IT-Management Der CIO ist der CPO

Einige IT-Manager haben früh gelernt, in Geschäftsprozessen zu denken. Die sogenannten CPOs bewegen sich zwischen zwei Welten: Sie bringen mehr IT-Verständnis mit als ein kaufmännischer Vorstand und kennen sich gleichzeitig besser als ein Informatiker in der Gedankenwelt der Betriebswirte aus.

Saarbrücken - Fünf Jahre ist es nun her, dass Nicholas Carr mit seinem Artikel "IT does not matter" leidenschaftliche Diskussionen in der IT-Gemeinde auslöste. Dabei hatte der Autor der "Harvard Business Review" nur ausgedrückt, was sich seit Jahren manifestiert: Hard- und Software entwickeln sich zur austauschbaren Gütern, mit Informationstechnik allein ist kein Wettbewerbsvorteil mehr zu erzielen.

Heute zweifelt seine damals provozierende These kein IT-Manager mehr an. Vorbei sind die Zeiten, als auf Vorstandssitzungen darüber entschieden wurde, welche Informationstechnik installiert werden soll. Häufig liegt heute das IT-Budget bei den Fachabteilungen für Vertrieb, Personal oder Produktion, die sich ihre Anwendungen selber aussuchen.

Längst ist es selbstverständlich geworden, dass Nutzer über das Internet telefonieren, kleine Backend-Programme für die Reisekostenabrechnung, Bestellverwaltung oder Webkollaboration selbst aus dem Netz herunterladen. Die Softwarehersteller fördern diesen Trend durch Software as a Service: Sie bieten über das Internet Programme zur Miete an, was aufwendige Implementierungen spart.

Computer sind so stark zum Allgemeingut geworden, dass die Analysten von Gartner von der "Konsumerisierung der IT" sprechen. Der einzelne Nutzer baut sich privat komplexe digitale Umgebungen auf und weiß über innovative Produkte oft besser Bescheid als der IT-Experte im Unternehmen.

Schwere Zeiten für den IT-Chef: Braucht man ihn überhaupt noch? Welche Rolle kann der Chief Information Officer spielen? In einem Kommentar für den "Harvard Business Manager"  habe ich 2004 für die neue Positionierung des CIO als Chief Process Officer (CPO) plädiert. Um nicht bedeutungs- und machtlos zu werden, müsse sich der IT-Manager um prozessunterstützende IT-Systeme kümmern - vor allem aber um die Schnittstelle zwischen Geschäft, Organisation und IT. Denn hier liegt das Potenzial für Produktivität, Flexibilität und Rentabilität.

Einige IT-Chefs haben diese Zeichen der Zeit früh erkannt und für sich eine neue Perspektive entwickelt. Sie haben sich stärker der Organisation zugewandt und strategische Verantwortung übernommen. Als Prozessmanager optimieren sie die abteilungsübergreifenden Wertschöpfungsketten mithilfe ihres IT-Know-hows und sind mittlerweile respektierte Partner der Fachabteilungen. IT hatte schon immer die Aufgabe, Abläufe und Organisationskonzepte zu verändern. Nur vorübergehend mit der Dezentralisierung und der Herausforderung, die wuchernden Systeme zu integrieren, drängte sich die Technik in den Vordergrund und wurde so teilweise fast zu einem Selbstzweck.

Ein Job für Hybrid-Experten

Ein Job für Hybrid-Experten

Geschäftsprozessmanagement ist in den vergangenen Jahren zum zentralen Thema in den Unternehmen geworden. Einen starken Schub hat es durch die gesetzlichen Anforderungen an Compliance und Governance erfahren, die eine permanente Transparenz über alle Vorgänge im Unternehmen erzwingen wollen.

Dabei hat sich die Arbeitsteilung durchgesetzt, dass die Fachressorts ihre Organisation selbst verbessern und IT die Technikressourcen plant und steuert. Das ist gut und richtig so. Schließlich kennen die Fachabteilungen ihre Prozesse am besten und wissen, wo sie schneller, effizienter oder kundenorientierter werden müssen. Hunderte von Unternehmen schlagen daraus Kapital, dass Fachabteilungen und IT Hand in Hand eine Prozessorganisation eingeführt haben, die bessere Leistungen erzielt.

Der Wandel zum Prozessunternehmen stellt in der nächsten Phase nicht nur den CIO vor neue Herausforderungen. Das gesamte Machtgefüge in Unternehmen ist tangiert. Bei den Vorreiterfirmen etabliert sich eine Art Parallelorganisation. Zusätzlich zu den klassischen Ressorts Finanzen, Personal, Marketing oder Vertrieb gibt es Leitungskomitees oder eine Projektorganisation, an deren Spitze der Prozesstreiber steht. Nicht selten sind es die CIOs, die diese innovativen Organisationsstrukturen vorantreiben und so eine mächtige Position einnehmen.

Wandler zwischen den Welten

Diese ressortübergreifende Organisation kann nur eine Führungskraft leiten, die in komplexen End-to-End-Prozessketten denkt und die Technologien beherrscht, um sie umzusetzen. Ein stringenter Ablauf vom Auftrag bis zur Bezahlung setzt voraus, dass er alle Tätigkeiten von der Bestellaufnahme über die Produktion bis zum Rechnungseingang kennt und die bereichsübergreifenden IT-Anwendungen für die digitale Abwicklung implementiert.

Ein aufstrebender Prozessmanager muss ein Wandler zwischen den Welten sein, der mehr IT-Verständnis mitbringt als ein kaufmännischer Vorstand und gleichzeitig besser als ein Informatiker in der Gedankenwelt der Betriebswirte daheim ist. Das ist ein Job für Hybrid-Experten, die zudem die Innovationspotenziale von Technologie und Organisation kennen, Risiken und Chancen einschätzen und eine Stimmung erzeugen können, die herausragende Leistungen hervorbringt.

Die IT-Hersteller bemühen sich derzeit sehr, ihre Architekturen und Inhalte dem Prozessgedanken anzupassen. Das erleichtert die Verbindung zwischen IT und Organisation, die für das Prozessunternehmen essenziell ist. Weiterhin stärkt dies den strategisch denkenden IT-Managern den Rücken, weil sie den Fachressorts mehr Flexibilität in den Prozessen liefern können.

Auch wenn sich der Titel Chief Process Officer bislang nicht durchgesetzt hat, kenne ich viele CIOs, die ihn verdienen. Mit ihrem Denken und Handeln haben sie nicht nur die IT-Landschaften und Geschäftsprozesse in ihren Unternehmen verändert, womit diese die Geschäftsleistung nachweisbar erhöhen konnten. Viel mehr tragen sie zu einer neuen Unternehmenskultur bei, die Abteilungsbarrieren abbaut und ein partizipatives Miteinander ermöglicht.

Dem alten Traum der Organisationswissenschaftler von einem Unternehmen, in dem alle Mitarbeiter informiert sind, die Zusammenhänge erkennen können und durch Technik in die Lage versetzt werden, das Richtige schnell zu tun, kommt man so einen Schritt näher. Der CPO gehört zu den Architekten dieses neuen Unternehmenstyps.

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