
Passantin vor ZTE-Gebäude in Peking
Foto: Ng Han Guan/ dpaUS-Präsident Donald Trump ordnet Hilfe an, damit der chinesische Staatskonzern ZTE "schnell wieder zurück ins Geschäft kommt". Ist das eine Kehrtwende?
Nicht direkt. Das US-Verfahren, das ZTE derzeit in Schwierigkeiten bringt, ist formell ein reiner Verwaltungsakt. Es wurde nicht von der Trump-Regierung veranlasst. Überraschend ist Trumps Intervention allerdings schon - bedenkt man, dass er im Wahlkampf vor allem versprach, Jobs aus China in die USA zu holen, noch vor kurzem Strafzölle verhängte, und jetzt ausgerechnet Jobverluste in China als Problem nennt.
Warum ist ZTE überhaupt raus aus dem Geschäft?
Das Bureau of Industry and Security des US-Handelsministeriums hat Mitte April den Verkauf amerikanischer Technologie wie Chips oder Software an ZTE für sieben Jahre verboten. Damit fehlen dem Telekommunikationsausrüster wichtige Vorleistungen, die nach Schätzung von Analysten mehr als ein Viertel des Umsatzes ausmachen und für die Produktion unverzichtbar sind. Deshalb stellte der Konzern den Betrieb Anfang Mai weitgehend ein und sprach von einer Gefahr für seine Existenz.
Bereits 2017 hatte ZTE eine Strafe von 1,2 Milliarden Dollar wegen Verstößen gegen US-Exportsanktionen akzeptiert. Die Behörde wirft den Chinesen vor, intern unzureichend reagiert zu haben. Sie hätten noch mehr beteiligte Mitarbeiter freistellen und die Boni kürzen müssen. ZTE nennt diese Sanktionen unfair und unverhältnismäßig. Das Unternehmen leiste bereits umfangreiche Aufklärung.
Warum ist ZTE so wichtig?
Das Unternehmen ist ein Symbol dafür, wie China sich von der verlängerten Werkbank des Westens zu einer innovativen Weltmacht wandelt. Seit 2011 hat ZTE für mehrere Jahre das Ranking der Unternehmen mit den meisten internationalen Patentanmeldungen angeführt (2017 lag es auf Platz zwei hinter dem heimischen Wettbewerber Huawei).
Diese beiden Konzerne bilden neben Nokia, Ericsson und Samsung die Top Five der Telekommunikationsausrüster, die digitale Infrastruktur bauen. Vor allem im mobilen Internet der nächsten Generation (5G) strebt ZTE eine Führungsrolle an und hat etliche Kooperationen mit den großen Hardware-Herstellern oder Netzanbietern geschlossen.
Wie sehr steht Chinas Staatsführung hinter ZTE?
Im Unterschied zu anderen Global Playern aus China, die mit internationalen Abenteuern schon einmal in Peking anecken, scheint ZTE die Rückendeckung der Führung zu genießen. In seinem Tweet nennt Trump den Pekinger Kollegen Xi Jinping persönlich. Offiziell teilte die Regierung mit, dass sie die Lockerung der US-Sanktionen "außerordentlich begrüßt". Mitunter wird ZTE als Staatsunternehmen beschrieben.
ZTE ist zwar ein börsennotierter, privatrechtlicher Konzern mit Sitz in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen. Zu den größten Aktionären zählen aber eine Akademie des Luftfahrtministeriums, die chinesische Luft- und Raumfahrtagentur sowie eine Holding der privaten Gründer, die in den 80er Jahren im Luftfahrtministerium saßen und eine eigene Chipproduktion starteten.
Was hat ZTE mit Überwachung zu tun?
Seit Jahren warnen US-Behörden mit Blick auf die Staatsbeteiligung, ZTE und Huawei könnten in ihre Technik Einfallstore einbauen, mit deren Hilfe China die Kommunikation weltweit überwacht. Von kritischer Infrastruktur sollen die Chinesen daher ferngehalten werden. Auf dem US-Markt sind beide deshalb nur als Lieferanten für Smartphones an Endkunden präsent. Die Aufträge für 5G-Technik machen Ericsson, Nokia und Samsung unter sich aus.
Was haben die USA von einer Lockerung der Strafen?
Was haben die USA von einer Lockerung der Strafen?
Für große Chipproduzenten wie Intel oder Qualcomm ist ZTE zwar nur ein großer Kunde unter vielen. Kleinere Zulieferer wie Acacia Communications oder Oclaro aber dürften den "Schaden für US-Unternehmen", von dem die Chinesen sprechen, durchaus spüren. Indirekt profitieren könnte Qualcomm, weil deren Antrag auf Übernahme des niederländischen Chipproduzenten NXP nun doch von den chinesischen Wettbewerbshütern geprüft wird. Dieses Verfahren hatte zuletzt geruht.
Der größte Gewinn jedoch ist etwas Entspannung im von den USA selbst angefachten Handelskrieg. Am Dienstag wird der für die Wirtschaftsstrategie verantwortliche Vizepremier Liu He in Washington erwartet. Das Trump-Edikt pro ZTE dürfte die Atmosphäre der Gespräche zur Zukunft des Pazifikhandels verbessern.
Eine Konfrontation der beiden größten Wirtschaftsmächte will selbst Trump nicht zum Äußersten treiben. Aktuell bemüht er sich auch um einen diplomatischen Erfolg im bevorstehenden Gipfel mit dem nordkoreanischen Staatslenker Kim Jong Un - und das dürfte ohne Chinas Hilfe kaum gelingen.
Was hat das Ganze mit Iran zu tun?
Ironischerweise geht das ZTE-Verfahren, das aktuell die diplomatische Öffnung für Nordkorea versperrt, gerade auf US-Sanktionen gegen Nordkorea zurück - und gegen Iran. Dem chinesischen Konzern wird vorgeworfen, Netzausrüstung an die beiden Länder geliefert und damit wegen der aus US-Produktion genutzten Bauteile geltende Handelssperren durchbrochen zu haben.

Während Trump sich gerade auf Nordkorea zubewegt, macht er die von Vorgänger Barack Obama vollzogene Öffnung gegenüber Iran wieder rückgängig. Für betroffene Firmen, die jetzt ihr Geschäft zu retten suchen, könnte Trumps Kehrtwende eine Lektion sein: Die Sanktionen gelten nicht unbedingt für alle, und auch scheinbar nur dem Rechtsweg folgende Verwaltungsakte lassen sich mit politischer Macht umstoßen. Berechenbar ist hier allerdings nichts.