Studie nennt deutsche Unternehmen "saturiert" Manager schieben digitalen Rückstand auf die Mitarbeiter

Ausbildung zur Programmierung von Robotern bei Audi

Ausbildung zur Programmierung von Robotern bei Audi

Foto: Andreas Gebert/ picture alliance/dpa

Deutschlands Konzernführungen trauen ihren Beschäftigten den Sprung ins digitale Zeitalter nicht zu. So lässt sich eine repräsentative Studie der zu Ernst & Young gehörenden Digitalberatung Etventure zusammenfassen, die an diesem Freitag veröffentlicht wird und die das manager magazin vorab einsehen konnte.

76 Prozent der befragten Entscheider aus 2000 Großunternehmen nannten das Fehlen qualifizierter Mitarbeiter mit Digital-Knowhow als wichtigste Hürde für die Digitalisierung - ein steiler Anstieg gegenüber den Vorjahren. Das Vertrauen in die vorhandene Belegschaft schwindet rasch. Nur noch ein gutes Viertel der Unternehmen hielt die Mitarbeiter für ausreichend qualifiziert. Vor zwei Jahren sagte das noch jede zweite Firma.

Andererseits ist das Problem - zumindest aus Sicht der Manager - vielleicht auch nicht allzu ernst. Erstmals seit Beginn der Erhebung 2016 ist der Stellenwert der Digitalisierung gesunken: Nur noch 54 Prozent der Befragten (gegenüber 62 Prozent im Vorjahr) zählten sie zu den Top-3-Prioritäten in ihrem Unternehmen. Zwei Drittel gaben an, dass sie maximal 10 Prozent ihrer Investitionen der digitalen Transformation widmen. Und knapp die Hälfte gab an, man könne den eigenen Umsatz in den kommenden drei Jahren auch halten, ohne digital zu investieren.

In der Krise ist mehr Zeit da, aber weniger Geld zum Investieren

"Besonders gravierend ist die Einschätzung, gar nichts zu tun sei auch eine Option", kommentierte Etventure-Chef Philipp Depiereux. "In meiner Beobachtung sind deutsche Unternehmen nach einer langen konjunkturell starken Phase saturiert und zu wenig innovativ, was die Eroberung neuer Geschäftsfelder angeht." Im Fokus stehe das Abarbeiten voller Auftragsbücher. Wenn die Krise aber einmal komme, sei zwar die Zeit zum Nachdenken über Innovation da, erfahrungsgemäß jedoch nicht mehr das Geld.

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Positiv merkte Etventure an, dass ein spürbar größerer Anteil der Unternehmen die Position eines Chief Digital Officer geschaffen haben, mit Start-ups oder Forschungseinrichtungen oder gar mit Wettbewerbern kooperieren. Zur Disruption nötig sei ein "geschützter Raum" zum Experimentieren außerhalb der eingefahrenen Konzernorganisation.

Ranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland lässt größte Chancen liegen

Die vom Marktforscher GfK im Etventure-Auftrag erhobene Managersicht wird zum Teil von objektiven Daten gestützt. Im Länderranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit, das die Schweizer Organisation IMD am gestrigen Donnerstag veröffentlicht hat, steht Deutschland auf Platz 17 von 63 Ländern. Das Vorrücken vom 18. Platz im Vorjahr (zu Lasten von Österreich, das von Rang 15 auf 20 zurückfiel) ist für sich genommen kaum bemerkenswert. Auch die Top 5 bleiben unverändert: USA, Singapur, Schweden, Dänemark, Schweiz.

Im Detail jedoch werden die digitalen Stärken und Schwächen offenkundig. Vergleichsweise gut schneidet Deutschland zwar im Teilindex "Knowledge" mit Platz 12 ab. Dies ist jedoch das Ergebnis einer sehr widersprüchlichen Mischung einzelner Indikatoren. Nach dem Anteil der naturwissenschaftlichen Absolventen steht das Land an der Weltspitze, nach dem Einsatz von Robotern in Bildung und Forschung auf Platz 2, nach der beruflichen Weiterbildung auf Platz 3.

Deutschland nutzt vorhandene technische Möglichkeiten nicht

Sehr schwach hingegen fällt die Beteiligung von Frauen an der Forschung aus, ebenso wie die Verbreitung akademischer Abschlüsse in der Bevölkerung. Und zu den Schlusslichtern zählt Deutschland tatsächlich in der Kategorie "digitale technologische Fertigkeiten": Rang 55 von 63. Die Summe der talentbasierten Indikatoren zeigt seit Jahren eine absteigende Tendenz.

Noch schlechter fällt im insgesamt mittelmäßigen Teilindex "Future Readiness" die "Agilität der Unternehmen" in Bezug auf "Chancen und Bedrohungen" aus - da gab es nur Rang 56. Insofern bekommt neben den Managern mit ihrer Mitarbeiterschelte auch Etventure-Berater Depiereux mit seiner Managerschelte recht.

Als wahres Problem der digitalen Wettbewerbsfähigkeit jedoch erscheint im IMD-Index der Teilindex "Technology" - mit einem riesigen Widerspruch: Deutschland hat so günstige Finanzierungsbedingungen wie kein anderes Land (Rang 1 nach Kreditrating) und ist mit den technischen Möglichkeiten weit vorn (Rang 3 nach digitalem geistigen Eigentum), lässt dieses Potenzial aber brachliegen.

In Bezug auf Investitionen und digitale Infrastruktur häufen sich die Werte in den sehr schlechten 50ern - mit absteigender Tendenz. Offenbar fehlt es Staat und Unternehmen einfach am Willen zum Investieren.

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