Mein Leben im Silicon Valley Was der Milliardärsort Woodside über das Silicon Valley verrät

Woodside in Kalifornien: Hier lassen sich die Tech-Milliardäre ihren Reichtum in Beton gießen
Foto: imagoUm das Geheimnis des Silicon Valley zu ergründen, lohnt ein Besuch im Örtchen Woodside. In den Bergen Nordkaliforniens versteckt, haben sich hier etliche Tech-Milliardäre ihren Reichtum in Beton gießen lassen. Oracle-Gründer Larry Ellison etwa hat sich seine berühmte, an ein japanisches Gehöft erinnernde Villa bauen lassen. Die rund 5000 Einwohner zählende Gemeinde gehört zu den reichsten der USA.
Man kann von Palo Alto in nur 20 Minuten zum Mittagessen nach Woodside fahren. Bei "Buck's of Woodside" gibt es in Fett getränkte Putensandwiches oder vulgäre Blaubeerpfannkuchen. Vor allem aber die Vermengung von Hippie- und Techie-Kultur - die Mischung, die der Zündschlüssel für die unerschöpf lich alles Alte hinwegsprengende Innovationskraft hier ist.
"Buck's" zu betreten fühlt sich in etwa so an, als schlüpfe man in die Kulisse einer Neuauflage von "Alice im Wunderland". Das Restaurant ist vollgestopft mit Zeugnissen der psychedelischen Sammelwut seines Besitzers Jamis MacNiven. Von der Decke hängen ein Kosmonautenkostüm, das MacNiven aus Moskau mitbrachte, und ein auf einem Surfbrett dahingleitender Alligator.
Ausgerechnet "Buck's" ist DER Treffpunkt der Tech-Elite: Hier kann man ihre Vertreter dabei beobachten, wie sie in Tacos herumstochern und mit Start-up-Gründern Businesspläne durchkauen. So wie am Nebentisch Paypal-, Airbnb- und Palantir-Investor Kevin Hartz bei einem Besuch Ende Oktober.
Wirt MacNiven feiert mit seinem Restaurant gerade 25. Firmenjubiläum. Eigentlich war er nach Woodside gezogen, um in den Bergen eine Farm zu gründen. Sein Nachbar ist die Hippielegende Neil Young.
Der Wirt und der Rockstar - Überbleibsel einer Gegenbewegung
Der Wirt und der Rockstar sind Überbleibsel einer der größten Gegenbewegungen in der modernen amerikanischen Geschichte. Im Silicon Valley verschmolzen Ende der 1960er Jahre Techies und Hippies zu neuen Kommunen. Steve Jobs pilgerte nach Indien und war mit der Folksängerin und Friedensaktivistin Joan Baez zusammen. Die ersten digitalen Verzeichnisse, Vorläufer des Internets wie "The WELL", wurden von Althippies programmiert.
Die Computertechnologie diente den Kommunarden als Werkzeug für eine bessere Lebensgemeinschaft. Bis heute pilgern Facebook-Chef Mark Zuckerberg und die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin zum Bewusstseinserweiterungs-Festival Burning Man in der Wüste Nevadas.
"Es ist dieser radikale Hyperindividualismus, der dem Valley seine innovative Schöpferkraft überhaupt erst eingeflößt hat", sagt der Stanford-Professor Fred Turner. Früher ging es in Nordkalifornien darum, Hierarchien, Bürokratie und den Staat hinwegzufegen, um eine bessere Gesellschaft zu errichten.
Start-up-Chefs von heute wie Travis Kalanick von Uber sind die Hypermutationen dieser Denkschule, wenn sie die Taxikartelle sprengen wollen. Deshalb ist das Valley viel mehr als die Summe von Eliteuniversität Stanford, Wagnisgeld und Gründertalenten: Das Valley ist zuvorderst ein State of Mind. Start-ups wie Uber, die erst einmal Gesetze brechen, wird es in Deutschland nicht geben.
Noch hat niemand eine Software gegen die Dürre erfunden
Was wir dem entgegenhalten können, sind wir selbst - verbunden mit ein paar neuen Ideen. So öffneten Valley-Unternehmen in den 40er Jahren gegenseitig ihre Forschungslabore füreinander. Stanford-Professor Turner glaubt, dies habe den Nährboden für den jahrzehntelangen Innovationsschub bereitet, und rät deutschen Konzernen zur Nachahmung. Dass die Autobauer neuerdings bei der digitalen Navigationstechnologie Here miteinander kooperieren, ist richtungsweisend, um die Zukunft, also etwa autonomes Fahren, nicht zu verschlafen.
Unser Ingenieursgeist, gepaart mit dem Willen zur Perfektion, könnte das Übrige tun, um weiter die beste Sensor-, Energieeffizienz- und Messtechnik zu entwickeln. Das könnte sogar dem Valley bei der Bewältigung der Jahrhundertdürre helfen. Noch hat hier niemand eine Software dagegen erfunden. Das Valley hat auch etwas unglaublich Flüchtiges. Lernen wir von ihm - und setzen etwas dagegen.
Freibadbesuch im Valley: Im Tal der Selbstvermarkter
Astrid Maier, Tech-Editor des manager magazins, besucht bis zum Sommer als Stipendiatin die Stanford University. Ihre letzte Kolumne "Not macht erfinderisch, mehr denn je" aus dem Silicon Valley finden Sie im Juli-Heft.