Vertrauensranking Neuanfang mit alten Seilschaften?
Leipzig - Infineon bekommt einen neuen Chef, Wolfgang Ziebart muss gehen. Bevor diese Entscheidung offiziell bekannt gegeben wurde, hatte Strippenzieher Max Dietrich Kley, seines Zeichens Aufsichtsratschef des Chipherstellers, allerhand Porzellan zerschlagen. Mal wieder.

CTI extrem: Im aktuellen Vertrauensranking konnten Volkswagen und Lufthansa ihre Werte halten und befinden sich damit an der Spitze. Am Verliererende hält sich unverändert der skandalumtoste Siemens-Konzern; größter Absteiger ist Infineon. Die Konzernvorstände (v. l.): Martin Winterkorn, Wolfgang Mayrhuber, Wolfgang Ziebart, Peter Löscher
Foto: [M] DPA, Andreas PohlmannDenn Infineon macht seit Jahren immer wieder die gleichen Fehler. Dabei hatte die Geschichte des Chipherstellers eine gute Ausgangsbasis. Von Siemens 1999 als Spin-off ins Leben gerufen, sollte Infineon das konjunkturabhängige und nicht recht zu Siemens passende Chipgeschäft selbstständig zum Erfolg führen.
Davon ist 2008 nicht viel zu sehen - "in acht Jahren seiner Geschichte schrieb der Konzern sechsmal Verluste" ("Süddeutsche Zeitung" vom 20. Mai) Auch im Vertrauensranking von PMG Presse-Monitor und der Universität Leipzig liegt der Konzern mit einem Wert von minus 24,3 auf dem vorletzten Platz (auf einer Skala von plus 100 bis minus 150 Punkten, siehe Methode). Insgesamt bewerteten 55 Artikel in den wichtigsten Medien Deutschlands den Konzern bezüglich seines öffentlichen Vertrauens. Nur Siemens genoss noch weniger Vertrauen. Dabei ist der offizielle Rückzug Ziebarts noch nicht einmal berücksichtigt.
Es stellt sich die Frage, wie es soweit kam. Denn vor vier Wochen konnte Infineon noch den 23. Platz belegen, seitdem geht es steil bergab.
Dabei fallen die Verquickungen mit dem Siemens-Konzern immer stärker negativ auf. Eigentlich sollte Infineon sich in der Chipherstellerbranche besser aufstellen als Siemens. Stattdessen ist der Konzern voller "alter Siemens-Seilschaften" ("Handelsblatt" vom 19. Mai), die bereits zu Siemens-Zeiten Schlüsselpositionen besetzten und Infineon noch heute lenken.
"Provinzposse" im "Intrigantenstadl"
"Provinzposse" im "Intrigantenstadl"
Zudem hat Infineon zahlreiche Probleme zu lösen, die über die Zukunft des Konzerns entscheiden werden. Die Medien sind deshalb jedoch skeptisch. Bei kaum einem Dax-Unternehmen fällt ein so geringes Vertrauen in Fach- und Problemlösungskompetenz auf wie bei Infineon, wobei der Aufsichtratsvorsitzende Kley aus genau diesem Grund bereits 2004 den Vorstand austauschte.
Nachfolger von Ulrich Schumacher wurde damals Wolfgang Ziebart. Der als bescheiden bekannte und im Konzern stets beliebte Manager versuchte, die Probleme zu lösen und gliederte 2006 die Speichersparte unter dem Namen Qimonda aus. Das neue Unternehmen sollte an der New Yorker Börse platziert werden und so den Besitzer wechseln. Ziebart hatte sich allerdings gründlich verrechnet. Noch heute sitzt Infineon auf dem Großteil der Aktien und hält 79 Prozent an Qimonda, das fleißig Verluste schreibt. Auch jüngste Spekulationen um einen etwaigen Verkauf von Qimonda an den japanischen Konkurrenten Elpida wurden von dessen Führung umgehend gedämpft.
Die Aufmerksamkeit der Medien erregte der Konzern, bei dem schlechte Zahlen kaum noch überraschen, durch die aktuelle Personaldebatte in der Führungsriege. Dabei spielte Aufsichtsratschef Kley ein bizarres Spiel: Einerseits demontierte er in den vergangenen Wochen den Vorstandsvorsitzenden Ziebart ("Infineon müsse sich stärker anstrengen", "FTD" 19. Mai), andererseits konnte er keinen Nachfolger präsentieren.
Kenner des Unternehmens sprechen im Hinblick auf den Vorstandswechsel 2004 von einem "Déjà-vu-Erlebnis" ("Handelsblatt" vom 19. Mai). Die Auseinandersetzung wurde nicht nur intern geführt, sondern als "Provinzposse" ("FAZ" vom 21. Mai) aus dem "Intrigantenstadl" ("FAZ" vom 17. Mai), bei der durch gezielte Indiskretion "Pläne" zur Ablösung des Vorstands in der "Börsen-Zeitung" publik gemacht wurden. Dabei spielt das eigentliche Verhalten des Vorstands nur eine untergeordnete Rolle der Aufsichtsrat bestimmt die Presseberichterstattung.
Ziebarts Leistungen der vergangenen Jahre wurden in den Medien tendenziell leicht positiv bewertet, wobei die Analysten der PMG vor allem Aussagen zur Problemlösungskompetenz des Vorstandschefs in der Presse fanden. Klar ist aber: das Kerngeschäft schwächelt. Daher überwiegen auch die kritischen Töne zu den Leistungen des Infineon-Vorstands leicht.
"Desaster für beide Seiten"
"Desaster für beide Seiten"
Bei den Mitarbeitern war er bis zuletzt beliebt, und die Medien bewerteten seinen Charakter positiv. Im Gegensatz zu Aufsichtsratschef Kley gilt Ziebart als umgänglich und bescheiden. Besonders seit dem 17. Mai, als Rücktrittsgerüchte in den Medien gestreut wurden, betonten die Meinungsführermedien ihr Vertrauen in Ziebart als Person.
Zum entscheidenden Konflikt geriet dabei die Frage nach einer möglichen Fusion mit NXP, der ehemaligen Halbleiterdivision von Philips , oder mit Freescale aus den USA. Ziebart galt als Gegner der Fusion, während Kley ohne Absprache mit dem Vorstand Gespräche forcierte. Analysten verschiedener Banken stehen einer möglichen Fusion kritisch gegenüber. Die Zweifel am Problemlösungspotenzial einer Fusion erscheinen allerdings berechtigt: das Kerngeschäft von NXP passt kaum zu Infineon, die Handychipsparte verkauft NXP im Herbst und das Restgeschäft gilt als "margenschwach" ("FTD" 20. Mai).
Auch wenn schon länger sicher schien, dass Ziebart um die Jahresmitte geht, äußerte sich der Konzern bislang überhaupt nicht offiziell zur Personalie, stattdessen wurden gezielte Indiskretionen gestreut. Entsprechend gering ist das öffentliche Vertrauen in das Kommunikationsverhalten von Infineon. "Die Kommunikation des CEO und die Unternehmenskommunikation über den CEO ist heute wichtiger denn je für Unternehmensreputation und öffentliches Vertrauen. Zu wenig Kommunikation oder keine klaren Ansagen werden bestraft, wenn dies von der Öffentlichkeit erwartet wird", kommentiert Vertrauensexperte Günter Bentele von der Universität Leipzig.
Der lange Schatten von Siemens
Der lange Schatten von Siemens
Nun steht die Interimsbesetzung des Vorstandsvorsitzes fest: Peter Bauer, wieder einmal ein Mann mit Siemens-Vergangenheit - was das Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens nicht stärkt, denn mit wirklichen Veränderungen bei Infineon ist weiter nicht zu rechnen. Bauer steht im Ruf, an der Demontage Ulrich Schumachers beteiligt gewesen zu sein. Zudem bestehen erhebliche Zweifel an seiner Fachkompetenz. Das "Handelsblatt" befand sogar, dass Bauer in den vergangenen Jahren "den Konzern in eine Sackgasse gelenkt" habe. Zudem sitzt er bereits seit 1999 im Infineon-Vorstand und habe offensichtlich keinen entscheidenden Beitrag zur Problemlösung im Konzern leisten können.
Das Grundproblem von Infineon in Bezug auf das öffentliche Vertrauen wird damit deutlich. Nach wie vor ist der Konzern von einem Netz "alter Siemens-Granden" ("Süddeutsche" vom 20. Mai) durchzogen, die offenbar genauso wenig Verantwortungsbewusstsein zeigen wie bei Siemens. "Kaum ein anderes Unternehmen im Deutschen Aktienindex" macht so wie Infineon "mit Intrigen und Skandalen" Schlagzeilen, fasste die "FAZ" am 17. Mai die Entwicklung des Chipherstellers zusammen. So verstrickte sich Infineon durch seine Personalwahl freiwillig in den Korruptionsskandal von Siemens, indem korrupte Manager wie Andreas von Zitzewitz Vorstandsposten erhielten.
Im Aufsichtsrat sitzt neben Ex-Siemens-Mann Kley auch der ehemalige Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer, der bereits 2007 über die Korruptionsaffäre bei Siemens gestürzt war. Trotz seiner Verwicklung in die Zahlungen an die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) übt er also weiterhin Einfluss auf Infineon aus. Daneben warfen bereits die Betriebsratswahlen 2006 ein schlechtes Licht auf die Arbeit der AUB bei Infineon. Das geringe Vertrauen in Ethik und Moral beim Siemens-Konzern färbt damit auf Infineon ab, ermittelten die PMG-Analysten.
Besonders deutlich wird das an den schlechten Vertrauenswerten zur Fachkompetenz des Managements. Neben Ziebart steht die gesamte Führungsebene am Pranger der Medien. Hier agieren vor allem branchenfremde Manager mit Siemens-Hintergrund dem "Konzern, der schon 1999 nichts mit dem Chipgeschäft anzufangen wusste" ("SZ" vom 19. Mai). Symptomatisch für diese Art des Managements bleibt jedoch vor allem der Aufsichtsratsvorsitzende Kley.
Max Dietrich Kley ist kein unbeschriebenes Blatt, wenn es um eigensinniges und intrigantes Management geht. Nach 2004 ("Schlafstörungen durch Schumachers Management") hat er nun bereits zum zweiten Mal einen Vorstandsvorsitzenden von Infineon in den Medien desavouiert.
"Argumenten nur mäßig zugänglich"
"Argumenten nur mäßig zugänglich"
Dabei haben ihm die Kommentatoren erneut einen problematischen Charakter attestiert, der vor allem durch hemmungslose Härte und egomanisches Verhalten auffällt. Er ist eine "schwierige Persönlichkeit, die Argumenten offenbar nur in Maßen zugänglich ist", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" am 20. Mai. Daneben hat er ohne Einbeziehung des Vorstands Fusionsgespräche eingeleitet.
Die Medien entzogen Infineon durch dieses Vorgehen das Vertrauen in die Fachkompetenz des Managements. Innerhalb von vier Wochen verfünffachte sich die Zahl der Artikel, die die Fachkompetenz des Konzerns negativ bewertete. Geringes Vertrauen in die Problemlösungskompetenz von Infineon wurde sechsmal so häufig thematisiert. Dabei drehte sich die Berichterstattung ab dem 15. Mai fast ausschließlich um das Verhalten des Aufsichtsratsvorsitzenden. Kley ist "schlicht überfordert" fasste die "FTD" die Kritik an Kleys Kompetenz am 19. Mai zusammen. Mit seiner Personalpolitik mache er "Infineon zur Lachnummer" ("FAZ" vom 21. Mai).
Die Ergebnisse des aktuellen Corporate Trust Index (CTI) zeigen deutlich: Ziebarts Rücktritt wird vermutlich nicht genügen. Ein erhebliches Kompetenzdefizit ist vor allem im Aufsichtsrat zu verzeichnen. Solange es hier keinen Wechsel gibt, wird auch ein neuer CEO keine Veränderungen bewirken können. Infineon muss den Ruf der Skandaltochter von Siemens dringend ablegen und gewährleisten, dass Ziebarts Nachfolger nicht ebenfalls vorbelastet und wenig vertrauenswürdig starten. Dazu müsste Infineon wieder mehr durch Fachkompetenz auffallen als durch Intrigen und Indiskretionen.
Martin Löser ist Medienanalyst und Consultant bei der PMG Presse-Monitor GmbH , Berlin. Das Unternehmen untersucht regelmäßig, wie Vertrauensfaktoren in den meinungsführenden Medien kommuniziert werden. Dabei kooperiert PMG mit Kommunikationsexperten, den Professoren Günter Bentele und Ansgar Zerfaß vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig.