Smartphone-Spezialist versucht es mit Gegentrend Apples Hoffnung: kleineres iPhone, höheres Wachstum

Hemd aus der Hose: Apples Greg Joswiak präsentiert das neue, kleinere iPhone SE, ganz links.
Foto: STEPHEN LAM/ REUTERSApple-Chef Tim Cook hat am Montag ein neues, kleineres iPhone präsentiert, das den Konzern wieder auf seinen alten, steilen Wachstumskurs zurückbringen soll: Das neue iPhone SE ist mit seinem 4-Zoll-Bildschirm so groß wie zuletzt das iPhone 5s. Optisch hat sich wenig geändert, Bildschirm und Gehäuse sind etwas abgerundet, mehr hat sich nicht getan. Technisch aber ist das neue kleine Modell fast ein iPhone 6s. Es hat denselben A9-Prozessor, dieselbe Kamera, ist mit 16 oder 64 GB lieferbar, hat denselben Fingerabdrucksensor und einen NFC-Chip für Apple Pay - das man in Deutschland allerdings noch nicht nutzen kann.
Ein Billig-iPhone, wie es immer wieder in Gerüchten auftaucht, kann es daher gar nicht sein. In der Grundvariante mit 16 GB Speicher kostet es 489 Euro. Für die Version mit 64 GB werden 589 Euro fällig.

Auch wenn es auf den ersten Blick widersinnig erscheint - schließlich sind großformatige Smartphones "in" -, ist die Einführung des iPhone SE ein kluger Schachzug. Apple bedient damit all jene Kunden, denen die 4,7 Zoll der iPhones 6 und 6s zu groß sind. Ganz zu schweigen von den 5,5 Zoll der Plus-Modelle. Diese Kunden, und auch jene, die noch an ihrem iPhone 4 oder 4s hängen, könnte der Konzern mit dem SE wieder zum Geldausgeben bewegen. Tim Cook sprach explizit auch vom chinesischen Markt und den vielen Menschen, für die das SE womöglich das erste iPhone ihres Lebens sein könnte.
Der Zeitpunkt stimmt
Das Timing spielt dabei eine enorm wichtige Rolle. Als Apple 2013 parallel zum iPhone 5s das iPhone 5c vorstellte, war das günstigere c-Modell von Anfang an zum Rohrkrepierer verdammt. Es sah schick aus, fühlte sich gut an, doch seine Technik hinkte dem Top-Modell zu weit hinterher, insbesondere, was die Kamera angeht.
Beim iPhone SE sieht das anders aus. Es kommt gut eine halbes Jahr nach dem iPhone 6s auf den Markt, hat aber weitgehend dessen Technik an Bord. Bis Apple einen Nachfolger für das 6s einführt, dürfte es mindestens September werden. So bleiben dem iPhone SE vier bis fünf gute Monate, in denen es innerhalb des Apple-Ökosystems technisch State of the Art ist.
Und das iPhone SE passt zu Apple: Schließich hat sich der Konzern lange gegen den Trend zu immer größeren Smartphones gestemmt, ist zuerst dem 3,5-Zoll-Display, dann dem 4-Zoll-Display treu geblieben, als die Konkurrenz längst bei 5 und 6 Zoll angelangt war.
Das iPad Pro
Ähnlich sieht es beim neuen iPad Pro aus. Das große iPad Pro ist vielen potenziellen Käufern wohl zu groß, zu schwer und vor allem zu teuer. Es kostet ab 899 Euro, kann inklusive Tastatur so viel wiegen wie ein Macbook Air.
Diese Probleme beseitigt das neue Modell auf pragmatische Weise: Es kann alles, was das große auch kann, ist aber viel kleiner. Es hat dessen schnellen Prozessor, kann mit einem Stift zum Malen, Schreiben und Zeichnen benutzt werden und hat vor allem den Smart Connector, über den man Zubehör wie eine Tastatur anschließen und mit Strom versorgen kann.
Diese Fähigkeiten verbindet das iPad Pro aber mit geringem Gewicht, kompakten Maßen und Preisen ab 689 Euro. Für viele Kunden wird es damit das attraktivere iPad sein, vor allem in Kombination mit einer Tastatur zum Anstecken. Solche Hybridgeräte, die man sowohl als Tablet als auch als Notebook verwenden kann, sind derzeit der am schnellsten wachsende Bereich im Markt für Tablets und Computer. Und mit einer Maximalkonfiguration mit 256 GB Speicher dürfte es auch Highend-User ansprechen. Mit knapp 1200 Euro für die Maximalvariante inklusive LTE hat dieses Modell allerdings auch einen Highend-Preis - ohne schnellen Datenfunk kostet das 256-GB-Modell 1049 Euro.
Gegen den Strom
Mit dem iPhone SE und dem iPad Air Pro stemmt sich Apple gegen den Trend: Statt immer größerer Geräte führt der Konzern erstmals wieder kleinere Smartphones und Tablets als zuvor ein. Die Technik leidet dabei nicht unter dem Schrumpfungsprozess, sondern ist auf Augenhöhe mit den teureren und größeren Modellen. Das dürfte bei vielen Kunden besser ankommen als die bisherige Strategie, das jeweilige Vorvorjahresmodell mit veralteter Technik anzubieten.