Deutsche Telekom "Niederschmetternde Statistik"
Köln - Die nächsten Monate sind für René Obermann die entscheidenden. Der Telekom-Chef wird zeigen müssen, dass er nach der recht erfolgreichen Sanierung des Deutschland-Geschäfts nun auch die schwächelnden Auslandsmärkte in den Griff bekommt. Zwar läuft Obermanns Vorstandsvertrag erst im Herbst 2011 aus, aber Aufsichtsrat und Aktionäre erwarten sicherlich schon früher Resultate.
Nicht, dass die Verlängerung des Kontraktes derzeit ernsthaft gefährdet wäre. Doch auf der Hauptversammlung in der Kölner Lanxess-Arena muss Obermann sich einige Kritik gefallen lassen. Schließlich hat er selbst seinen Erfolg an die Entwicklung des Aktienkurses geknüpft - und der lässt immer noch zu wünschen übrig: Auch im laufenden Jahr, das eine leichte Steigerung des Leitindex Dax mit sich brachte, verlor die T-Aktie rund 6 Prozent.
Zwar sagt Obermann in seiner etwa 45-minütigen Rede, auf längere Sicht habe das Papier - Dividende eingerechnet - sich "in etwa auf Dax-Niveau" entwickelt. So gesehen sei die Telekom-Aktie doch "kein so schlechtes Investment". Leidgeprüfte Anteilseigner kann Obermann damit jedoch nicht überzeugen: Von einer "niederschmetternden Statistik" spricht Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer der Deutsche-Bank-Tochter DWS, drittgrößter privater Investor der Telekom.
Problem Nummer eins: der stotternde Wachstumsmotor T-Mobile USA. Die amerikanische Mobilfunktochter büßte zuletzt Vertragskunden und Umsatzzuwächse ein, während die Kapitalkosten hoch blieben. Telekom-Finanzchef Timotheus Höttges erklärt auf der Hauptversammlung, die Telekom werde in diesem und auch in den kommenden Jahren Investitionen in der Größenordnung von jeweils drei Milliarden Euro tätigen. Leistungsfähigere Netze, so die Hoffnung des Unternehmens, sollen T-Mobile USA wieder zu stärkerem Wachstum verhelfen.
Doch Aktionäre bezweifeln den Erfolg. In den kommenden Jahren, warnte DWS-Chef Kaldemorgen in der aktuellen Ausgabe des manager magazins, werde T-Mobile USA "gewaltige Summen beanspruchen, obwohl die Renditen absehbar unter Druck geraten." Kaldemorgen plädiert für eine Partnerschaft der US-Tochter mit einem kapitalstarken Unternehmen.
Zusätzlicher Ärger in den USA bereitet der Telekom derzeit die amerikanische Gewerkschaft CWA. Eigens aus den Vereinigten Staaten angereiste Arbeitnehmervertreter werfen der Telekom "Wild-West-Methoden" vor: Das Management vor Ort, so der Vorwurf, unterbinde gezielt jegliche gewerkschaftliche Organisation seiner Mitarbeiter. "Unter den Beschäftigten", heißt es auf einem Flugblatt, "herrscht ein Klima der Angst." Wie manager magazin bereits berichtete (siehe Ausgabe 04/2010), bereitet die US-Gewerkschaft derzeit eine Beschwerde bei der OECD gegen die Telekom vor. Das Unternehmen streitet jegliche Vorwürfe ab.
Problem Nummer zwei: Während die Telekom weltweit Milliarden in ihre Netze steckt, kassieren andere die Gewinne - große Internetkonzerne wie beispielsweise Google. Großaktionär Kaldemorgen bezeichnet solche Web-Unternehmen, die kein eigenes Netz besitzen, als Trittbrettfahrer: "Die Deutsche Telekom macht den Weg frei und führt den Apples und Googles dieser Welt unentgeltlich Kunden zu."
Langfristig werden Netzbetreiber wie die Telekom wohl über Modelle nachdenken müssen, solche Anbieter von Web-Inhalten zur Kasse zu bitten - beispielsweise über Umsatzbeteiligungen bei besonders datenintensiven Premiumdiensten. Bislang schaffen Telekom und Co. es jedenfalls nicht, mit eigenem Internet-Content - ob Applikationen, Filme oder Spiele - spektakuläre Erlöse zu erzielen.
Solange diese Kernprobleme ungelöst bleiben, hat die T-Aktie kaum Chancen auf eine spürbare Erholung.