China, mit fast 400 Millionen Handynutzern schon heute der größte Mobilfunkmarkt der Welt, geht bei der nächsten Mobilfunk-Generation einen Sonderweg. Das Ministerium für Informationsindustrie erhob die in Kooperation mit Siemens entwickelte TD-SCDMA-Technologie zum nationalen Standard.
Peking - Siemens erklärte gestern, man sei über TD-Tech, einem Joint Venture mit dem Unternehmen Huawei, ab Mitte 2006 in der Lage, TD-SCDMA-Infrastruktur auszuliefern. Seit 1998 hat die Siemens-Sparte Communications mehr als 170 Millionen Euro in die Entwicklung des Standards TD-SCDMA investiert.
"Wir können die Infrastruktur ausliefern, sobald die chinesische Regierung die Lizenzen an die Netzbetreiber vergeben hat", sagte Christoph Caselitz, Leiter Mobile Networks bei Siemens Communications.
Es war höchste Zeit, den Standard festzulegen. Die Lizenzen müssen dieses Jahr vergeben werden, wenn zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking ein ausgereiftes mobiles Hochgeschwindigkeitsnetz zur Verfügung stehen soll.
Es wird erwartet, dass China am Ende das einzige Land sein wird, dass gleichzeitig drei Standards der neuen Generation pflegen wird: Sein eigenes TD-SCDMA (Time Division Synchronous Code Division Multiple Access), den heutigen weltweiten Standard W-CDMA (Wideband Code Division Multiple Access), der in Deutschland als UMTS bekannt ist, sowie in geringerem Maße das heute vor allem in den USA und Japan benutzte CDMA-2000.
Die dritte Mobilfunk-Generation dürfte in dem schnell wachsenden chinesischen Markt Investitionen in Milliardenhöhe auslösen. Zwar ist Chinas neuer Standard noch lange nicht so ausgereift wie die anderen, wird aber staatlich kräftig gefördert und bekommt einen Vorsprung.
Weltweit gibt es bereits 160 Netze der dritten Generation, die zu 80 Prozent mit W-CDMA laufen. Indem in China erst Lizenzen für TD-SCDMA vergeben werden, können die Betreiber die Infrastruktur aufbauen und nötige Erfahrungen im kommerziellen Betrieb sammeln. "Das wird die Schwächen einer unvollständigen industriellen TD-SCDMA-Kette und den Mangel an erprobten Projekten für die Reifung der Technologie ausgleichen", glaubt der Branchendienst "Analysys".
Wider die Versklavung
Wider die Versklavung
Die Technologie war entwickelt worden, um nicht von ausländischen Unternehmen abhängig zu sein oder sich nicht "versklaven" zu lassen, wie ein chinesischer Kommentator schrieb. Nicht ohne Nationalstolz wird TD-SCDMA jetzt als "historischer Durchbruch" gefeiert. An der Entwicklung mit Datang Telecom und der Akademie für Telekommunikation hatte Siemens seit Ende der 90er Jahre großen Anteil. Doch liegen wichtige Patente in chinesischen Händen.
Technisch zeichnet sich das Verfahren vor allem dadurch aus, dass es beim Senden und Empfangen mit einer variablen Bandbreite und damit unterm Strich effizienter arbeitet. Nach kleineren, erfolgreichen Versuchen werden jetzt im Frühjahr in drei oder vier Städten große TD-SCDMA-Netze aufgebaut und die Funktionstüchtigkeit mit anderen Netzen für ein paar Monate im Alltag getestet.
Wer die Lizenz zum Betreiben der Netze bekommt, wird gegenwärtig heftig diskutiert. Doch deutet vieles darauf hin, dass die beiden großen Festnetzbetreiber China Telecom oder China Netcom zum Zuge kommen werden, wobei die Telecom die besten Karten zu haben scheint. Die beiden großen Mobilfunkanbieter China Mobile und China Unicom dürften nicht völlig neue technologische Standards einführen wollen. Es wird erwartet, dass China Mobile, der dem europäischen GSM-Standard nutzt, den weltweiten W-CDMA-Standard weiterverfolgen wird und China Unicom vom heutigen CDMA-Netz zu CDMA-2000 übergeht.
Die großen Handy-Hersteller wie Nokia und Ericsson stehen bereit für den neuen Standard. Eine im Jahr 2000 gegründete TD-SCDMA-Allianz zählt 420 Mitglieder. In der ersten Phase dürften TD-SCDMA-Handys mit GSM kompatibel sein, im nächsten Schritt auch mit W-CDMA. Wegen der verschiedenen Standards müssten am Ende zwangsläufig Multi-Mode- Handys her.
Wenn sich das nationale TD-SCDMA-Hochgeschwindigkeitsnetz in China erfolgreich entwickeln und groß werden sollte, dürfte die chinesische Technologie auch international an Einfluss gewinnen und exportiert werden - zunächst wohl aber erst in andere Schwellenländer in Asien.