Sarkozys Werbeverbot "In Deutschland undenkbar"
Düsseldorf/Frankfurt am Main "Eine eigene Steuer oder die Erhöhung einer bestehenden Steuer zur Kompensation von Werbeeinnahmen der Öffentlich-Rechtlichen ist in Deutschland undenkbar", sagte der ARD-Vorsitzende Fritz Raff dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe). Zudem könne die Werbewirtschaft auf die Programme der ARD nicht verzichten, sagte Raff. "Die werbetreibende Wirtschaft sieht die Werbeplätze in den öffentlich-rechtlichen Programmen als unverzichtbar an und hat in der Vergangenheit sogar bereits darauf gedrängt, die Werbemöglichkeiten zu erweitern."
Raff reagiert damit auf die Pläne von Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy, der in seiner Neujahrspressekonferenz ein Werbeverbot in den fünf Kanälen von France Télévisions angeregt hatte. Die öffentlich-rechtlichen Sender hätten den speziellen Auftrag, möglichst vielen Menschen einen Zugang zur Kultur zu verschaffen und die "französische Kreation" zu fördern. Sie könnten nicht nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien funktionieren, so Sarkozy.
Über die Gebühren deckt France Télévisions 60 Prozent seines Haushaltes. Als neue Quelle für die 760 Millionen Euro, die die Sender bislang jährlich durch Werbespots einnehmen, schlägt Sarkozy die Besteuerung der Werbeeinnahmen der Privaten sowie der Umsätze von Mobilfunk- und Internetanbietern vor, die Erhöhung der Rundfunkgebühr von 116 Euro gilt als Tabuthema. Für den Fall, dass die Werbe-Ausfälle nicht komplett aufgefangen werden könnten, erwägt die Regierung laut der Zeitung "Le Figaro" auch die Privatisierung einer der fünf öffentlich-rechtlichen Kanäle.
120.750 Euro für ein TV-Spot
Die Reaktion von Raff ist angesichts der Werbeeinnahmen der Öffentlich-Rechtlichen verständlich. Gerade teilte die ARD-Werbetochter Sales & Services die Preise für Werbespots während der Fußball-Europameisterschaft 2008 mit. Demnach müssen Unternehmen für einen 30 sekündigen Spot bis zu 120.750 Euro zahlen.
Den Höchstbetrag muss ein Unternehmen berappen, wenn es bei den "Eckplatzierungen" innerhalb der Werbeblöcke in den Halbzeitpausen der 18-Uhr-Spiele auf seine Produkte aufmerksam machen will. Der günstigste Spot ist für 18.000 Euro zu haben - dieser Betrag wird fällig für einen 30-Sekünder in der Vorberichterstattung gegen 18.50 Uhr vor einem 20.45-Uhr-Spiel. Geschäftsführer Achim Rohnke sagte, dass bei der Fußball-EM 2004 alle Spots innerhalb von einer Stunde verkauft worden seien. Der Verkauf in diesem Jahr beginnt an diesem Freitag.
Auch das ZDF ist gegen ein Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. ZDF-Sprecher Alexander Stock betonte, dass die Werbeeinnahmen den Gebührenzahler entlasten. Ohne Werbung und Sponsoring würde die Rundfunkgebühr, derzeit 17,03 Euro im Monat, nach Berechnungen der Gebührenkommission KEF um 1,42 Euro höher liegen, sagte er. "Wer sich daran erinnert, wie heftig vor vier Jahren über einige Cents mehr oder weniger gestritten wurde, der darf zweifeln, ob das durchsetzbar wäre."
Der Privatsenderverbands VPRT erneuerte dagegen seine Forderung nach einem Werbeverzicht. VPRT-Präsident Jürgen Doetz erwartet von der Entwicklung in Frankreich einen neuen Schub für die Diskussion um ein werbefreies öffentlich-rechtliches Fernsehen in Deutschland. "In ganz Europa wächst der Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen", sagte er. "Die gebührenfinanzierten Sender brauchen eine neue Legitimation, die sie durch die Aussage "Wir sind werbefrei" erhalten könnten." Die finanziellen Ausfälle sollten durch Einsparungen ausgeglichen werden.
Heftige Debatte in Frankreich
Heftige Debatte in Frankreich
In Frankreich hat Sarkozy mit seinem Vorstoß inzwischen eine heftige Debatte entfacht. Die linksgerichtete Zeitung "Libération" sieht in der Initiative einen Millionenscheck für Sarkozys befreundete Medienzaren von den Privatsendern, die sich den frei werdenden Teil vom Werbekuchen teilen könnten.
Vor der Gefahr einer "Destabilisierung der öffentlichen Sender und des gesamten Marktes" warnt der Präsident der Werbeagentur Zenith Optimedia, Sébastian Danet, in "Le Figaro". Die Gewerkschaft der öffentlich-rechtlichen Sendergruppe France Télévisions vermutet gar, der Staatschef wolle ihre Kanäle "ausbluten lassen". Der Präsident der Gruppe, Patrick de Carolis, sieht in den Plänen indes die Chance, den öffentlichen Sendern "zu einer stärkeren Identität zu verhelfen".
Zufriedenheit gibt es auch bei der privaten Konkurrenz. Es sei keine Anomalie, wenn öffentliche Sender öffentlich und private Sender privat finanziert würden, sagte der Chef des Privatkanals M6, Nicolas de Tevernost, zu "Libération". "Die Klärung ist notwendig, zum ersten Mal hat jemand den Mut, es zu machen." Sarkozys Vertrauter Martin Bouygues, Chef des größten Privatsenders TF1, enthielt sich jeder Stellungnahme. Die Aktien von M6 und TF1 waren nach Sarkozys Ankündigung vom Dienstag stark gestiegen.
Für die Werbebranche wäre die Reform eine "doppelt schlechte Nachricht", sagte Branchenexperte Danet. Einerseits würden die Werber die ältere Zielgruppe nicht mehr erreichen, die vorwiegend öffentlich-rechtlich schaue. Zum anderen drohten sich die Preise für die Werbeschaltungen wie in Großbritannien oder Deutschland zu verteuern. Für eine Umstellung würde viel Zeit benötigt.
manager-magazin.de mit Material von ap, ddp, dpa und dpa-afx