AOL Timer Warner Rufmord am Central Park
London - "Parsons wurde an Bord geholt, um das Schiff Time Warner zu beruhigen, aber ich finde ihn nicht sympathisch", sagte Icahn der "Financial Times". Icahn wirbt bei den Aktionären für einen radikalen Umbau des Medienkonzerns und beabsichtigt, die Managementpraxis und die Führungsarbeit Parsons genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mit seiner Attacke gegen Time-Warner-Chef Richard Parsons zog Icahn die Auseinandersetzungen auf eine persönliche Ebene. Icahn will unter anderem hinterfragen, wie und warum Parsons zwischen April und Mai 2001 rund 700.000 seiner Time-Warner-Aktien zu einem Preis von über 50 US-Dollar pro Anteil verkaufte. Im Sommer 2001 brach der Aktienkurs des zuvor mit AOL verschmolzenen Unternehmens ein.
"Ich weiß nicht, wie es der Moral der Mitarbeiter, deren Aktienoptionen sich seit seinem Amtsantritt nicht entwickelt haben, helfen soll, dass der vermeintliche Kapitän des Schiffes seine Aktien verkauft hat und dabei viel Geld verdiente. Viele Mitarbeiter verabscheuen das", sagte Icahn.
"Manipulativer Soundschnipsel"
Time Warner wies die Kritik als "aus grauer Vorzeit" stammend zurück. "Der Vorwurf ist ein manipulativer Soundschnipsel, der von der Tatsache ablenken soll, dass es dieses Managementteam war, das die Wende geschafft und das Unternehmen wieder auf Wachstumskurs gebracht hat und einen Plan vorweisen kann, der das Unternehmen nach vorne bringt. Darüber sollten wir diskutieren", sagte ein Konzernsprecher der Zeitung.
Milliardär Icahn kontrolliert zusammen mit weiteren Hedge-Fonds rund drei Prozent der Unternehmensanteile. Vergangene Woche gewann Icahn die Investmentbank Lazard für seine Sache - und damit deren Chef Bruce Wasserstein, einen der erfolgreichsten Banker an der Wall Street, der schon Tausende diffiziler Transaktionen und Übernahmen arrangiert hat.
Dass Icahn gemeinsame Sache mit Lazard mache, zeige, dass er "keine großen Ideen" für Time Warner habe, konterte Parsons, der vor drei Jahren die Führung des Konzerns übernahm. Parsons räumte ein, dass die Aktie unterbewertet sei, gegen eine Zerschlagung wehrt er sich jedoch vehement.
Dramatische Umstrukturierung
Dramatische Umstrukturierung
Schon im kommenden Jahr will sich Icahn die Kontrolle über den Verwaltungsrat von Time Warner verschaffen und die Konzernspitze stürzen. Sprich: Er will die Macht über das gesamte Konglomerat, zu dem neben den TV-Sendern CNN und HBO auch der Internet-Riese AOL gehört.
Erst kürzlich hatte Parsons eine Kooperation zwischen Microsoft und AOL verkündet. Ob ihm das hilft, ist fraglich. Denn seit dem Sommer führt eine von Icahn angeführte Gruppe von Revoluzzern einen PR-Krieg gegen den Time-Warner-CEO.
Mit der neuen Eskalation steuert der Kampf um Time Warner auf sein Finale zu. Es ist ein Krieg der Titanen am Central Park. Das Büro Icahns, der aus dem New Yorker Stadtteil Queens stammt, liegt im 47. Stock des GM-Hochhauses an der Fifth Avenue, an der Südostecke des Parks. Die gläsernen Doppeltürme des Time-Warner-Centers am Columbus Circle stehen an der Südwestecke.
Icahn geht es bei seinen Übernahmeplänen um Geld, aber auch um das Prinzip - oder, wie er es gern darstellt, um das Wohl des amerikanischen Marktes. "Von ein paar Ausnahmen abgesehen werden die US-Unternehmen von den falschen Leuten geführt", sagte der Investor kürzlich in einem Interview mit dem Wirtschaftsblatt "Business Week". "Viele Konzernbosse sind leider nicht qualifiziert, an der Spitze ihrer Firmen zu stehen."
Und damit meint er im Moment vor allem eben Time-Warner-Chef Parsons. Den greift Icahn seit Monaten an. "Im Leben und im Geschäftsleben gibt es zwei Kardinalsünden", schrieb er in einem öffentlichen Brief an die anderen Time-Warner-Aktionäre. "Die erste ist, vorschnell und gedankenlos zu handeln, und die zweite ist, gar nicht zu handeln." Parsons und sein Top-Management hätten sich mit der missglückten Fusion von Time Warner und AOL der ersten Sünde schuldig gemacht - und mit der verpatzten Schadensbegrenzung der zweiten.
Doch Icahn beließ es nicht dabei. Er zählte eine Reihe weiterer "Fehltritte" auf, die die Shareholder Milliarden gekostet hätten, so etwa den Verkauf des Plattenlabels Warner Music und des TV-Senders Comedy Central. Das Resultat: "Eine Zerstörung des Firmenwerts."
"Barbaren vor den Toren"
"Barbaren vor den Toren"
Es ist nicht das erste Mal, dass Icahn als Investor seine Muskeln spielen lässt. Nicht umsonst ist der Mann, der seine Karriere mit 500 gesparten Dollar und einem Philosophie-Abschluss als Praktikant bei einem Brokerhaus begann, heute 8,5 Milliarden Dollar schwer, was ihm auf der aktuellen "Forbes"-Liste der 400 reichsten Amerikaner Platz 24 einbringt.
Sein berühmtester Deal war der mit der TWA. Icahn kaufte die marode Fluggesellschaft 1985 gegen deren Willen für 300 Millionen Dollar, nach einem brutalen Kampf gegen einen von TWA favorisierten Großinvestor. 1992 meldete Icahns TWA trotzdem Konkurs an, im Jahr darauf stieß er die Gesellschaft wieder ab. TWA flog noch bis 2001 weiter, dann wurde sie ganz eingestellt. Viele machen Icahn für ihren Ruin verantwortlich.
Wie bei TWA hatte Icahn bei vielen Geschäften gemischten Erfolg. In den vergangenen Jahren jedoch überwogen die Profite. Von 1996 bis Mitte 2004 zum Beispiel zählte das Branchenblatt "Institutional Investor" Icahn-Beteiligungen an insgesamt 56 Gesellschaften, mit einem Gesamtprofit von 2,8 Milliarden Dollar und einer Jahresrendite von 53 Prozent. So kassierte er bei der Zerschlagung des Tabak- und Lebensmittelkonzerns RJR Nabisco Ende der neunziger Jahre rund 1,3 Milliarden Dollar; der Fall des Unternehmens war die Grundlage für den Bestseller "Barbaren vor den Toren".
Andere Investitionen, die sich für Icahn langfristig lohnten, waren das Gentechnologie-Start-up Imclone (Gewinn: 417 Millionen Dollar), Revlon (Gewinn: 281,2 Millionen Dollar) und Samsonite (Gewinn: 103,6 Million Dollar). Derzeit hält er unter anderem auch noch Anteile an der Videotheken-Kette Blockbuster, dem Energiekonzern Kerr-McGee, der Investmentbank BKF Capital, dem Pharmaunternehmen Mylan, mehreren Casinos in Las Vegas - und eben an Time Warner.
Den Medienriesen versucht er sich jetzt auf dieselbe Weise gefügig zu machen, wie er zuvor schon viele andere Firmen untergekriegt hat - mit einer, wie er es sagt, "allumfassenden" Schlacht um die Stimmrechte. Dazu will er Parsons und mindestens acht der 14 Board-Mitglieder kippen und durch eigene Leute ersetzen; seine Kandidaten will er bis Januar benennen. Bis März 2006 dann will er der US-Börsenaufsicht SEC ein konkurrierendes Unternehmenskonzept vorlegen, über das die Aktionärsversammlung im Mai abstimmen soll.
Ein erstes Opfer hat der Kampf um AOL bereits gefordert: Harvard-Professor Robert Clark hat seinen Sitz im Verwaltungsrat der Investmentbank Lazard aufgegeben. Clark, der auch im AOL-Time Warner Verwaltungsrat sitzt, war in der vergangenen Woche wegen vermeintlicher Interessenkonflikte in die Kritik geraten.