Ein Fintech wertvoller als die Commerzbank Von 7 auf 17 Milliarden - Adyen-Chef erklärt den Börsen-Hype

Adyen-Gründer Pieter van der Does
Foto: adyenPieter van der Does (49) hat ein Unternehmen gegründet, das niemand kennt und trotzdem Milliarden wert ist: Adyen. Die niederländische Firma wickelt Zahlungen online und in Geschäften für Kunden wie Netflix, Uber und Spotify ab. Investiert haben in der Vergangenheit Technologie-Bosse wie Mark Zuckerberg oder Jack Dorsey. Adyen legte im Juni ein fulminantes Börsendebut in Amsterdam hin: Der Wert am Markt hat sich seither von 7,1 auf 17,5 Milliarden Euro gesteigert. Damit hat Adyen 2018 den größten Tech-IPO in Europa hingelegt - und ist bereits wertvoller als die Commerzbank.

Pieter van der Does (49) ist Gründer und CEO von Adyen, einem Bazahldienstleister aus Amsterdam. Er ist seit mehr als 25 Jahren in der Finanzindustrie unterwegs.
manager-magazin.de: Der Wert der Adyen-Aktie hat sich schon an ihrem ersten Handelstag mehr als verdoppelt. Seitdem geht es weiter nach oben, zuletzt notierte das Papier nahe der 600 Euro, ein Zuwachs von 145 Prozent seit dem Start. Nicht schlecht für ein Tech-Start-up aus Europa. Unternehmen wie Home24 oder Rocket Internet hatten es da schwerer.
Pieter van der Does: Dieses schnelle Wachstum habe ich auch nicht erwartet. Ich finde andere Dinge bereichernd. Wenn ich zum Beispiel durch New York laufe und es dort Straßen gibt, wo ich das Gefühl habe, dass jedes Geschäft mit Adyen läuft. Dann denke ich daran, dass wir vor elf Jahren mit Ikea-Tischen, vier Gründern und drei Mitarbeitern angefangen haben. Und das ist die wirklich wilde Reise, nicht die finanzielle Seite davon.
mm.de: Ganz so unerheblich dürfte die Kursentwicklung nicht gewesen sein. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, jetzt an die Börse zu gehen?
van der Does: Einige der frühen Investoren wünschten sich einen Weg zur Liquidität, schließlich sind sie seit einem Jahrzehnt dabei. Auf dem Papier sind sie wohlhabend, aber kaufen können sie davon nichts. Und für uns war es ein gutes Zeitfenster, vorher hatten wir unsere Banklizenz erhalten.
mm.de: Die Kursentwicklung erinnert fast an die Tech-Blase zu Zeiten der New Economy.
van der Does: Ich habe Makroökonomie studiert und gelernt, dass der Markt immer recht hat. Wir haben unsere Zahlen präsentiert und damit eine Orientierung gegeben. Der Markt muss dann den Preis festlegen.
mm.de: Haben Sie sich verkalkuliert? War der Ausgabepreis zu niedrig?
van der Does: Wir haben alle einen Teil verkauft, um den IPO möglich zu machen... Vielleicht war es der Preis, um die Firma an die Börse zu bringen. Aber die Anteilseigner sind von der Entwicklung begeistert, ich habe nicht einen einzigen negativen Kommentar zu hören bekommen. Dafür viele Flaschen Wein von einem unserer Investoren.
mm.de: Adyen ist seit der Gründung stark gewachsen, Sie haben aber nie zugekauft.
van der Does: Wir sind da bisher sehr streng gewesen und verfolgen keine Akquisitionsstrategie, erst recht nicht für das Kernprodukt. Man kann das natürlich nie völlig ausschließen, aber wir werden kein Unternehmen kaufen, das uns ähnlich ist.
mm.de: Warum nicht?
van der Does: Es passiert oft, dass Unternehmen mehrere Technologien integrieren und dann viele Ressourcen darauf verwenden müssen, um das Konstrukt zu erhalten. Sie bezahlen teure Entwickler, die die Fehler ausmerzen. Das wollten wir nicht. Wir wollten mit Adyen das Unternehmen aufbauen, mit dem es am schwierigsten ist, zu konkurrieren. Wichtig war da vor allem die Qualität unseres Produkts. Wir setzen nicht auf die technischen Systeme anderer und haben selbst eine einheitliche Bezahlplattform gebaut. Deswegen ist es günstig, sie zu betreiben.
mm.de: Dabei hat Adyen auch starke Konkurrenz, beispielsweise durch Paypal. Nun sollen noch der chinesische Internetkonzern Alibaba und Amazon ihre eigenen Paymentsysteme bauen. Macht Ihnen das Sorgen?
van der Does: Die Bezahl-Infrastruktur in China ist ziemlich einzigartig. Ich denke nicht, dass das weltweit ausgerollt werden kann. Wir wiederum zielen nicht auf den inländischen chinesischen Markt ab und betreuen nur chinesische Unternehmen, die international verkaufen wollen und andersherum.
"Zwei Drittel sterben beim Abstieg"
mm.de: Und Amazon?
van der Does: Es wird immer Marktvolumen geben, das für uns nicht zugänglich sein wird. Besorgt mich das? Nein. Der Markt ist so riesig, dass das kein Problem ist.
mm.de: Im Börsenprospekt steht als ein Risiko, dass 33 Prozent des Nettoumsatzes durch nur zehn Großkunden entstehen. Wie wollen Sie sich da stabil aufstellen?
van der Does: Es gab Zeiten, da kamen 70 Prozent unseres Geschäfts von einem einzigen Händler. Die Strukturen wachsen aber und verändern sich, ebenso wie die Top Ten. Nicht, weil die Kunden abspringen, sondern weil neue hinzukommen. Diese Zahl verwässert sich also von selbst.
mm.de: Adyen will mit 25 bis 35 Prozent jährlich weiter wachsen. Wie wollen Sie das erreichen?
van der Does: Der größte Teil unseres Wachstums kommt durch die Bestandskunden, beispielsweise wenn sie in weitere Länder expandieren oder neue Bezahlmöglichkeiten hinzufügen. Gleichzeitig denken auch wir immer über Expansion nach und fügen neue, lokale Bezahlmöglichkeiten in unser System ein. Außerdem rollen wir den Bereich "Point of Sale" - also Software für die Zahlungsabwicklung der Verkäufe im Laden - weiter aus. Das macht mittlerweile zehn Prozent des Geschäfts aus.
Adyen konkurriert mit Zahlungsabwicklern wie Wirecard oder Concardis, aber auch mit dem Bezahldienstleister Paypal. Dort können Unternehmen und Privatleute einen Account eröffnen und Geld empfangen und bezahlen. Adyen hingegen stellt Systeme für Firmen im Hintergrund für größere Zahlungsströme zur Verfügung und tritt nicht mit Privatkunden in Kontakt.
Damit konnte Adyen Paypal zuletzt bei einem großen Unternehmen verdrängen: eBay trennte sich von seiner ehemaligen Tochterfirma Paypal zu Gunsten von Adyen, um Zahlungen selbst abwickeln zu können.
mm.de: Sie bieten auch Datenanalysen an. Ist das etwas, was künftig ausgebaut werden könnte, sagen wir mit Algorithmen?
van der Does: Nein. Die Händler sind sehr vorsichtig mit den Daten ihrer Kunden und sie werden nicht weiter geteilt. Uns geht es darum, was ein Händler aus den anonymisierten Daten über seine Kunden lernen kann. Zum Beispiel, wie oft sie in ein Geschäft zurückkehren oder wie viele zusätzlich den Onlineshop nutzen. So etwas ist für das Marketing interessant.
mm.de: Groß gefeiert haben Sie den erfolgreichen Börsengang nicht. Wie kommt das?
van der Does: Wenn Kletterer den Gipfel erklimmen, passieren ein Drittel der tödlichen Unfälle auf dem Weg nach oben und zwei Drittel beim Abstieg. Es gibt noch nichts zu feiern. Es läuft fantastisch und das Unternehmen hat das Potenzial, sehr groß zu werden. Aber dafür müssen wir unsere Karten noch verantwortungsvoll ausspielen und dürfen uns nicht ablenken lassen.
mm.de: Sie interessieren sich fürs Klettern?
van der Does: Ich bin früher viel geklettert, habe aber mittlerweile aufgehört. Man muss dabei fokussiert bleiben und für sich selbst die Verantwortung übernehmen. Außerdem muss die Ausführung perfekt sein und dafür muss man gut planen. Ich hatte nie Interesse daran, 4000-Meter-Berge in den Alpen zu erklimmen, denn da ist es voller und dreckiger. Wenn man sich an weniger bekannte Regionen hält, kann man da gut Zeit mit Freunden verbringen. Aber langsam wird es peinlich, darüber zu sprechen. Schließlich klettern manche meiner Freunde noch und ich kneife!
mm.de: Trotz Ihres Erfolges geben Sie sich sehr zurückhaltend.
van der Does: Ich denke, es ist klug, immer erst nachzudenken, bevor man spricht. Und diese Einstellung passt zu unserem Unternehmen. Ein Führungsstil mit viel Ego würde hier nicht funktionieren.