ideen nicht zu einem Ergebnis führten.

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