Commerzbank-CIO Der IT-Leiter als moderner Fünfkämpfer
Hamburg - Commerzbank-CIO Peter Leukert fasst die fünf zentralen Aufgabenfelder eines IT-Leiters folgendermaßen zusammen:
I. Personalmanager
Der CIO ist ein Personalmanager. Denn Unternehmen agieren nur dann erfolgreich, wenn sie ihre Mitarbeiter mit den passenden Fähigkeiten an den richtigen Stellen einsetzen. Dennoch bleibt ein Problem: Mitarbeiter erliegen den Verlockungen höherer Löhne in anderen Firmen. Doch die Commerzbank könne laut Leukert zum einen nicht so hohe Gehälter zahlen, wie andere Unternehmen das machen. Andererseits verfüge das Institut nicht über das Image einer coolen Company wie es etwa Google hat. Also muss Leukert den Mitarbeitern etwas anderes bieten, das sie bei der Commerzbank hält. Der CIO hat zu diesem Zweck neue Karrieremöglichkeiten geschaffen.
Zwar gibt es bei der Commerzbank nach wie vor die klassische Laufbahn, doch das reiche nicht mehr aus. Das Institut hat eine zweite Linie geschaffen: die Projektmanagement-Karriere. Außerdem gibt es viele neue Spezialistenlaufbahnen. Das Entscheidende daran ist: Alle Laufbahnen führen bis nach oben ins Management. Für jeden Mitarbeiter gibt es einen individuellen Entwicklungsplan.
Welche Qualifikationen der Mitarbeiter braucht, ermittelt Leukert anhand der Anforderungen künftiger Projekte. Dabei tut sich meist eine Lücke zwischen Wissensbedarf und vorhandenen Qualifikationen auf. Diese muss das Management füllen: Entweder durch Einstellungen oder durch die Weiterbildung der vorhandenen Mitarbeiter. Gerade die Mitarbeiterqualifikation gehört für Leukert zu den wichtigsten Aufgaben des Managements.
II. Kundenmanager
Das Spannungsfeld zwischen IT und Kunden umreißt Leukert für die Commerzbank in drei Punkten:
- Neben der nötigen Kunden- und Serviceorientierung müssen Unternehmen effizient und günstig arbeiten. Zugleich sollen sie dem Kunden auf Augenhöhe begegnen und beraten.
- IT-Services differenziert für jeden internen Kunden wie Investment- und Retailbanking liefern. Anderseits muss die IT gemeinsame Systeme und Infrastrukturen nutzen. Leukert verglich diese Struktur mit dem Waschmaschinenmarkt: So tummeln sich dort mehr als 50 verschiedene Anbieter, aber es gibt nur zwei Hersteller von Waschtrommeln. Sprich: Nach außen hin gibt es eine große Vielfalt, aber im Hintergrund läuft alles in einer homogenen Infrastruktur ab.
- Die IT muss dem Kunden als ein verlässlicher Partner gegenübertreten. Andererseits muss sie sich mit dem Markt messen lassen und jedem Benchmark standhalten.
Beschaffungs-, Innovations- und Komplexitätsmanager
III. Beschaffungsmanager
Grundsätzlich fährt die IT eine restriktive Linie gegenüber Outsourcing: Fast alles betreibt die Bank selbst. Es gibt nur wenige Ausnahmen wie das Outsourcing der Desktop-Services an HP.
Die Entscheidung für Outsourcing hat die Commerzbank an sechs Bedingungen geknüpft:
- Es gibt einen liquiden Markt, der Benchmarks und den Wechsel des Anbieters zulässt.
- Transparenz bezüglich der ökonomischen Hebel des Anbieters.
- Die Optimierung der internen IT stößt an Grenzen.
- Ausreichende Kompetenz und Ressourcen an den Schnittstellen zwischen der Bank und dem Anbieter.
- Der Anbieter garantiert die Einhaltung sämtlicher Vorschriften der Aufsicht.
- Die Bank kann die Remanenzkosten tatsächlich abbauen.
IV. Innovationsmanager
Zwar sollte der CIO auch ein Innovationsmanager sein. Aber bisher gibt so etwas noch selten zu sehen. So lässt sich zum Beispiel das Produktmanagement durch Web-2.0-Funktionen auslagern. Aber das machen Banken noch selten, weil es noch keine reifen Technologien gibt.
V. Komplexitätsmanager
Niemand habe bisher richtig verstanden, wie Komplexität wachse und wie man sie beherrsche. Weil es zu diesem Thema nichts Systematisches gebe, hat Leukert eigene Erklärungsversuche parat: Wie Komplexität entsteht und warum man sie so schwer in den Griff bekommt.
- Komplexität ist unumkehrbar. Sie schleicht sich langsam ein und kann nur mit großen Aufwand wieder zurück gefahren werden.
- Komplexität ist nicht lokal. Sie entsteht dezentral in einzelnen Anwendungen und an einzelnen Schnittstellen. Die Folgen zeigen sich erst im globalen Zusammenspiel der Anwendungen, zum Beispiel bei Integrationstests.
- Komplexität lässt sich (bisher) nicht messen. Weder in der wissenschaftlichen Literatur noch in der Praxis gibt es brauchbare Maße für IT-Komplexität.
Komplexes in den Griff bekommen
Um Komplexität dennoch besser managen zu können, machte CIO Leukert einige Vorschläge.
Den Komplexitätsanstieg bremsen
- Bei Designentscheidungen in Projekten die Komplexität berücksichtigen.
- Einen Komplexitätsindex für (Sub-)Domänen und Anwendungen definieren.
- Eindeutige Szenarien für Komplexitätszuwachs im Geschäftssystem einfordern.
Komplexität reduzieren
- Nicht-wertschöpfende Komplexität im Geschäftssystem reduzieren (zum Beispiel Produktvarianten).
- Anwendungsarchitektur in Projekten reduzieren (wie Konsolidierung).
Auch bei der anstehenden Fusion mit der Dresdner Bank muss Leukert eine Menge Komplexität steuern. Es werde keinen Wettbewerb zwischen den beiden Banken-ITs geben, sondern eine harte Migration der Dresdner Bank auf die Plattform der Commerzbank. Das sei eine Top-Down-Entscheidung der Commerzbank. Anders ließe sich eine solch große Übernahmen nicht meistern.
Bis auf wenige Ausnahmen werden dabei immer die Systeme der Commerzbank genommen. Sonderfälle gibt es nur in Bereichen, in denen die Commerzbank das Geschäftsmodell ändern wird oder neue Geschäftsfelder von der Dresdner hinzukommen und dort, wo es die Bank mehr als 50 Millionen Euro kosten würde.
Ende 2010 will Leukert die Migration beendet haben. Die kurze Zeitspanne wäre dann bei einem Projekt in der Größe ein Europarekord. Um dies zu schaffen, kam er wieder zurück zum Ausgangspunkt, der Mitarbeitermotivation.
Sie sei besonders wichtig, weil die IT-Mitarbeiter viel leisten müssen. Als Ansporn gibt es für alle Beteiligten eine Laufbahn in der neuen Bank. Motivation funktioniere nicht nur mit Geld. Vielmehr müsse der CIO den Mitarbeitern Perspektiven aufzeigen - daher gebe die IT viel Geld für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter aus.