Cash-Reserven Google und die 100-Milliarden-Dollar-Frage

Gründergeist: Google-Chef Larry Page tritt nur selten öffentlich auf, wie hier in New York vor zwei Jahren. Wenn er sich mal zeigt, dann spricht er gerne über "Moonshot"-Projekte.
Foto: © Eduardo Munoz / Reuters/ REUTERSHamburg - Analysten können Investoren ja durchaus auf Gedanken bringen. Das ist naturgemäß ihr Job. Sie untersuchen die Entwicklung von Unternehmen, nehmen jede Zahl auseinander, prognostizieren manchmal abenteuerliche Dinge, aber auch realistische. Sie diskutieren in ihren vor Zahlen und Modellen strotzenden Berichten eben Fragen, die Investoren interessieren sollten.
Carlos Kirjner hat nun eine Frage aufgeworfen, bei der manch Investor sicherlich leuchtende Augen bekommt. Der Analyst befasste sich nach dem jüngsten Quartalsbericht von Google intensiv mit dem Suchmaschinenbetreiber. Die Zahlen waren schlechter als erwartet, aber auch nicht katastrophal, so dass Investoren jetzt schnell ein Trostpflaster bräuchten.
Immerhin, so rechnet Kirjner vor, wird Google bis 2016 voraussichtlich 100 Milliarden Dollar Barreserven anhäufen. Bislang ist der Konzern bei 62,3 Milliarden Dollar angekommen. Dieses Wachstum, oder anders, die zu erwartende Höhe der Barreserven, sei ein Problem, schrieb Kirjner in einer Research Note. Nun, wie viele Unternehmen würden sich über derartige "Probleme" freuen?
Kirjner meint, Google könne bei dieser Summe kaum weiterbehaupten, das Geld sei nötig, um im Kampf gegen die aufstrebende Konkurrenz mithalten zu können. Das sei schlicht nicht glaubwürdig. Was wolle Google mit so viel Geld machen? Für Kirjner ist die Antwort eindeutig. Google sollte einen Teil des Milliardenschatzes den Aktionären zu Gute kommen lassen, über eine Dividende oder durch Aktienrückkauf.
Investoren lauern auf hohe Barreserven der IT-Konzerne
Google ist nicht das erste Technologie-Unternehmen, dessen hohe Barreserven Begehrlichkeiten wecken. Microsoft mit derzeit 89,2 Milliarden Dollar und Apple mit 155,3 Milliarden Dollar Barreserven mussten sich lange der gleichen Frage stellen. Dividendenprogramme oder Aktienrückkäufe galten in der Regel als Eingeständnis eines Unternehmens, dass es nun nicht mehr so schnell wachse. Microsoft und Apple mussten sich immer wieder für ihre hohen Cash-Bestände rechtfertigen, ehe sie schließlich doch ein Dividenden- und Aktienrückkauf-Programm beschlossen.
Die vielen Milliarden Dollar auf dem Konto hatten aggressive Investoren angezogen wie das Licht die Motten. Das musste zuletzt allen voran Apple erfahren. Managerschreck Carl Icahn hatte den iPhone-Hersteller in einem offenen Brief darum gebeten, mehr Aktien als bisher geplant zurückzukaufen.
Apple erklärte zwar freundlich, dass es sich immer über Nachrichten von Investoren freue. Der Konzern machte aber durch die Präsentation einer Übersicht deutlich, wie viel das Unternehmen bereits über eine Dividende an Investoren ausgezahlt beziehungsweise für wie viel Milliarden Dollar es Aktien zurückgekauft hat.
Apple habe binnen zwei Jahren für Dividenden und Aktienrückkäufe 74,3 Milliarden Dollar bereitgestellt, zeigte der Konzern in der Tabelle. Bis Ende kommenden Jahres werden es insgesamt 130 Milliarden Dollar sein. Die Botschaft hinter der schlichten Zahlenpräsentation: Irgendwann müsse auch mal Schluss sein. Punkt.
Google konzentriert sich auf "Moonshot" Projekte
Für Google könnte die Diskussion allerdings gerade erst beginnen, zumindest wenn es nach Analyst Kirjner geht. Der Suchmaschinenbetreiber selbst würde die Forderung allerdings gerne gleich im Keim ersticken.
Eine Sprecherin von Google betonte auf Nachfrage, dass Google den hohen Barmittelbestand als strategisches Instrument sehe. Das Geld erlaube Google in einem jungen, von starkem Wettbewerb geprägten und sich ständig wandelnden Markt schnell zu agieren. Abgesehen davon haben die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin immer deutlich gemacht, dass sie kein "normales" Unternehmen führen und Dinge eher ungewöhnlich angehen.
Derzeit konzentrieren sie sich neben ihrem Kerngeschäft vor allem auf so genannte "Moonshot"-Projekt. Darunter versteht Page Entwicklungen, die nicht nur 10 Prozent besser als bereits existierende Produkte sind, sondern die um das Zehnfache besser sind.
Neue Projekte im Quartalsrhythmus - doch von Dividende ist keine Rede
Im vergangenen Jahr kaufte das Unternehmen mehrere Roboterfirmen. Es investiert in eine Kontaktlinse für Diabetiker, forscht an Pillen zur Krebsdiagnose, bastelt an einer Datenbrille namens Google Glass, entwickelt Drohnen für neuartige Lieferdienste, lässt Ballons steigen, die eine Internetanbindung möglich machen sollen, entwickelt selbstfahrende Autos und, und, und.
Leisten kann sich der Konzern diese kostspieligen Laborprojekte, weil die Suchmaschine mit ihren Werbeanzeigen jedes Quartal Milliarden Dollar in die Kasse einspielt. Fast im Quartalsrhythmus kündigt Google ein neues verrückt anmutendes Projekt an. Eine Dividende war bislang nicht dabei.
Gegen eine Google-Dividende dürfte auch sprechen, dass zwei Drittel des aktuellen Cash-Bestandes nach Angaben des jüngsten Quartalsberichts im Ausland lagern. Würde Google das Geld in die USA transferieren, müsste ein nicht unerheblicher Teil versteuert werden. Für öffentliche Haushalte wäre das sicherlich ein willkommenes Geschenk, den Google Aktionären würde das nicht dienen.
Ohnehin haben die Aktionäre nicht sonderlich viel Druckpotenzial. Die Google-Gründer und Chairman Eric Schmidt verfügen derzeit insgesamt über 60,8 Prozent der Stimmrechte. Durch spezielle Aktienklassen haben sie sich derart viel Macht gesichert, dass es manch einem Investor eher vorkommen muss, er sei bei Google nur geduldet und der Besitz einer Google -Aktie sei schon Zugeständnis genug.
Insofern dürfte Analyst Kirjner Investoren auf einen Gedanken gebracht haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.