T-Online Millionenschwere Ballspiele
Darmstadt - Wenn alles glatt geht, waren die 40 Millionen Euro pro Jahr ein Schnäppchen, obwohl der Wert der Online-Fußballrechte vorab auf nur 15 Millionen Euro geschätzt worden war.
So viel Geld nahm die Telekom angeblich in die Hand, um über ihre vorgeschickte Tochter T-Online die Lizenz zur Live-Übertragung der Bundesliga über das Internet zu erlangen. In den Meldungen über die Neuvergabe der Liga-Rechte war das nicht mehr als eine Randnotiz: Da stand natürlich Premiere im Mittelpunkt. Der Pay-TV-Sender gilt als der große Verlierer der Bieterschlacht und blutet nun an der Börse. Bald dürften den Münchnern zudem etliche Abonnenten abhanden kommen.
Die, hofft derweil das Kabelnetzbetreiber-Konsortium Arena, könnten der Live-Lizenz zum nächsten Pay-TV-Anbieter folgen. Arena wird die Spiele nun live übertragen, während die ARD-Sportschau eine Zusammenfassung in gebührendem zeitlichen Abstand bringen wird. Zwanzig Euro soll das Bundesliga-Paket die Fans künftig kosten und den Kabelnetzbetreibern Völkerscharen neuer Kunden zutreiben.
Doch es gibt eine Unbekannte in dieser Rechnung: Die Fans haben nun eine Alternative.
In einer Probephase wahrscheinlich kostenfrei, später gegen ein wie auch immer geartetes Entgelt wird man sich die Spiele live auch über die Onsport-Seite von T-Online anschauen können. Wahrscheinlich zumindest, denn ausgemacht ist bisher gar nichts.
Interner Diskussionsbedarf
Wie genau T-Online wem was anbieten wird, das können die Sprecher des Unternehmens nicht sagen: "Das wird jetzt intern erst einmal diskutiert werden müssen."
Diskussionsbedarf dürfte es allerdings einigen geben. Schon im Vorfeld hatten sich Medienexperten dahingehend geäußert, dass das mit dem "Rundfunk im Web" so einfach nicht werden würde - denn dafür bräuchte die Telekom eine entsprechende Sendelizenz. Die zu erhalten wird allein schon dadurch erschwert, dass noch immer der Staat Teile des Konzerns hält: Rundfunk hat in Deutschland aber per Gesetz staatsfern zu sein.
Der erste zu klärende Punkt wäre also, wo Web-Video aufhört und Rundfunk anfängt.
"Rundfunk wollen wir nicht machen"
Keine Ambitionen?
"Rundfunk", sagt dazu T-Online-Sprecher Martin Frommhold, "wollen wir gar nicht machen." T-Online sei nur bemüht, seinen Kunden ein möglichst attraktives Breitband-Angebot zu liefern. Dazu gehörten heute auch multimediale Inhalte und der Ausbau attraktiver Breitband-Angebote wie beispielsweise Spiele-Server.
Ein "Medienhaus" wollten T-Online oder die Telekom sicherlich nicht sein. Deshalb sei auch die bereits im Vorfeld kolportierte Partnerschaft mit einem Medienhaus, das über eine Lizenz verfügt, "vorstellbar".
Der Rest ist Mauern:
Mit wem? "Da kann ich noch nichts zu sagen."
Gegen Zahlung? "Auch dazu kann ich noch nichts sagen."
Natürlich nicht.
Immerhin aber kann man gemeinsam ein wenig träumen und visionieren: Dass sich der T-Online-Kunde dereinst über seinen Media-Server nicht nur die per Internet übertragende Bundesliga, sondern noch etliche andere Programme und Dienstleistungen auch ins heimische Wohnzimmer holt, kann sich Frommhold sehr gut vorstellen.
Dickes DSL als Königsweg ins Wohnzimmer
Schließlich plant die Telekom den Aufbau eines 50Mbit-Netzes, und das wäre dann wahrlich fit für alles. Das Fernsehen hätte einen neuen Vertriebskanal gefunden, der anders als die Alternative "Kabel" bald so gut wie allgegenwärtig wäre. Per Funk-Anbindung ließe sich dann noch das letzte Dorf erreichen und "vernetzen".
Auch das aber würde die Telekom nicht zum Medienhaus, sondern zum "Carrier" machen. Für die Verwirklichung solcher Visionen, so Frommhold, brauche man natürlich Partner. Denn dann sei ja der Vertrieb von "80 bis 100 Fernsehkanälen" denkbar, und natürlich wäre dabei "das Thema HDTV" künftig ein ganz wichtiges.
Klar, vor allem jetzt, wo Premiere taumelt. Ob der Pay-TV-Sender nach Verlust der Bundesliga-Lizenzen noch die Argumente und die Kundschaft hat, den neuen Standard durchzudrücken, muss man erst einmal abwarten. Da könnte der alternative Verbreitungsweg über Internet-Leitungen völlig neue Märkte öffnen.
Doch so weit sind wir noch nicht - auch, wenn die Telekom in Hamburg gerade einen kleinen, nicht-öffentlichen Betatest mit einem TV-Vertrieb per dicker DSL-Leitung abgeschlossen hat. Die funkte mit "nur" 25 MBit, über die "rund zehn Kanäle" übertragen wurden.
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Kinderkram ist auch das nicht. 24 MBit reichten dem französischen Unternehmen free Telekom, um ein DSL-Netz aufzubauen, über das es prinzipiell HDTV-fähig 200 TV-Kanäle überträgt. Zum pauschalen Abopreis von 30 Euro gehört dann nicht nur Internet-Surfen, sondern auch unbegrenztes Telefonieren. Ähnliche Entwicklungen sind in Italien, Spanien und den USA zu beobachten.
Bis 2009, behauptet eine Markterhebung der Institute Screen Digest und Gold Media, könnte dieses "IPTV" in Europa einen Marktanteil von 16 bis 20 Prozent gewinnen. Und Telekommunikationsdienstleister wie die Telekom so mächtig unter Druck setzen. Bei der hat das Wegbrechen der Umsätze im Telefon-Festnetz längst begonnen.
Alle Player, von Kabel-TV-Sendern bis zu Telekommunikationsunternehmen setzen darum auf "Triple Play" - ein Diensteangebot, das neben Telefon und Internet auch Fernsehen über ein einziges Kabel verspricht.
Das, glauben die meisten Strategen, wird auch in Zukunft ins Wohnzimmer führen. "Conquer the home!" - sehr frei übersetzt "Erobert das Wohnzimmer!" - hatte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke deshalb zur Devise ausgerufen. Und da ist die Telekom bestens aufgestellt - zumindest technisch.
Denn "Kapazitäten sind definitiv nicht das Problem", wie T-Online-Sprecher Martin Frommhold erklärt. "Zumindest dann nicht, wenn sich die T-Com mit ihren Ausbauplänen durchsetzt."
Die Medienwächter
Denn noch gibt es zwei Hindernisse auf dem Weg zur schönen Telekom-Fernsehzukunft: Die Medienwächter - und die Europäische Union.
Die will der Telekom den Aufbau eines 50Mbit-Netzes vielleicht in zehn Städten erlauben, beobachtet darüber hinaus gehende Pläne aber mit Argwohn. Denn den dafür nötigen Ausbau der Netze möchte die Telekom gern völlig unreguliert durchführen, was aber gegen geltendes EU-Recht verstößt.
Vom Tisch wären die Zukunftspläne aber auch dann wohl kaum, wenn es hier zu einem Veto käme: ADSL 2 wäre mit 25 MBit Datendurchsatzrate schnell genug, einen respektablen multimedialen Zauber zu entfachen. Die Kapazitäten ließen sich - wie die Bundesliga-Rechte? - "sublizeniseren", wie das ein anderer Konzernsprecher ausdrückt.
Was ist Rundfunk?
Was ist Rundfunk?
Zumindest das hielte auch das zweite Hindernis, verkörpert durch Professor Wolfgang Thaenert, noch Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesrundfunkanstalten, für "medienrechtlich wünschenswert". Dass dagegen "Netz und Inhalt in einer Hand sind", wie das nun bei der Vergabe der Bundesligarechte sowohl bei den Kabelnetzbetreibern von Arena, als auch bei der Telekom der Fall sei, sei "äußerst bedenklich".
Thaenert: "Wenn Netz und Inhalt in einer Hand liegen, so hat das eine neue Qualität. Ein solch 'integriertes Vorhaben' bedarf einer medienrechtlichen Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Vielfaltsgebots."
Der DLM-Vorsitzende weiter: "Es ist wohl wirklich so, dass sich die Telekom einen Partner mit einer Sendelizenz suchen müsste, wenn sie die Bundesliga oder andere Fernsehinhalte über das Internet ausstrahlen will. Denn das wäre Rundfunk."
Zwischen den Häppchen-Videos, wie sie an vielen Orten im Web üblich seien, und dem, was der Telekom für die Zukunft vorschwebe, gäbe es einen maßgeblichen Unterschied. Thaenert: "Was Rundfunk ist, ist weniger eine technische oder zeitliche Frage. Es ist eher eine Frage der redaktionellen Gestaltung: Wenn sie ein moderiertes und kommentiertes Live-Programm ausstrahlen, ist das mit Sicherheit Rundfunk. Wir messen das zudem an den Kriterien Breitenwirkung, Suggestivkraft und Aktualität. Ist all das gegeben, sprechen wir von Rundfunk."
Spätestens in diesem Moment aber hätte die Telekom ohne einen entsprechenden Partner ein massives Problem. Bereits Ende der Neunziger hatte die Telekom versucht, sich als Carrier am Vertrieb von Fernsehen in Deutschland zu beteiligen. Der "MSG Media Service", an der neben der Telekom auch Leo Kirch und Bertelsmann beteiligt waren, drehte der EU-Wettbewerbskommissar den Saft ab. Auch der Versuch des Medienmoguls John Malone, die Kabel der Telekom zu kaufen, scheiterte an Deutschlands Medien- und Kartellwächtern. Die Begründung in beiden Fällen: Verhindert werden sollte die Zusammenführung von Netz und Inhalt in einer Hand.
Da bleibt die "Sublizensierung" der TV-Rechte an Dritte. Die Frage, ob dies dann nur pro Forma geschehe und das Sportprogramm dann doch "presented bei Onsport", T-Online oder Telekom, oder doch unter dem virtuellen Dach eines Fernsehsenders laufen werde, beantwortet Firmensprecher Frommhold freundlich, aber Informationsfrei: "Vielleicht können wir uns darüber noch einmal in ein paar Wochen unterhalten?"