Angeblicher Präsidentenmacher Cambridge Analytica Kann man bei diesem Mann Wahlen kaufen?

Alexander Nix: Der Chef des Big-Data-Polit-Beraters Cambridge Analytica nutzt die Gunst der Stunde

Alexander Nix: Der Chef des Big-Data-Polit-Beraters Cambridge Analytica nutzt die Gunst der Stunde

Foto: Getty Images

Würde man Alexander Nix in der Londoner Innenstadt begegnen, man würde ihn wohl kaum eines zweiten Blickes würdigen. Der 41-Jährige mit seinen blonden zurückgekämmten Locken, seinem schmal geschnittenen Anzug und seiner Hornbrille sieht aus wie ein durchschnittlicher Investmentbanker oder ehrgeiziger Regierungsberater. Gepflegt, unauffällig, geschmeidig.

Doch anders als Investmentbanker oder Regierungsberater ist der ehemalige Finanzanalyst aktuell einer der am meisten gehypten Manager Europas. Schuld daran sind seine Firma Cambridge Analytica und unter anderem ein Artikel in "Das Magazin", eine Wochenendbeilage mehrerer Schweizer Tageszeitungen, in der Nix als Königsmacher der US-Wahlen porträtiert wird,  - also eine These aufgeworfen wird, die zuvor auch schon Medien wie Bloomberg  oder das "Wall Street Journal"  ausgeleuchtet hatten.

Die These: Nix habe mit seiner Firma unter anderem mit Hilfe persönlicher Facebook-Daten die Persönlichkeitsstruktur von Millionen Amerikanern analysiert, dann habe Trump zielgerichtet politische Nachrichten an Millionen Amerikaner aussenden und so die Wahlen für sich entscheiden können.

Ein fast schon apokalyptisches Szenario mit unvorhersehbaren Folgen für die Demokratien der Welt. Und auch für Europa. Denn nach der Wahl in den USA, so der Bericht , sei Nix mit seiner Firma nun in Europa auf Kundenfang. Und mache sich bereit, auch in der Alten Welt Wähler mit seiner Big-Data-Technik zu manipulieren.

Was ist dran an dieser Horrorstory? manager-magazin.de hat bei Experten und bei Nix selbst nachgefragt.

Ist Nix tatsächlich der Königsmacher?

Sind Nix und Cambridge Analytica tatsächlich die Königsmacher, die Trump zum Wahlsieg verholfen haben?

Sie sind zumindest nicht die einzigen, die dafür gefeiert werden. Erst kürzlich wurde auch Trump-Schwiegersohn Jared Kushner in der US-Zeitschrift "Forbes"  als Königsmacher gefeiert.

Andere, wie der US-Politik-Strategie-Experte David Karpf  sehen in der Agentur Cambridge Analytica (CA) und ihrem Chef Nix eher clevere Marketingexperten ("biggest campaign tech bullshitter"), die den Erfolg ihres Kunden Trump nun zu Geld machen wollen.

Fest steht: CA hat für Trump gearbeitet, allerdings erst ab dem Ende der Vorwahlen ("Primaries") und im Verbund mit anderen Marketingexperten, wie Nix gegenüber manager-magazin.de einräumt. Aus Zeitgründen, so die offizielle Darstellung, seien dabei aber psychometrische Verfahren - also Verfahren, bei denen beispielsweise aus Facebook-Posts Rückschlüsse auf Einstellungen und Persönlichkeit gezogen werden, - für Trump gar nicht zum Einsatz gekommen.

Es gab auch Fehlschläge

Eine Siegesgarantie scheint allerdings auch ein Engagament von CA nicht zu sein. Denn die Londoner haben auch für Ben Carson und Ted Cruz gearbeitet - vor deren Ausscheiden aus dem US-Wahlkampf, also offenbar weniger erfolgreich. Sie sind oder waren angesichts dieser Erfolgsbilanz zumindest in den USA auch nicht unumstritten.

Auch mit geballter Intelligenz seiner Agentur lasse sich ein "zutiefst unpopulärer Kandidat" nicht per Zauberei in einen Sieger verwandeln, räumt Nix gegenüber manager-magazin.de ein.

Was wissen diese Agenturen über den Wähler und die Wählerin (also mich)?

Was ist dran an der These, dass Institute wie CA die Persönlichkeit von Millionen Menschen besser kennen als sie selbst?

CA verfügt nach eigenen Angaben über die größte Datensammlung mit Wählerinformationen in den USA. Informationen, die man sich in den USA unter anderem bei Datenhändlern wie Acxiom und Experian kaufen kann. Ergänzt wird oder wurde das Ganze offenbar durch Daten von Facebook-Nutzern, von denen ein Teil an einem Persönlichkeitstest teilgenommen und in diesem Zusammenhang Dritten Zugang zu ihren Daten gewährt hatte.

Aus diesen Datenpunkten, die jeder für sich wenig spektakulär sind, lasse sich im Zusammenspiel jedoch "ein sehr kraftvolles Bild" jedes einzelnen zeichnen, so Nix.

Können diese Akteure den normalen Wähler (also auch mich) damit manipulieren?

Ist überhaupt erwiesen, dass sich Menschen mit diesem Wissen politisch manipulieren lassen?

Inwieweit diese bereits im Marketing weit verbreiteten Techniken tatsächlich Wahlentscheidungen beeinflussen können, ist bislang nicht wissenschaftlich erwiesen, betont Vesselin Popov vom Psychometrics Center der Universität Cambridge gegenüber manager-magazin.de. Eine Tatsache, die auch Nix einräumt. "Aber 75 bis 80 Prozent Erfolgsrate geben uns recht", ist er überzeugt.

Dass CA - wie von einigen Medien berichtet - versucht hat, mittels gezielter Nachrichten an potenzielle Clinton-Wähler diese vom Urnengang abzuhalten, bestreitet Nix gegenüber manager-magazin.de: Er sieht sich und seine Firma lediglich als Kommunikator, der den sonst im Wahlkämpfen üblichen "Lärm" für den Einzelnen reduziert und dafür sorgt, dass nur persönlich relevante Nachrichten beim Wähler ankommen. Nix hält das für eine "Win-Win-Situation". Die Betroffenen, die lediglich den gefilterten Nachrichtenstrom zu sehen bekommen, ohne davon zu wissen, könnten das natürlich anders sehen.

Ist so etwas auch in Deutschland denkbar?

Ist so etwas auch in Deutschland denkbar?

Ja, bis zu einem gewissen Maß. Die Zahl der aktuell zur Verfügung stehenden Daten sei zwar geringer, räumt Cambridge-Analytica-CEO Nix ein. Doch auch mit dem, was vorhanden ist, ließen sich sehr gut Microzielgruppen identifizieren, an die sich Parteien dann mit zielgerichteten Nachrichten wenden könnten.

Eine Meinung, die auch Vesselin Popov vom Psychometrics Center der Universität Cambridge teilt, allerdings mit konträrer Bewertung: "Auch innerhalb des gesetzlichen Rahmens lässt sich in Europa ein enormer Schaden anrichten."

Wie neu ist dieses Mikro-Targeting?

Wie neu ist dieses Mikro-Targeting?

Nicht wirklich neu - im Marketing werden schon seit längerem bestimmte Zielgruppen genauestens angesprochen. Eine Möglichkeit, mit der unter anderem Facebook explizit wirbt.

Auch in vergangenen Wahlkämpfen wurde bereits Big Data genutzt, um potenzielle Wählergruppen zielgenauer anzusprechen. Mit zunehmenden Datenmengen und immer intelligenteren Technologien haben sich die Verfahren aber professionalisiert.

Beherrscht nur CA diese Techniken?

Beherrscht nur CA diese Techniken?

Nein, es existiert eine Vielzahl von Unternehmen, die mit Big Data Analytics arbeiten. Und auch psychologische Profilerstellung ist nichts, was CA selbst erfunden hat. Bislang werden diese Techniken aber vor allem im Marketing angewandt, nicht in der Politik. "Das ist eine Multi-Milliarden-Industrie", sagt Nix.

Eine Industrie, deren Existenz vielen allerdings nicht bewusst ist.

Sind Le Pen und AfD nach Trump die nächsten Kunden?

Sind Front National und AfD nach Trump die nächsten Kunden?

Das in London ansässige Cambridge Analytica ist auch in Europa bereits tätig geworden, unter anderem auf Seiten der EU-Austritt-Befürworter bei der Brexit-Kampagne.

Und natürlich ist CA weiter auf der Suche nach neuen Auftraggebern. Ob es bereits Gespräche mit der AfD, anderen deutschen Parteien oder beispielsweise dem Front National in Frankreich gegeben hat, wollte Nix gegenüber manager-magazin.de nicht bestätigen. "Aber", so der CA-CEO, "wir haben eine sehr aktive Verkaufsabteilung. Da würde es mich wundern, wenn es noch keine Gespräche gegeben hätte."

Prinzipiell arbeitet Nix für jeden, der ihn engagiert, sagt er. Seine Auffassung von Demokratie: "Jeder sollte den gleichen Zugang zu Diensten wie dem unseren haben."

Sind Wahlerfolge künftig käuflich?

Sind Wahlerfolge künftig käuflich? Und müssen jetzt auch die anderen Parteien aufrüsten um Waffengleichheit zu haben?

Die Technik ist da - auch wenn deren Funktion im politischen Bereich noch nicht wissenschaftlich erwiesen ist. Doch die Möglichkeit, dass sie funktioniert, ist real, glaubt Psychometrics-Experte Popov.

Einen Weg zurück sieht er nicht, fordert angesichts der Tatsache, dass diese Technologien weltweit angewendet werden, jedoch mehr Transparenz. "Die Öffentlichkeit muss sich dieser Problematik bewusst sein und darüber informiert werden, was mit ihren Daten gemacht wird", fordert Popov.

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