ERP-Systeme Der aufgeklärte Mittelstand
Hamburg - "Für Firmen zwischen 10 und 500 Mitarbeitern sind IT-Lösungen für unternehmenskritische Bereiche inzwischen unverzichtbar geworden", sagt Eduard Stupening, Senior Director Consulting des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Meta Group gegenüber manager-magazin.de. Wer zum Beispiel als mittelständischer Zulieferbetrieb seine Kunden- oder Partnerbeziehung behalten wolle, müsse sich anpassen.
Zulieferer der Automobilbranche seien davon beispielsweise stark betroffen. In der Branche seien die Prozesse weitgehend mit IT-gebundenen Systemen und Lösungen verschlankt worden. Die mittelständischen Lieferanten müssten sich dieser Entwicklung nun beugen und mitziehen.
Aber auch in anderen Bereichen macht sich die Verquickung mit Firmen, die in ihren Computeranwendungen schon viel weiter sind, bemerkbar. Sie stellen dann höhere Ansprüche an ihre Partner und zwingen sie immer mehr, sich mit ihrer IT anzupassen.
Ein Beispiel: "Ein Verlag, der bei uns Kunde ist, wollte mit uns nur dann einen Vertrag abschließen, wenn wir eine bestimmte Unternehmenssoftware einführen", erzählt Michael Torn, geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Marketingagentur AWU im Gespräch mit manager-magazin.de. "Aus Sicherheitsgründen und damit es keine Medienbrüche beim Datenaustausch gibt, hat der Verlag dann mit uns zusammen ein Produkt von dem Softwarehersteller Sage installiert", sagt Torn.
Vorher habe jedoch keine Notwendigkeit bestanden, ein solches System zu installieren. "Wir haben 22 Mitarbeiter und vier PC-Arbeitsplätze", berichtet Torn. Buchhaltung und Kundenerfassung seien über "selbstgestrickte Lösungen" gelaufen. Erst jetzt werde alles umstrukturiert und auf das ERP-System umgestellt.
ERP-Software (Enterprise Resource Planning) durchdringt sämtliche Arbeitsabläufe eines Unternehmens - vom Vertrieb über Produktion bis zur Buchhaltung. Üblicherweise setzen große Unternehmen schon seit langem ERP-Systeme zur Regulierung ihrer Betriebsabläufe ein. Kleine und mittelständische Firmen sind dagegen noch stark im Hintertreffen.
Schwierigkeiten schrecken ab
Schwierigkeiten schrecken ab
Inzwischen setzt sich der Trend im Mittelstand jedoch durch, den größeren in der IT-Ausstattung langsam zu folgen. Nach langer Flaute steigen die Technikausgaben wieder. Laut einer Studie von Meta Group gaben mittelständische Unternehmen im vergangenen Jahr knapp 16 Milliarden Euro für ihre IT aus. Für dieses Jahr wird mit einer Steigerung von 6 Prozent gerechnet.
Warum aber sträubte sich der Mittelstand bisher gegen ERP-Systeme? IT-Berater Thomas Schindzielorz von der Hamburger Firma Sysback weiß eine Antwort: "Je kleiner der Betrieb, desto größer auch die Angst davor, komplexe Computersysteme im eigenen Unternehmen einzuführen", erzählt er aus praktischer Erfahrung mit seinen Kunden. Gerade bei traditionellen Unternehmern sei das Argument "Das haben wir schon immer so gemacht" weit verbreitet. Inzwischen sei der Mittelstand jedoch aufgeklärter.
Ein weiteres Problem ist nach Expertenmeinung, dass die Software gerade bei mittelständischen Betrieben stärker individuell angepasst werden müsse. "Je kleiner das Unternehmen, desto differenzierter werden die horizontalen Geschäftsprozesse", sagt Stupening.
Bei Großunternehmen seien Prozesse wie zum Beispiel das Dokumentenmanagement branchenunabhängig mit der gleichen Software zu bewältigen. Bei kleineren mittelständischen Firmen sei das schon schwieriger ohne spezielle Anpassungen. "Eine Anwaltskanzlei mit 80 Mitarbeitern stellt doch ganz andere Bedürfnisse an ihr Dokumentenmanagement als eine Großbäckerei mit 500 Arbeitskräften", verdeutlicht der Meta-Group-Berater Stupening die Heterogenität beim Mittelstand.
Auch Schindzielorz rät in solchen Fällen von Standardsoftware ab, die keine individuellen Anpassungen im Quellcode zulasse. Daher habe Sysback beispielsweise für den Mittelständler AWU, eine Anpassung der Sage-Software vorgenommen: Die Firma erledigt unter anderem Nachbestellungen von Kunden eines Verlages. Da komme es häufiger vor, dass ein Kunde einmalig eine Bestellung für ein einziges Heft aufgibt und dann nie wieder: "In solchen Fällen ist es überflüssig, die vom ERP-System geforderten Kundendaten komplett einzugeben", sagt Schindzielorz.
Aber auch bei den hohen Investitionskosten müsse nach Schindzielorz' Meinung ein Mittelständler genau nachdenken, ob er sie bezahlen kann. "Im Durchschnitt belaufen sich allein die Lizenzkosten pro ERP-PC-Arbeitsplatz auf 800 bis 1000 Euro", gibt der Berater zu bedenken.
Softwarehersteller entdecken den Mittelstand
Softwarehersteller entdecken den Mittelstand
Die großen Softwarehersteller Microsoft und SAP versuchen ihr ERP-Angebot für mittelständische Unternehmen preislich anzupassen. Microsoft hat seine Unternehmenssoftware Navision zuletzt um 30 Prozent verbilligt. SAP, weltweit führender Unternehmenssoftwarehersteller für Großfirmen, unterbietet dieses Angebot sogar mit seiner Einsteigersoftware Business One bei einem Preis von 1800 Euro je Arbeitsplatz um 150 Euro.
Microsofts Deutschland-Chef Jürgen Gallmann deutete jüngst in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" an, dass das Unternehmen sich mehr auf ERP-Programme für den Mittelstand konzentriern wolle: "Im kommenden Jahr wird es ein Feuerwerk an neuen Funktionen zur Analyse von Geschäftsdaten geben", sagte er der Zeitung. In diesem Zusammenhang ergebe es jedoch keinen Sinn, SAP auf dem Gebiet seiner angestammten Kundschaft unter den Großunternehmen Konkurrenz zu machen.
Doch die passende Softwarelösung fehlt noch immer: "Axapta, Great Plains und Navision von Microsoft sollen kleinere Firmen bedienen", sagt Analyst Stupening. "Aber dennoch zielen diese Produkte doch eher auf das obere Segment zwischen 500 und 3000 Arbeitsplätzen ab." Folglich wenden Unternehmen unter 500 Mitarbeitern eher Produkte kleinerer Softwareanbieter an.
Zertifizierung und Rating machen IT unentbehrlich
Unternehmensabläufe wollen aber nicht nur durch ERP-Systeme optimiert, sondern auch klar strukturiert und nachvollziehbar sein. Das kann besonders wichtig in Bezug auf Zertifizierungsverfahren wie Iso-Normen oder Rating-Kriterien im Rahmen von Basel II sein. "Hat ein Unternehmen mit Zertifizierungen zu tun, muss es für Qualitätsmanagement und Qualitätsbeschreibung sorgen. Das ist eine der Herausforderung für den IT-Einsatz des Unternehmens", sagt Stupening.
Auch der Hamburger Rechtsanwalt Henning Jacques legt mittelständischen Unternehmen die Anschaffung eines ERP-Systems ans Herz: "Der Mittelstand hat im Durchschnitt nur eine Eigenkapitaldecke von 17 Prozent und ist damit besonders auf Fremdkapital angewiesen." Kredite seien folglich eine überlebenswichtige Grundlage des mittelständischen Wirtschaftens.
Wer hier nicht der ersten Basel-II-Säule - den Mindestanforderungen für die Kreditvergabe (MAK) - gerecht werde, habe schlechte Karten, so Jacques. Obwohl die Regelungen von Basel II erst Ende 2006 in Kraft träten, wendeten Banken die MAK faktisch bereits an.
Die MAK schreiben das Rating vor, wonach eine externe Agentur oder die Bank selbst das Marktrisiko und das operationelle Risiko eines Unternehmens bewertet, bevor es ihm Kredit gewährt. Bei dieser Bewertung stehen folgende Punkte im Fokus: Eine Cashflow-Analyse, die Beurteilung der Ertragskraft des Unternehmens sowie die Bewertung der Kapitalstruktur. Es ist daher wichtig, dass diese Informationen für das Management jederzeit verfügbar sind.
"Keine Wäschekörbe voll Ordner"
"Keine Wäschekörbe voll Ordner"
Um hier also ein gutes Licht auf das eigene Unternehmen zu werfen, sollte der Bank durch eine klar strukturierte Prozessorganisation gezeigt werden, dass das Risikomanagement in guten Händen ist. "Keine Wäschekörbe voll mit Leitz-Ordnern hinstellen", betont Jacques. Ein ordentliches computerisiertes System mache nicht nur einen guten Eindruck, sondern erleichtere auch das strukturierte Arbeiten.
"Der Geschäftsführer haftet auch für Schäden, die möglicherweise aus verletzter Sorgfaltspflicht entstanden sind", gibt er zudem zu bedenken. Der Chef sei dazu verpflichtet, Überblick über den Zustand seines Geschäfts zu haben. Dieser Überbilck sei durch eine gut organisierte IT und ein angepasstes ERP-System zu bewerkstelligen. Die ausgeweitete Auskunftspflicht für mittelständische GmbHs, die neuerdings vom EuGH befürwortet wird, schlägt in dieselbe Kerbe.
"Anschaffung lohnt sich auch für Kleinstunternehmen"
Berater Schindzielorz ist der Meinung, auch für Kleinstunternehmen mit nur ein bis fünf Mitarbeitern lohne sich die Anschaffung einer ERP-Software. Im Zusammenhang mit Steuererklärung oder Basel II gebe es kein Erbarmen. "Wenn man beim Steuerberater oder der Bank mit Excel-Tabellen ankommt, wird man gleich wieder weggeschickt."
Gerade für kleine Unternehmen gebe es auch preisgünstigere Standardsoftware, die sich gut für die klassischen Warenwirtschaftsabläufe eigne, wie zum Beispiel von Sage oder Lexware. Mit ihnen sei auch eine Aufstockung bis zu 200 Arbeitsplätzen möglich, falls das Unternehmen noch wachse.