Wettmonopol Kampf der Windmühlen
Frankfurt am Main - Die Stimmung ist extrem aufgeheizt. Unvereinbar stehen sich die Parteien gegenüber. Da wird denn auch auf dem Podium schon mal um das Mikrofon gerangelt, wenn sich der Vertreter des hessischen Innenministeriums, Heinrich Sievers, ausgerechnet mit Markus Maul, dem Präsidenten des Verbandes Europäischer Wettunternehmer, ein Mikrofon teilen muss.
Es geht um die anstehende Regulierung des Lotterie- und Sportwettengeschäfts in Deutschland. Und es geht um die Existenz privater Sportwettengesellschaften, der staatlichen Lotterie- und Sportwettenanbieter und um eine wichtige Finanzierungsquelle der Sportvereine - allen voran der Fußballklubs.
Ausgangspunkt ist der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts Ende März dieses Jahres. Die Richter haben festgestellt, dass das staatliche Monopol beim Glücksspiel in seiner bisherigen Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Sie haben die staatlichen Wettanbieter zur umfassenderen und effektiveren Suchtprävention verpflichtet - oder der Markt muss für private Anbieter geöffnet werden. Sie verneinten, dass mit dem Wettmonopol in seiner derzeitigen Form ein legitimes und besonders wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt wird, nämlich der Schutz des Bürgers vor den Gefahren der Spielsucht.
Verbot für private Wettanbieter
Fest steht derzeit, dass das staatliche Angebot nicht ausgeweitet werden darf und vor allem die Werbung für Wetten eingeschränkt werden muss. Den Bundesländern geht es um die Sicherung der Einnahmen ihrer Lotteriegesellschaften, die durch die am Markt aktiven privaten Anbieter sinken.
Zahlreiche Ministerpräsidenten reagierten schnell auf den Entscheid der Verfassungsrichter und setzen nun die höchstrichterliche Bestätigung des Sportwettenmonopols des Staates konsequent durch, indem sie private Anbieter in ihren Bundesländern verboten haben. Jetzt beschäftigen sich die Gerichte mit den Verboten. Der Gesetzgeber muss bis Ende 2007 eine neue Regelung finden.
Sievers, der beim hessischen Innenministerium für das Glücksspielwesen zuständig ist, heizt die Stimmung mit seinem Thesenpapier an. So stellt der Ministerialrat kompromisslos fest, dass nach dem Bundesverfassungsgerichtsentscheid die in Deutschland angebotenen privaten Sportwettangebote nicht nur "illegal" sind, sondern diese privaten Angebote ein "beschönigendes Synonym" für "kriminelle Sportwettangebote" sind.
"Verpflegungsstellen alternder Politiker"
"Verpflegungsstellen alternder Politiker"
Der neben ihm sitzende Verbandsfunktionär Maul gerät außer sich. Ob er ihn allen Ernstes als Kriminellen titulieren wolle, schäumt er. Sievers versucht einzulenken, auf dem Podium säßen keine Kriminellen, aber die privaten Wettanbieter würden nun mal gegen den Paragrafen 284 Strafgesetzbuch verstoßen. "Das ist die objektive Rechtslage", legt er nach. Objektive Rechtslage, zischt ein Zuhörer. Die Juristen seien sich selber nicht einig, was die objektive Rechtslage sei, kritisiert der Unternehmer.
Die Podiumsdiskussion zum Thema "Sportwetten am Wendepunkt" in der Frankfurter IHK driftet ins Polemische ab, was auch daran liegt, dass sich die Befürworter des Staatsmonopols beim Glücksspiel wie auch die privaten Anbieter seit langer Zeit gegenseitig beharken. Heinz-Georg Sundermann, Geschäftsführer der Lotterietreuhandgesellschaft mbH Hessen, wird denn auch wieder einmal vorgeworfen, dass die Lotteriegesellschaften nur als "Verpflegungsstellen alternder Politiker" diene. "Mit solchem Geschwätz wird doch nur Stimmung gemacht", blafft er zurück.
Nur für einen kurzen Moment kehrt ein wenig Ruhe ein, als der Vorstandschef der Digibet Wetten.de AG, Michael Hopfinger, bemerkt, dass der Berliner Markt nun "tot" sei. Seinem Unternehmen sei heute das Geschäft untersagt worden. "Seit heute sind wir die Leidtragenden der Hetzkampagne gegen private Wettanbieter", ruft er aus.
Politikern wird Versagen vorgeworfen
Dann geht es weiter im Programm. Der Sportwettenbeauftragte des Deutschen Fußballbundes (DFB), Wilfried Straub, beklagt das Versagen der Politiker, die richtigen ordnungspolitischen Entscheidungen zu treffen. Dieses Versagen führe dazu, dass dem deutschen Sport das Geld aus dem privaten Sportwettengeschäft verloren gehe. "Da kann man doch nicht tatenlos zuschauen", ruft er aus. Er versichert, dem staatlichen Anbieter Oddset wolle keiner "an den Kragen". Aber der Glücksspielmarkt müsse endlich liberalisiert werden, indem es Konzessionen für die privaten Anbieter gebe. Nur so könne der Sport endlich vom Tropf der politischen Förderung abgehängt werden.
Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass das staatliche Lotto- und Totomonopol zwar für die kommenden vier Jahre festgeschrieben wird, aber private Anbieter Konzessionen erhalten können. Die Umsätze im deutschen Sportwettenmarkt werden nach Angaben des Verbands Europäischer Wettunternehmer für 2006 auf 2,5 bis 3 Milliarden Euro geschätzt; die Analysten von SES Research setzen 3,6 Milliarden Euro an, wovon rund 11 Prozent auf den staatlichen Anbieter Oddset entfallen. Etwa 530 Millionen Euro sollen pro Jahr aus den Einnahmen der staatlichen Lotto- und Totoeinnahmen in Fördertöpfe fließen. Davon soll beispielsweise der Breitensport gefördert werden.
"Sport ist vom Glücksspiel abhängig"
"Sport ist vom Glücksspiel abhängig"
Dieses Argument, mit dem sich die staatlichen Glücksspielanbieter gegen eine Liberalisierung des Marktes stellen, zieht allerdings bei Peter Völker nicht. Er ist der erste Vorsitzende der Turngemeinde Bornheim 1860 e.V. und nach eigenen Angaben der zweitgrößte sogenannte Breitensportverein in Deutschland. "Der Breitensport, in dessen Name ja immer argumentiert wird, würde gerne mal was von den Geldern sehen", sagt er. Seiner Ansicht nach braucht der Breitensport die Lottogelder überhaupt nicht, sondern ein effizientes Management.
Das ist eine Behauptung, die Völker einen abschätzenden Blick von Andreas Eichler einbringt. Der kommissarische Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes stellt kategorisch klar: "Der Sport ist existenziell von den Erträgen aus dem Glückspiel abhängig." Pragmatisch fordert er: Bei der Neugestaltung des Glückspielmarktes müssten die finanziellen Mittel, die an den Sport fließen, mindestens auf dem bestehenden Niveau sichergestellt sein. Dabei sind Eichler die Gelder privater Sportwettenanbieter "zehnmal lieber". Nicht aus ordnungspolitischen Gründen, sondern weil an diese Gelder im Gegensatz zu den Mitteln aus den öffentlichen Fördertöpfen keine "Restriktionen" geknüpft seien.
Selbstredend herrscht auf dem Podium unter den Vertretern der Sportorganisationen und Sportwettenanbieter Einigkeit darüber, dass die Suchtprävention nur ein vorgeschobenes Argument ist. Wo sei die Suchtprävention bei dem 37-Millionen-Euro-Jackpot bei der Lottoziehung gewesen, fragt Hopfinger von Digibet Wetten.de, den direkt neben ihm sitzenden Sundermann von der hessischen Lotterietreuhandgesellschaft. "Ab 25 Millionen Euro haben wir nicht mehr geworben", antwortet der lahm, was ihm das Gelächter der Zuhörer einbringt. Sein Versuch der Erklärung, dass der Einsatz der Lottospieler nach der Ziehung der Gewinner des 36-Millionen-Euro-Jackpots gleich wieder gesunken sei, kommentiert Hopfinger: "Das verstehen die staatlichen Anbieter unter Kanalisierung der Spielsucht."
"Das ist doch nur ein Kampf um die eigenen Pfründe, um den Erhalt der Macht", echauffiert sich Stefan Ziffzer, Geschäftsleitungsvorsitzender des TSV München von 1860. Er wisse als Ex-Juso, wovon er spreche, wenn er diese Diskussion als Heuchelei bezeichne. Volkswirtschaftlich gesehen sei nun mal dumm, die privaten Anbieter nicht zuzulassen. Denn durch die Anbieter werde nicht nur die Bemessungsgrundlage erhöht. "Wenn wir am Staatsmonopol festhalten, wird das Geld über die Grenzen ablaufen", sagt er, denn längst sei der Wettmarkt ein globaler Markt. Ziffzer: "Der Staat führt wieder einmal einen Kampf gegen Windmühlen."