Frankreichs Medienkonglomerat Vivendi steht vor der Aufspaltung. Der langjährige Konzernchef Jean-Bernard Lévy hat wegen strategischer Differenzen aufgegeben. Analysten erwarten jetzt den Verkauf milliardenschwerer Beteiligungen, um das kriselnde Mobilfunkgeschäft zu retten.
Jean-Bernard Lévy: Zerwürfnis nach zehn Jahren an der Vivendi-Spitze
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Paris - Wegen eines Streits um die weitere Strategie verlässt Vivendi-Chef Jean-Bernard Lévy den französischen Telekommunikations- und Medienriesen. Das Unternehmen bestätigte am Donnerstag entsprechende Medienberichte und räumte dabei auch den Dissens über die weitere Ausrichtung des Konzerns offen ein.
Als Nachfolger von Lévy ernannte der Verwaltungsrat den bisherigen Chefjustiziar Jean-François Dubos. Dubos hatte diesen Posten schon seit 1994 im Vorgängerunternehmen Compagnie Générale des Eaux inne, das auf eine 160-jährige Tradition zurückblickt und neben
Vivendi auch in
Veolia aufging. Vivendis wichtigste Sparte, der Mobilfunkanbieter SFR, soll künftig vom bisherigen Personalchef Stéphane Roussel geleitet werden. SFR setzt derzeit die wachsende Billigkonkurrenz zu.
Wie auch der Rivale France
Telecom liefert sich SFR einen heftigen Preiskampf mit Free Mobile, dem Neuankömmling auf dem französischen Mobilfunkmarkt. Lévy setzte deshalb Ende März den aus Deutschland stammenden Frank Esser als SFR-Chef ab und übernahm die Aufgabe selbst.
Lévy war zehn Jahren in dem französischen Unternehmen tätig, davon sieben an dessen Spitze. Seine Karriere hatte er bei France Telecom begonnen und unter bürgerlichen Regierungen auch verschiedene Staatsposten bekleidet. Er sah sich zuletzt Forderungen von Anlegern nach einer Umstrukturierung des Konzerns ausgesetzt. Investoren sind enttäuscht, weil der Aktienkurs des Konzerns nahe eines Neun-Jahres-Tiefs vor sich hin dümpelt.
Von Marokko bis Videospiele - alles kann raus
Am Markt kamen die Berichte über den Abgang von Lévy gut an. Die meisten Analysten erwarteten, dass mit dem Wechsel an der Unternehmensspitze auch die bisherige Strategie aufgegeben werde. Gilles Guibout von der Versicherung Axa sagte, das Szenario von Verkäufen einzelner Unternehmensteile werde wahrscheinlicher.
Allein erst 2007 übernommene US-Videospielehersteller Activision
Blizzard, einer der wichtigsten Wachstumsbringer und Marktführer in seinem Segment, wiegt mit zehn Milliarden Euro an der Börse fast so viel wie der gesamte Konzern. Auch die marokkanische Telekommunikationsfirma Maroc Telecom wird als Verkaufskandidat für gut fünf Milliarden Euro gehandelt. Zu Vivendi gehören auch der Bezahlfernsehanbieter Canal+ sowie die Film- und Musikfirma Universal.
Die japanische Investmentbank Nomura hob das Kursziel an und empfahl den Kauf der Aktie, ebenso wie JP Morgan. Polo Tang von der Schweizer UBS gab zu bedenken, der fehlende Spielraum beim Kreditrating und die Probleme von SFR böten weiterhin Anlass zur Sorge. Patrick Kirby von der Deutschen Bank erklärte, die Bilanz des Unternehmens sei "eng gestrickt", was einer Umstrukturierung die Attraktivität nehme, falls der Schuldenabbau Priorität erhalte.
Bislang hat die
Vivendi-Aktie in diesem Jahr rund 18 Prozent an Wert verloren. Am Donnerstag legte sie mehr als 5 Prozent zu, am Freitag ging es nach der Bestätigung der Rücktrittsmeldung um weitere 2 Prozent aufwärts.