Projekt Internet.org Sieben Milliarden Nutzer? Facebook will sie

Weltkarte des Internets: Die Daten von internet.org zeigen, in welchen Gegenden welche Internetanbindung möglich ist.
Foto: Internet.orgHamburg - In der ersten Dekade seit der Gründung hat Facebook bereits mehr Menschen miteinander verbunden als viele Beobachter und Mark Zuckerberg selbst es je für möglich gehalten hätten. Monatlich greifen 1,35 Milliarden Menschen auf das Onlinenetzwerk zu. Facebook wird im noch laufenden Geschäftsjahr insgesamt erstmals mehr als zehn Milliarden Dollar Umsatz machen, im Wesentlichen durch Werbung, und sich einem Gewinn von drei Milliarden Dollar nähern.
Mit dem Kauf der Foto-App Instagram für eine Milliarde Dollar und der spektakuläreren Übernahme der Nachrichten-App Whatsapp für rund 22 Milliarden Dollar ging Zuckerberg zwei Wetten ein, für dessen Erfolg seine mittlerweile 8000 Mitarbeiter einiges leisten müssen.
Seine Mission ist immer noch die Gleiche: Er will die Welt miteinander verbinden. Was bedeutet es dann schon, bislang 1,35 Milliarden Menschen zu Facebook gelockt zu haben? Aus Zuckerbergs Sicht ist das nur eine Zahl, sagte er einem Reporter des US-Magazins "Time". Auf der Welt gibt es 7,2 Milliarden Menschen, rund 2,9 Milliarden sind online. Seine Mission sei also nicht annährend erledigt, sagte er.
Deshalb hatte er sich im Jahr 2013 um eine Koalition von IT-Unternehmen bemüht, die gemeinsam versuchen wollen, zwei Drittel der Weltbevölkerung ans Internet anzubinden. Im Februar dieses Jahres kündigte Zuckerberg auf dem Mobile World Congress in Barcelona schließlich das Projekt internet.org an. Dabei kooperiert Facebook mit Netzwerk- und Mobilfunkausrüstern wie Ericsson, Nokia, Qualcomm, aber auch mit Softwarehersteller Opera sowie den breit aufgestellten IT-Konzernen Samsung und Mediatek.
Mitarbeiter sollen sich in Armut hineinversetzen
Viele Menschen hätten zwar theoretisch eine Internetverbindung, genau genommen 85 Prozent, aber sie würden sie nicht nutzen. Die meisten hätten mindestens den Mobilfunkstandard 2G. Die restlichen 15 Prozent will Facebook gerne über Drohnen, Satelliten oder Laser anbinden. Einen Drohnen-Hersteller kaufte Facebook bereits.
Dass die meisten Menschen kein Internet nutzen, hat zweifelsohne sozio-ökonomische und auch kulturelle Gründe. Der Mehrheit fehlt es schlicht an den nötigsten Dingen im Leben. Mit Strom, sauberem Wasser oder Toiletten wäre der Bevölkerung mehr gedient, als einer Internetverbindung. Das weiß auch Zuckerberg. Dennoch verfolgt er seinen Plan akribisch.
Seine Mitarbeiter müssen sich beispielsweise in Armut hineinversetzen, was dem einen oder anderen sicher schwer fallen dürfte, wenn der Arbeitgeber auf dem Unternehmens-Campus sogar den Restaurantbesuch bezahlt. Ob Nachos, Pizza oder Grillrestaurant, die Facebook-Mitarbeiter haben die freie Wahl. Selbst für den Friseur und die Wäscherei zahlt die Firma.
Dennoch dachte sich das Facebook-Management etwas aus, damit den Mitarbeitern nicht das Einfühlungsvermögen verloren geht. Es schuf in Palo Alto eine künstliche Umgebung. Gemeinsam mit Ericsson baute Facebook eine Internetverbindung auf, die sich anfühlen sollte wie im ländlichen Indien, das heißt: langsame Übertragungsgeschwindigkeit der Daten.
"Dann haben wir einige Handys besorgt, also wirklich Einstiegsmodelle mit Android, und wir haben einige Leute aus dem Valley eingeladen - die von Ebay, die von Apple. 'Hey, testet mal eure Software unter diesen Bedingungen', haben wir gesagt. Nichts hat funktioniert", sagte Javier Olivan, verantwortlicher Manager für das weltweite Wachstums und die Datenanalyse. Es sei eine Offenbarung gewesen: Für den größten Teil der Menschheit ist das Internet kaputt. "Ich zwinge nun viele die Einstiegsmodelle zu verwenden", sagte Olivan dem Magazin "Time". "Du musst den Schmerz spüren".
Zuckerbergs Methode der Problemlösung
Zusätzlich baute Facebook ein eigenes Labor, in dem suboptimale Bedingungen für Computer analysiert werden. Alte Handys mit Googles Betriebssystem Android, sogar Klapphandys haben Facebook Manager für ihre Programmierer wieder aufgetrieben.
Sogar auf das Vokabular werde geachtet, sagte Zuckerberg. So dürfe nicht von billigen Handys oder qualitativ schlechten Geräten die Rede sein. "Es gehe um typische Android-Handys und typische Netzwerke. Deshalb dürfen wir intern nicht über schlechte Handys sprechen. Wir müssen sagen, sie sind typisch", sagte Zuckerberg. So ganz erhört haben die Facebook-Mitarbeiter ihren Chef wohl noch nicht. Der "Time"-Reporter beobachtete, dass Zuckerbergs Angestellte immer noch über schlechte Handys redeten - und nicht über gewöhnliche Geräte.
Für die Geräte würde eine einfache, also deutlich entschlackte Software entwickelt. Danach suchten internet.org-Manager lokale Telekombetreiber auf und würden sie bitten, die Software auf Handys kostenlos anzubieten, ohne dass Nutzer dafür einen Datenplan kaufen müssten.
In Sambia und Tansania hatte internet.org beispielsweise eine App gestartet, über die Nutzer das Wetter, die Internet-Enzyklopädie Wikipedia, die Google-Suche, Facebook und speziell an Frauen adressierte Angebote abrufen können. Frauen könnten über die App Informationen über Schwangerschaften, weitere Gesundheitsfragen und über ihre Rechte erhalten. Für Zuckerberg ist die App vergleichbar mit der Notrufnummer 911 in den USA.
Zuckerbergs Methode der Problemlösung
Die Expansionspläne Facebooks stoßen zweifelsohne auf ein paar Hürden. So sind Länder wie Indien, aber auch Sambia sehr lokal organisiert. Die Programme müssen in viele Sprache übersetzt werden. Indien, mit 1,2 Milliarden Menschen, zählt beispielsweise 1635 Sprachen.
Und als wäre das Sprachproblem nicht schon eine der größten Hürden, müssen Manager wie Zuckerberg die Telekombetreiber auch noch überzeugen, dass die Bevölkerung die App ohne Datenplan nutzen darf, also gebührenfrei. Die Menschen müssten erst lernen, was das Internet bedeute, das Daten übertragen würden. Es gehe ohnehin zunächst um eine Art Grundausstattung, die die Menschen vor Ort erst einmal testen könnten.
Dass die Bevölkerung dort eigentlich noch ganz andere Nöte hat, das ist Zuckerberg durchaus bei seiner Reise nach Indien bewusst geworden. Dennoch ist er sicher, dass der Zugang zu Informationen die Bildung verbessern könne und dabei auch Wohlstand entstehe. Der "Time"-Reporter fasste die Herangehensweise des 30-Jährigen Managers so zusammen: Zuckerbergs Methode Probleme zu lösen sei die, dass jedes Problem lösbar sei und er es lösen könne.