Twinbell Ein Handy, zwei Leitungen
München - Mit der Pleite der ehemaligen Siemens-Handysparte vor einem Jahr schien das Aus der Mobilfunkindustrie in Deutschland besiegelt. Doch mittlerweile wagen sich junge Firmen zumindest mit Nischenprodukten wieder auf den Markt.
Nach dem Seniorenhandyentwickler Fitage mit seinem Modell "Katharina das Große" und der Kinderhandyfirma Kandy Mobile wollen sechs junge Gründer Ende November ihr Glück mit einem eigenen Mobiltelefon versuchen. Die Absolventen der Technischen Universität München haben das Modell "Twinbell" entwickelt, das zwei SIM-Karten aufnehmen kann. So soll der Nutzer von zwei verschiedenen Nummern aus telefonieren und Anrufe annehmen können.
Das Modell ziele auf Kunden ab, die bislang ein geschäftliches und ein privates Telefon nutzen oder für häufige Auslandsreisen ein zweites Gerät mit sich herumtragen, erklärt Christian Deilmann, Chef des zu diesem Zweck gegründeten Unternehmens Bellpepper. "Dafür gibt es im deutschsprachigen Raum einen Markt von 600.000 bis 650.000 Handys pro Jahr", schätzt der Jungunternehmer.
In Deutschland werden mehr als 30 Millionen Neugeräte im Jahr verkauft. Gut 700 Kunden haben Deilmann zufolge über die Firmenwebsite das knapp 450 Euro teure Telefon vorbestellt. "Wir planen für nächstes Jahr mit 60.000 Geräten - ohne große Einzelaufträge", sagt der 25-jährige Bellpepper-Chef.
Auch E-Mails empfangbar
Auch E-Mails empfangbar
Das Unternehmen verhandle zudem mit den Mobilfunkanbietern und kleineren Dienstleistern ohne eigenes Netz. Sollte einer der großen Betreiber das Twinbell ins Angebot aufnehmen, könnten es weit mehr werden als die geplanten 60.000. Einer der vier großen Betreiber in Deutschland habe bereits Interesse signalisiert, das UMTS-Gerät in sein Programm für Unternehmenskunden aufzunehmen.
Die junge Firma hat das Telefon, das auch E-Mails von zwei verschiedenen Adressen empfangen und versenden kann und dessen Leitungen separat abschaltbar sind, zusammen mit einem großen Handyauftragsfertiger in China entwickelt, der auch für Branchenriesen wie Motorola und Nokia Mobilfunkapparate fertigt. Für Twinbell nutze Bellpepper eine Mobilfunkplattform des Spezialisten Qualcomm .
Für den Aufbau der Firma im Garchinger Technologiepark haben die Gründer bisher vor allem ihr eigenes Geld eingesetzt. "Wenn alles nach Plan läuft, sind wir dieses Jahr noch profitabel", sagt Finanzchef Johannes Pool. Für die nächsten Schritte suche Bellpepper allerdings Investoren. Im kommenden Jahr solle die Mitarbeiterzahl von derzeit zehn auf 40 aufgestockt werden. Der Werbeaufwand steige und die Entwicklung einer Kombination von Handy und PDA mit zwei SIM-Karten stehe an. Die Gründer wollen die Mehrheit dafür aber nicht aus den Händen geben.
Jens Hack, reuters