Monopole "Die Davids müssen kämpfen"

Erfolgreich hat die Bundesnetzagentur das Monopol der Telekom aufgebrochen. Doch an der Frage, ob der Bonner Konzern Wettbewerber in sein neues Netz lassen muss, scheiden sich die Geister. Mit Matthias Kurth, dem Chef der Bundesnetzagentur, sprach manager-magazin.de über Macht, Pioniergewinne und den Aufstieg der Wettbeweber.
Von Karsten Langer

mm.de:

Herr Kurth, die Zahl Ihrer Aufgaben wächst, die Zahl Ihrer Gegner auch.

Kurth: Solange die Lobbyarbeit der Unternehmen offen stattfindet, können wir damit umgehen. Parlamente und Gesetzgeber haben in den vergangenen Jahren großes Vertrauen in uns gesetzt und uns mit neuen Sektoren betraut. Und die Verbraucher registrieren, dass die Bundesnetzagentur in ehemaligen Monopolen Wettbewerb erst möglich macht.

mm.de: Es gibt auch Menschen, die das anders sehen. So hat Telekom-Chef Ricke häufiger angedroht, gegen Ihre Entscheidungen zu klagen, was er aber offenbar nie tut.

Kurth: Das stimmt nicht. Es sind sehr viele Klagen der Telekom eingegangen.

mm.de: Die aber keinen Erfolg hatten.

Kurth: Da haben Sie, bis auf Einzelfälle, Recht.

mm.de: Heute versuchen Konzerne, schon im Vorwege ihrer Entscheidungen Stimmung gegen Sie zu machen. Zeigt die Lobbyarbeit der Unternehmen Wirkung?

Kurth: Lobbyarbeit machen alle großen Konzerne, die von unseren Entscheidungen beeinflusst sind. Im Energie- und Gasbereich findet das in ausgeprägter Form statt, aber auch in den klassischen Sektoren Bahn, Post und Telekom.

mm.de: In Ihrer Regierungserklärung spricht sich die große Koalition gegen eine Regulierung des Highspeed-Glasfasernetzes der Telekom aus. Das ist ein Novum. Wird Ihre Macht beschnitten?

Kurth: Ich habe kein Problem damit, wenn Unternehmen Diskussionen sachlich austragen und sich einem kritischen Diskurs stellen. Wenn die Argumente von Unternehmensseite allerdings ungerechtfertigte Vorrechte aus Monopolsektoren schützen sollen, halten wir mit unseren Argumenten dagegen.

mm.de: Die schönsten Forderungen nützen nichts, wenn man sie nicht durchsetzen kann.

Kurth: Unser Handwerkszeug sind die Gesetze. Und die ermächtigen uns, das Notwendige zu tun. Es ist uns in der Vergangenheit gelungen und wird uns auch in Zukunft gelingen, Monopole zu öffnen.

"Keiner kennt die neuen Produkte"

mm.de: Beim Highspeed-Netz der Telekom reichen die deutschen Gesetze nicht. Da haben auch die Wettbewerbshüter der EU ein Wörtchen mitzureden.

Kurth: Dass die EU-Kommission bei hochkomplexen Märkten, die noch gar nicht existieren und die noch keiner kennt, also bei HDTV, interaktivem Fernsehen, Triple Play und anderen Angeboten, zum Teil eine andere Auffassung hat als die Telekom, ist doch nicht ungewöhnlich. Ich bin der Kommission dankbar, wenn wir in einen konstruktiven Dialog eintreten.

mm.de: Das klingt ja geradezu friedensstiftend.

Kurth: Warum nicht, wir haben ein gemeinsames Ergebnis erreicht. Dass bei Highspeed-Netzen in Zukunft ein neuer Markt entstehen könnte, ist danach zumindest nicht ausgeschlossen.

mm.de: Der Weg dahin war aber steinig. Erst hat Ihnen Telekom-Chef Ricke die Pistole auf die Brust gesetzt, indem er sagte, entweder wir werden von der Regulierung befreit oder wir investieren keine drei Milliarden Euro, dann forderte die EU-Kommissarin Reding, entweder es wird reguliert, oder wir verbieten das Netz. Man hatte den Eindruck, Sie liefen den Ereignissen hinterher.

Kurth: Ich will hier nicht beurteilen, ob die Telekom die Diskussion sehr glücklich geführt hat. Manche Konfrontation und einige Missverständnisse hätte man sich sparen können. Meine Aufgabe ist es, eine Lösung zu finden, die alle Interessen berücksichtigt. Ich muss die Balance finden zwischen dem Aufrechterhalten einer wettbewerblichen Dynamik und der Möglichkeit, neue Produkt- und Dienstleistungsmärkte entstehen zu lassen. Das will übrigens auch die EU-Kommission.

mm.de: Kritiker behaupten, Sie seien zum Spielball von Herrn Ricke und Frau Reding geworden.

Kurth: Ob Sie mir das abnehmen oder nicht: Diese Schwarzweißmalerei - wer gewinnt, wer verliert - das sind Kategorien, in denen ich überhaupt nicht denke. Ich denke eher in Kompromisslinien, in sachgerechten Abgrenzungen. Die Sachverhalte, mit denen wir es hier zu tun haben, sind so kompliziert, dass sie nie sagen können, die eine oder die andere Seite habe völlig Recht.

mm.de: Ihre kompromissorientierte Haltung ändert nichts daran, dass Sie sich dem Thema stellen müssen.

Kurth: Es gibt ein Kernthema, dass ich nie aus den Augen verloren habe: Wir wollen auf keinen Fall ein Abbremsen des Breitbandzugangswettbewerbs in Deutschland. Der hat sich ja auf Grund unserer Arbeit in den vergangenen Jahren sehr erfreulich entwickelt: Die Zahl der DSL-Anschlüsse wächst, die Preise sinken.

mm.de: Und die Telekom sieht ihre Felle davonschwimmen.

Kurth: Natürlich verändern sich die Marktanteile der Unternehmen, das ist doch ein Zeichen eines gesunden Wettbewerbs. Wenn aber die Telekom mit der Behauptung kommt: "Wir machen was Neues" und deswegen nicht reguliert werden will, müssen wir das natürlich kritisch prüfen. Wer kennt denn die neuen Produkte, die über das schnelle Glasfasernetz realisiert werden sollen? Keiner kennt sie! Bis heute nicht!

"Höheres Risiko, höhere Rendite"

mm.de: Die Telekom hat ziemlich deutlich gesagt, welche Dienste sie im neuen Netz anbieten will.

Kurth: Bisher können wir nur darüber spekulieren, ob wirklich ein neuer Markt entsteht, der höhere Übertragungsgeschwindigkeiten benötigt und damit neue Produkte ermöglicht. Es ist unglaublich schwer, als Regulierer von vornherein zu sagen, das geht gar nicht - weil ich das Produkt ja noch gar nicht kenne! Zweitens muss man einfach sagen: Diese Investition ist natürlich nicht risikolos. Man erinnere sich an die Probleme von Leo Kirch. Den Deutschen Bezahlfernsehen schmackhaft zu machen, ist keine leichte Aufgabe.

mm.de: Sie zweifeln am Erfolg des neuen Netzes?

Kurth: Nein, aber die Deutschen reagieren häufig etwas verstockt auf neue Angebote. Es ist doch nicht selbstverständlich, dass Millionen von Nutzern über Nacht sagen: "Lass' uns HDTV-Fernseher und Flachbildschirme und den Super-Glasfaseranschluss der Telekom kaufen." Das sind doch Hypothesen, die erst durch die Realität belegt werden müssen.

mm.de: Also möchten auch Sie der Telekom Pioniergewinne zugestehen und die Wettbewerber draußen vor der Tür lassen?

Kurth: Meine Aufgabe ist, zu verhindern, dass es Monopolstrukturen gibt und der Wettbewerb behindert wird. Aber ich kann diese Landschaft, die gegenwärtig im Hinblick auf Zugangsmärkte, Inhaltemärkte und innovative Dienstleistungen sehr beweglich ist, erst dann mit einem gewissen Grad an Sicherheit beurteilen, wenn ich weiß, wie diese Marktstrukturen aussehen werden. Pioniergewinne sind übrigens durchaus vereinbar mit der Eröffnung eines chancengleichen Zugangs für Wettbewerber. Für ein höheres Risiko kann man auch beim Zugang eine höhere Rendite erwarten.

mm.de: Und das sieht die EU genauso?

Kurth: Wir haben uns noch im alten Jahr auf einheitliche Kriterien verständigt. Mit der EU-Kommission haben wir keine Auffassungsunterschiede mehr. Ich habe mit Frau Reding und Generaldirektor Colasanti diese Themen besprochen und habe viel dabei gelernt. Am Ende des Tages war ich gar nicht verärgert, sondern froh, dass wir das so tief diskutiert haben. Wir haben alle von der Debatte profitiert.

"Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus"

mm.de: Zwischendurch hieß es, der Kurth, der immer Wettbewerb predigt, würgt jetzt die neue Technik ab. Treffen Sie solche Vorwürfe?

Kurth: Wenn ich jeden Vorwurf, der in der Zeitung steht, ernst nehmen würde, wäre das meiner grundsätzlich guten Laune abträglich. Solange ich nicht beleidigt werde, geht das zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Außerdem gibt es häufig großes Lob von den Verbrauchern. Also wird die Arbeit, die wir hier machen, schon nicht so schlecht beurteilt.

mm.de: Wenn die damaligen Newcomer, Hansenet, 1&1, Freenet und Co. heute als millionenschwere Unternehmen zu Ihnen kommen und sich über die böse Telekom beschweren - fühlen Sie sich da nicht veräppelt?

Kurth: Wir haben Ende der 90er Jahre hunderte von neuen Wettbewerbern im Telekommunikationsmarkt zugelassen. Von denen sind einige nicht mehr im Markt. In der Wachstumsphase müssen also die Davids gegen die Goliaths kämpfen und kapitalstark genug werden, um auch dauerhaft Bestand zu haben. Unterdessen befinden wir uns jetzt in der Konsolidierungsphase, und ich stelle fest, dass es heute Unternehmen gibt, die sich teilweise schon mit der Telekom messen können. Da fühle ich mich durchaus nicht veräppelt.

mm.de: Was ist der Grund für den Erfolg der Wettbewerber?

Kurth: Es gibt immer mehr Netzbetreiber, die eine eigene Infrastruktur haben, und das macht sie auch unabhängiger von dem früheren Monopol. Mit den Zugangsleistungen fallen natürlich auch Kosten weg, die früher an die Telekom bezahlt wurden.

mm.de: Wenn die Telekom-Wettbewerber behaupten, sie investieren 500 Millionen Euro, falls sie von der Bundesnetzagentur gut behandelt werden - können Sie das kontrollieren?

Kurth: In unserem Rechenschaftsbericht ist immer genau aufgelistet, was die einzelnen Unternehmen investieren. Da steht, was die Telekom und was die Wettbewerber investieren.

"Die Wettbewerber investieren mehr"

mm.de: Und wer investiert mehr?

Kurth: Tatsächlich investieren die Wettbewerber seit 2002 mehr als die Telekom. Interessant ist auch, dass die Telekom noch im Jahr 2001 doppelt so viel investiert hat wie in den letzten Jahren, insgesamt hat das Unternehmen die Investitionen in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgefahren. Das war auch ein Teil der Entschuldungsstrategie.

mm.de: Dann sind die drei Milliarden Euro, die die Telekom in das neue Glasfasernetz investieren will, fast schon überfällig.

Kurth: Wenn die Telekom investieren will, ist das natürlich erfreulich. Aber das Unternehmen schließt damit eher von einem niedrigen Niveau auf zu höheren Beträgen, die früher investiert wurden.

mm.de: Sondieren Sie auch Märkte, die erst noch im Werden sind?

Kurth: Die neuen Techniken, die in Zukunft die Netzstrukturen beeinflussen werden, behalten wir sehr genau im Auge. So gibt es eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Telekommunikationsunternehmen und der Netzagentur, die sich mit dem Thema "Next Generation Network" (NGN) beschäftigt. Dort reden wir über mögliche Strukturen der Zusammenschaltung von Daten- und Kommunikationsnetzen.

Diese Frage ist gerade im Zusammenhang mit Voice over IP von großer Bedeutung. Führende Experten der Branche treffen sich mit uns, um nach Lösungen zu suchen, die wir zum Teil auch finden. Aber das interessiert natürlich nur wenige, weil da nicht öffentlich gestritten wird.

mm.de: Ihre Maxime lautet: "Ich will den Erfolg". Sind Sie erfolgreich?

Kurth: Niemand schafft 100-prozentigen Erfolg, dann gäbe es ja nichts mehr zu tun. Was wir schaffen, ist immer nur ein Teilerfolg. Ein gutes Beispiel bietet die IP-Telefonie: Die wird in den nächsten Jahren die alte Kommunikationstechnik ersetzen - mit heute noch nicht abschließend vorhersehbaren Folgen. Also schaffen wir ein Übergangszenario mit vielen regulatorischen Fragen, das die Interessen der einzelnen Marktteilnehmer weitgehend berücksichtigt.

mm.de: Gibt es einen weiteren Zukunftsmarkt, den Sie für besonders interessant halten?

Kurth: Wir müssen die Übertragung von mobilem Fernsehen auf Handys dringend voranbringen. Das kann ein Innovationsmotor werden. Hier wächst der Mobilfunk mit dem Fernsehen und dem Rundfunk zusammen. Wenn es uns gelingt, auch mit den Medienregulierern auf Länderebene schnelle Kooperationslösungen zu schaffen, lässt sich das Funkspektrum viel effizienter nutzen. Nicht nur ein Highspeed-Glaserfasernetz kann eine Innovation werden, sondern auch das mobile TV für den PDA.

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