0900 Die neuen Abkassierer
Frankfurt am Main - Am 1. Januar 2006 endet eine Ära in der deutschen Telekommunikation. Zum Jahreswechsel werden die 0190-Rufnummern durch 0900-Nummern ersetzt. Viele Verbraucher werden die alten Nummern nicht vermissen, waren sie doch vor allem als überteuerte Hotlines für so genannte Mehrwertdienste bekannt, etwa im Erotikgeschäft.
Doch in der Telekombranche sieht man dem Datum mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits sollen die neuen 0900-Nummern mit intelligenterer Technik neue Geschäftsmodelle erschließen.
Andererseits wird es hinter den Kulissen weit reichende Änderungen geben. Hauptgrund für die Umstellung ist der Wunsch nach mehr Transparenz, wie es bei der zuständigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur in Bonn, heißt. So besagt die erste Ziffer nach der 0900 die Art des Dienstes: "1" steht für Information, "3" für Unterhaltung, "5" für Erotik-Dienste und die "9" für Internet-Einwahlprogramme (Dialer). So soll es möglich werden, bestimmte Dienstarten gezielt sperren zu können.
Zudem können die Anbieter jeder einzelnen Nummer problemlos unter bundesnetzagentur.de in der Internetdatenbank der Bonner Behörde abgefragt werden. Bei den 0190er-Nummern war dies nach Angaben der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) oft schwierig, weil diese Nummern häufig weiter vermietet wurden.
Blocktarife für 30 Euro
Grundsätzlich ändert sich das Tarifschema: Während bisher in der Regel die Ziffer hinter der 0190 den Preis bestimmte, können Anbieter von 0900er-Nummern ziemlich frei verfahren, solange sie die gesetzlichen Obergrenzen nicht überschreiten: Ein Anruf darf maximal zwei Euro pro Minute oder bei Blocktarifen 30 Euro pro Einwahl kosten. Der Tarif muss angesagt werden.
So werden Geschäftsmodelle möglich, die bei Telekom-Firmen, die ihr Geld mit der technischen Umsetzung der Nummern verdienen, Begeisterung auslösen. Ihr Ziel ist, dass neben Mehrwertdiensten, die bisher unter 0190 angeboten wurden, auch Service- und Supportnummern, die bisher unter 0180er-Nummern erreichbar waren, auf die 0900 "migrieren".
So könnte etwa ein Anwalt den Preis für eine telefonische Rechtsberatung abhängig vom Thema gestalten, wie Christoph Kurpinski von der Mainzer Dtms AG erklärt. Noch flexiblere Lösungen ermöglicht die "Event-gesteuerte Tarifierung". Damit können verschiedene Preise für einzelne Gesprächsabschnitte festgelegt werden - vorausgesetzt, der Anrufer stimmt zu, etwa durch Tastendruck. So könnten Kunden wählen, ob sie kostenlos in die Warteschleife gehen, oder gegen Aufpreis sofort verbunden werden.
Mobilfunk bleibt außen vor
Mobilfunk bleibt außen vor
Denkbar ist demnach auch, dass verschiedenen Anrufern unter einer Service-Rufnummer unterschiedliche Entgelte berechnet werden: Wer ein teureres Produkt gekauft hat, oder eine große Bestellung abgibt, zahlt weniger - und kommt schneller dran.
Doch beim Geld, genauer beim Abrechnungssystem, sehen die Firmen auch einen Wermutstropfen. Zwar bleibt zunächst der Festnetzbetreiber des Anrufers für Rechnungsstellung, Einzug und nötigenfalls die erste Mahnung zuständig. Das Rechnungssystem wird aber künftig nicht mehr online, sondern offline erfolgen. Forderungsinhaber gegenüber dem Verbraucher ist damit künftig der Plattformbetreiber, der auch die Anrufdaten in seinem Netz hinterlegt.
Nach Leistung bezahlt
Firmen wie die Dtms oder die Kölner Intelegence müssen nun komplizierte Verträge zum Inkasso-Verfahren abschließen, wie Intelegence-Juristin Silke Klaes erklärt. Verbraucherschützer sehen dagegen Vorteile: "Die Forderungen liegen nun näher bei dem, bei dem sie entstehen", sagt Verbraucherzentrale-Expertin Ines Nitsche. Dies sei eine Chance, weil die Telekom ihre Rechnung bisher auf Grund der Verbindung und nicht auf Grund der Leistung gestellt habe. "Wir hoffen, dass nun tatsächlich erbrachte Leistungen fakturiert werden", sagt sie.
Ein Problem bleiben aber die Mobilfunknetze, aus denen bisher knapp die Hälfte der Anrufe in 0190-Nummern kamen. Die Abrechnung erfolgt hier weiterhin "online", das heißt, die Tarife bleiben im jeweiligen Mobilnetz hinterlegt - und sind je nach Netzbetreiber unterschiedlich hoch. Die Mobilfunkunternehmen müssen sich zwar auch an die gesetzlichen Obergrenzen halten. Laut Kurpinski verlangen sie aber für 0900-Nummern oft höhere Preise als im Festnetz.
Der Übergang ab 1. Januar 2006 soll dennoch reibungslos gehen. Bis Juni 2006 hat die Bundesnetzagentur zudem kostenlose Bandansagen unter den bekannten 0190-Rufnummern genehmigt, die Interessenten die neuen Rufnummern sowie deren Preise mitteilen.
Nikolaus von Twickel, AP