Funkfrequenzen Versteigerung in Gefahr

Mit der Versteigerung von Funkfrequenzen wollte die Regierung 2010 einen Milliardenbetrag einnehmen. Nun droht der Auktion vorerst das Aus: Die EU-Kommission lässt ihre Muskeln spielen und bereitet ein Verfahren wegen Vertragsverletzung vor. Damit bietet Kommissarin Viviane Reding den kleinen Mobilfunkanbietern Rückendeckung.

Hamburg - Wenn Herr Kurth und Frau Reding aufeinandertreffen, ist Streit programmiert. Ob Handygebühren oder das schnelle VDSL-Netz: Der deutsche Chefregulierer Matthias Kurth und die EU-Kommissarin Viviane Reding rangeln regelmäßig um Zuständigkeiten und Machtbereiche.

Zuletzt gerieten beide wegen der geplanten Versteigerung neuer Mobilfunkfrequenzen aneinander, die Kurth im Frühjahr kommenden Jahres über die Bühne bringen will. Da kleinere Mobilfunkbetreiber wie E-Plus und O2 benachteiligt werden könnten, forderte Reding die Bundesnetzagentur auf, die geplanten Auktionsregeln noch einmal zu überdenken. Die Netzagentur und ihr Beirat wiesen ihre Bedenken zurück und kassieren die Quittung dafür wohl noch in diesem Jahr: Laut SPIEGEL bereitet die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren vor. Ein entsprechendes Verwaltungsschreiben soll demnach noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.

Solche Drohgebärden ist die Netzagentur zwar gewohnt - doch die Auswirkungen wären in diesem Fall enorm. Experten schätzen den Ertrag, den die Bundesregierung bei der Lizenzauktion erlösen würde, im einstelligen Milliardenbereich. Sollte das Verfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet werden, müsste die Versteigerung wohl verschoben werden - und die Hoffnungen der Regierung auf einen dringend benötigten Geldregen im zweiten Quartal 2010 wäre passé.

"Möglich wäre auch, dass die Netzagentur die Auktion trotz eines EU-Verfahrens durchführt", sagte ein E-Plus-Sprecher gegenüber manager-magazin.de. "Das würde für die Teilnehmer aber eine große Rechtsunsicherheit bedeuten. Man weiß schließlich nicht, ob man die Lizenzen, die man ersteigert hat, auch behalten darf."

E-Plus bekäme durch ein Verfahren seitens der EU Rückendeckung. Der Anbieter schlug bereits vor einigen Wochen Alarm, als die neuen Auktionsregeln bekannt wurden: Im Bereich um 800 Megahertz werden Frequenzen versteigert, die für die Mobilfunkanbieter besonders effizient sind. Die Lizenzen der sogenannten digitalen Dividende sollen blockweise verteilt werden: Sowohl die D-Netz-Betreiber T-Mobile und Vodafone als auch die E-Netz-Betreiber E-Plus und O2 können je zwei Frequenzblöcke ersteigern - insgesamt stehen aber nur sechs Blöcke zur Verfügung. Die Kleinen fürchten deshalb, mit den Geboten von Vodafone und T-Mobile nicht mithalten zu können. "Wir teilen die gleichen Bedenken wie die EU-Kommission", so der E-Plus-Sprecher. Seit mehreren Wochen bereite das Unternehmen eine Klage gegen die Netzagentur vor.

Zudem habe ein neuer Anbieter nach den derzeitigen Regeln erst recht keine Chance, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, so Mobilfunkexperte Torsten Gerpott, Professor an der Universität Duisburg-Essen. "Es wäre wahnwitzig, unter diesen Umständen in den Markt einzutreten."

Allerdings muss es nicht zwingend zu einem Verfahren kommen. "Ab und zu pocht die Kommission auf ihre Kompetenzen", so Gerpott. "Ob rechtliche Schritte eingeleitet werden, liegt allein im Ermessen der EU-Verantwortlichen."

Und die ärgern sich offensichtlich über Kurths harsche Reaktion auf die EU-Kritik: Er hatte eine Einmischung der EU in dieser Frage abgelehnt. "Eine ungleiche Verteilung des Spektrums zieht nicht automatisch ungleiche Wettbewerbschancen nach sich", wandte der Chefregulierer ein - für Frau Reding ein Affront, der schon bald Konsequenzen haben dürfte.

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