Denkwürdiger Auftritt in Brüssel "Das ist Überwachung" - Apple-Chef greift Facebook und Google frontal an

Apple-Chef Tim Cook gab in Brüssel nicht nur den Datenschützer
Foto: Virginia Mayo/ dpaDie Faust geballt, der Blick voller Entschlossenheit. Tim Cook weiß, wie man Zuhörer beeindruckt. Diesmal waren es aber nicht Technologie-Jünger, vor die der Apple-Chef trat, sondern Datenschützer aus fast 80 Ländern, versammelt im Plenarsaal des Europaparlaments in Brüssel.
Schnell kam der Chef des iPhone-Herstellers zum Punkt und redete tacheles. Ohne auch nur die Namen der Datenkraken in den Mund zu nehmen, griff Cook das Geschäftsmodell von Silicon-Valley-Riesen wie Facebook und Google wegen ihrer weitreichenden Verwendung von Nutzerdaten massiv an.
"Der Wunsch, Gewinne über die Privatsphäre zu stellen, ist nichts Neues", erklärte Cook einem Publikum von Datenschutz-Beauftragten, Führungskräften und anderen Teilnehmern. Wie zum Beweis zitierte er Louis Brandeis, den früheren Richter am Obersten Gerichtshof der USA, der bereits 1890 in einem Fachartikel darauf hinwies, dass Klatsch nicht länger die Quelle des Müßigganges und des Bösen, sondern ein Handel geworden sei.
"Unsere Daten werden mit militärischer Effizienz gegen uns gewendet"
"Heute ist dieser Handel zu einem Daten-industriellen Komplex explodiert. Unsere eigenen Informationen, vom Täglichen bis zum sehr Persönlichen, werden mit militärischer Effizienz gegen uns gewendet", warnte Cook unmissverständlich.
Die vielen Datenfetzen seien "jeder für sich allein harmlos". Doch würden sie "sorgfältig zusammengestellt, synthetisiert, gehandelt und verkauft", zitieren englischsprachige Agenturen den Apple Chef weiter. Es gebe da nichts zu beschönigen: "Das ist Überwachung. Und diese Bestände an persönlichen Daten dienen nur dazu, die Unternehmen, die sie sammeln, zu bereichern."
Begriffe und Sätze wie diese aus dem Mund des Apple-Chefs verfolgen vor allem ein Ziel: Abgrenzung des wertvollsten Technologiekonzerns von jenen Unternehmen im Silicon Valley, die in der Vergangenheit durch Daten-Skandale in die Negativschlagzeilen geraten waren.
Abgrenzung von "schlechten" US-Technologie-Riesen und Datenkraken
Abgrenzung etwa von Facebook, dessen Chef Mark Zuckerberg schon vor Europa-Parlamentariern wegen das weltweiten Datenskandals um Cambridge Analytica Rede und Antwort stehen musste und vier Staatsfonds in den USA nach den Skandalen mittlerweile Zuckerbergs Rücktritt als Verwaltungsratschef fordern.
Abgrenzung auch von Google, das erst ein halbes Jahr später die Öffentlichkeit über ein gefährliches Datenleck bei Google Plus informierte und nun das Netzwerk für Privatkunden schließen will. Auch missbraucht Google laut EU-Kommission seine dominierende Stellung bei Handy-Betriebssystemen und soll deshalb eine Milliardenstrafe zahlen, was es strikt ablehnt.
Wie schon beim "Verhör" durch die Parlamentarier reagierte der per Video-Konferenz in Brüssel zugeschaltete Zuckerberg am Mittwoch kontrolliert auf den Angriff: Facebook-Nutzer seien sich bewusst, dass ein kostenloser Dienst sich mit Werbung finanzieren müsse. "Die Leute sagen uns ständig, dass sie einen kostenlosen Service wünschen und dass sie, wenn sie Anzeigen sehen, diese relevant sein müssen", betont er. Facebook habe stark in Sicherheit und Privatsphäre investiert, auch wenn dies die Profitabilität drücke, versichert Zuckerberg erneut.
Apple selbst ist nach eigenen Angaben wesentlich vorsichtiger bei der Sammlung von Nutzerdaten. Allerdings verdient der kalifornische Konzern sein Geld auch hauptsächlich nicht mit Werbung, sondern durch den Verkauf von Geräten und Abo-Diensten.
Bloß nicht über Steuern reden, lieber Vertrauen schaffen
Apple, der gute US-Technologiekonzern also - wenn man mal von den auch in europäischen Steueroasen gebunkerten Milliardengewinnen absieht. Dem Fiskus in Europa entgehen durch illegale Steuervergünstigungen dieser Oasen Milliarden, ist Brüssel überzeugt. Immerhin: Im Fall Irland hat Apple jetzt 14 Milliarden Euro geschuldete Steuern auf ein Treuhandkonto eingezahlt, bis die Sache endgültig geklärt ist.
Doch Steueroptimierung sollte in Brüssel nicht das Thema sein. Genau davon wollte Cook am Mittwoch den Fokus wegwenden, vielmehr das ramponierte Vertrauen in die US-Technologiebranche wieder aufpolieren und Apple quasi als vehementen Datenschutzbefürworter ins Gedächtnis bringen, damit der Konzern erst gar nicht in den Strudel schlechter Nachrichten um die Datenkraken mit hineingerissen wird.
Ohne das Vertrauen der Kunden und Verbraucher werde Technologie nicht ihr volles Potential entfalten können, sagte der Apple-Chef dann fast schon salbungsvoll - um dann für die USA ein Datenschutzgesetz nach dem Vorbild der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu fordern. Es sei an der Zeit, "dass der Rest der Welt - auch mein Heimatland - Ihrem Beispiel folgt."
Den Datenschützern im Plenarsaal des Europaparlaments dürfte das wie Honig runtergegangen sein.