Telekom "Nicht die volle Wahrheit"

Im Streit um die geplante Ausgliederung von Arbeitsplätzen bei der Deutschen Telekom hat die Gewerkschaft den Ton weiter verschärft. Im Gespräch mit manager-magazin.de wirft Verdi-Verhandlungsführer Lothar Schröder der Telekom vor, die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Sparpläne zu täuschen.

mm.de: Herr Schröder, die Deutsche Telekom  ist der Gewerkschaft Verdi ein großes Stück entgegengekommen. Der Konzern hat eine Verlängerung des Kündigungsschutzes und den Verzicht auf einen Verkauf des neu geplanten Bereichs T-Service bis 2010 angeboten. Sie haben den Kompromissvorschlag abgelehnt. Warum?

Schröder: Das ist kein Kompromissvorschlag und auch kein Entgegenkommen gegenüber den Beschäftigten. Vielmehr wurde das Maß an Zumutungen noch gesteigert. So wurde eine Lohnkürzung um 12 Prozent angekündigt. Dies paart sich mit weiteren gravierenden Eingriffen, die bislang gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind. Die Deutsche Telekom will Zuschläge für besonders schwere Tätigkeiten streichen und 20 Prozent des Lohnes variabel halten. Für einen einfachen Monteur bei der T-Com bedeutet das folglich nicht nur 12 Prozent Kürzung sondern 27 Prozent Unsicherheit. Wenn die Telekom ihre Pläne durchsetzt, hat der Monteur rund 550 Euro weniger pro Monat im Geldbeutel.

Letztlich sind die geplanten Eingriffe in die Gehälter also viel tiefgreifender, als die Telekom dies nun behauptet. Sollte der Konzern sich damit durchsetzen, werden Menschen ihre Wohnungen verkaufen müssen und ihre Lebenskonzepte nicht mehr verwirklichen können.

Dazu kommt, dass die Telekom immer von einer Arbeitszeiterhöhung von 34 auf 38 Stunden spricht. Fakt ist jedoch, dass wir damit weit über der 40-Stunden-Woche liegen würden. Zwar soll die Regelarbeitszeit bei 38 Stunden liegen. Aber die Telekom kann im Jahr zusätzliche 100 Stunden von den Beschäftigten anfordern, die nicht zusätzlich entlohnt werden. Darüber hinaus sind Fahrten zu Kunden und Vorbereitungszeiten, die früher zur Arbeitszeit zählten, künftig in der Freizeit zu erbringen. Auch Pausenzeiten werden gekürzt.

mm.de: Sie werfen der Telekom also eine Verschleierung der Realität vor - oder zumindest eine Salamitaktik bei der Veröffentlichung ihrer Pläne.

Schröder: Korrekt. Man bringt nicht die volle Wahrheit an die Öffentlichkeit, sondern spricht lediglich von 12 Prozent Lohnkürzung - was schon schlimm genug ist. Diese Nachricht hat gestern wie eine Bombe eingeschlagen. Die Telekom ignoriert völlig, dass die Beschäftigten in der Vergangenheit bereits auf 6,7 Prozent ihres Gehalts verzichtet haben, um Beschäftigung zu sichern. Die heute kürzeren Arbeitszeiten sind Folge dieser freiwilligen Maßnahme. Nun sollen sie wieder verlängert und die Löhne gleichzeitig gesenkt werden. Wir reden hier von einem verteilungspolitischen Skandal.

"Verbittert und enttäuscht"

mm.de: Nun hat die Telekom stets betont, auf Ihre Zustimmung nicht angewiesen zu sein. Wie groß ist Ihre Sorge, dass der Konzern nun eigenmächtig tätig wird und die Service-Mitarbeiter kurzerhand ausgliedert?

Schröder: Die Telekom vernachlässigt bei ihren Plänen, dass ihr auch nach einer Auslagerung des Servicebereichs ruckzuck ein Tarifkonflikt ins Haus stehen würde. Eine eigenmächtige Ausgliederung würde also nur eine Verlagerung des Konflikts bedeuten. Wenn die Telekom tatsächlich einen solchen Schritt gehen will, werden wir in die Urabstimmung gehen und die Beschäftigten zum Arbeitskampf aufrufen. Das kann die Telekom gegenwärtig gar nicht brauchen.

Viele Mitarbeiter sind schon jetzt verbittert und enttäuscht. Wenn diese Beschäftigten jetzt noch gegen ihren Willen in Gesellschaften gedrängt werden, die sie nicht wollen, und das zu Bedingungen, die sie sich nicht leisten können, dann steht dieses Unternehmen bald Kopf.

mm.de: Wie akut ist ihrer Ansicht nach die Gefahr eines Verkaufs der geplanten Einheit T-Service?

Schröder: Diese Drohung höre ich immer wieder. Konzernchef René Obermann scheint inzwischen zwar verstanden zu haben, dass Service ein wesentlicher Bestandteil des Unternehmens ist. Verkaufspläne der Servicesparte setzen jedoch voraus, dass man erstens einen Käufer und zweitens einen Vorteil davon hat. Wie man den Service verbessern will, indem man die Leistungen extern erbringen lässt, ist mir jedoch schleierhaft.

Genauso fraglich ist, ob jemand ein Unternehmen kaufen will, das intern in großer Unordnung ist. Es gibt gegenwärtig im Servicebereich keine funktionierenden IT-Prozesse, auch die Arbeitsabläufe sind nicht ausreichend geordnet. Die Beschäftigten fordern deshalb: Bringt doch endlich das Arbeitsumfeld in Ordnung, damit wir unsere Produktivität entfalten können!

"Telekom geht unlauter vor"

mm.de: Die Service-Dienstleistungen des Konzerns seien schlicht und ergreifend nicht wettbewerbsfähig - zu teuer und zu schlecht. So argumentieren Telekom-Manager, aber auch Analysten, die die Ausgliederungspläne prinzipiell befürworten.

Schröder: Die Telekom geht beim Vergleich mit Mitbewerbern meiner Ansicht nach ziemlich unlauter vor. Ihre Callcenter vergleicht sie mit mittelständischen Callcenter-Strukturen einfachster Funktion - und vernachlässigt dabei, dass Telekom-Mitarbeiter auch komplexere technische Dienstleistungen erbringen und die gesamte Produktpalette kennen müssen. Wenn man beispielsweise die Bestellannahme für Neckermann als Benchmark für Telekom-Callcenter heranzieht, dann hat der Vorstand offensichtlich ein falsches Marktverständnis.

mm.de: Haben Sie einen Vorschlag, wie sich das Problem des mangelhaften Services beheben lässt?

Schröder: Wir haben dem Vorstand schon längst Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Wer den Service verbessern will, muss den dortigen Personalabbau zunächst stoppen. Wir sind bereit, über Lebensarbeitszeitkonten zu verhandeln. Damit könnten die Beschäftigten gegenwärtig mehr arbeiten, um Unzulänglichkeiten auszubügeln, und später davon profitieren. Doch dieser Vorschlag wird kaum aufgegriffen. In der Verhandlungskommission haben wir auch deutlich gemacht, dass wir uns eine begrenzte Variabilisierung der Gehälter vorstellen können.

Bei allem, was sich mit einer unmittelbaren Verbesserung des Services zusammenbringen lässt, werden wir die Tür nicht zuschlagen. Doch wir lassen uns nicht auf ein Billiglohnniveau herunterbügeln. In der Mobilfunksparte T-Mobile wird dies bereits versucht. Dort bekommen Mitarbeiter, die Billiglohnkräfte anwerben, eine Kopfprämie von 100 Euro.

"Management hat versagt"

mm.de: Zur Disposition steht derzeit auch die Geschäftskundensparte T-Systems. Sehen Sie hier ebenfalls Gefahren für die dortigen Mitarbeiter?

Schröder: Ich befürchte, dass die aktuellen Pläne der Festnetzsparte T-Com zur Blaupause für den gesamten Konzern werden - womöglich sogar für andere deutsche Unternehmen.

mm.de: Die Telekom hat vor allem auf dem Inlandsmarkt Probleme, Wachstum scheint nur noch im Ausland möglich. Wird der Konzern in den nächsten Jahren noch viel mehr Arbeitsplätze abbauen müssen?

Schröder: Spätestens ab 2009 wird die Telekom mit einer neuen, internetbasierten Netzwerkgeneration operieren. Das wird auf jeden Fall Rationalisierungspotenzial beinhalten. Gleichzeitig muss man sich auch nach neuen Märkten umsehen. Die Telekom liegt richtig, wenn sie auf Breitband setzt und dies mit mehr Kundennähe verknüpft. Wir sehen in anderen Ländern, dass hier die Märkte der Zukunft liegen. Diese Erfolgsmodelle gilt es nach Deutschland zu übertragen.

Im letzten Jahr gab es im Zusammenhang mit der Fußball-WM dagegen sehr großspurige Ankündigungen. Hochauflösendes Fernsehen über die Telefonleitungen und über Glasfaserkabel in die Haushalte zu bringen, hat letztlich nicht funktioniert. Hier hat das Management ganz offensichtlich versagt. Man muss seriöser und besser geplant in derartige Märkte eindringen.

mm.de: Obermann hat das Sparziel von mindestens 900 Millionen Euro pro Jahr ausgerufen. Halten Sie das für notwendig und realistisch?

Schröder: Dass die Telekom sparen muss, ist durchaus sinnvoll. Es ist allerdings fahrlässig, sich dieses Geld bei den Beschäftigten holen zu wollen. Dies würde dazu führen, dass das Unternehmen im Lauf des Jahres gelähmt wird. Genauso unlogisch wäre, bei einem Auto die Reifen abzumontieren, um es leichter und schneller zu machen.

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