Chinas Fernsehmarkt Cartoons gerne, aber keine Nachrichten
Hamburg - Eine telegene Richterin verhandelt vor laufenden Kameras einen frei erfundenen Fall: Ein Mann hält einen Esel als Haustier, in einem Großstadtapartment. Der Kläger, schäumend vor Wut, beharrt darauf, dass Farmtiere nicht in Stadtwohnungen gehalten werden dürfen. Der Beklagte erwidert seelenruhig, dass sein Esel nie auf einer Farm gelebt hätte und deswegen die Regel nicht auf ihn zuträfe.
Das Ganze flimmert nicht in deutschen Wohnzimmern über die TV-Schirme und heißt "Richterin Barbara Salesch", sondern läuft im Reich der Mitte und heißt "Court-TV". Zu verdanken haben die chinesischen Fernsehzuschauer der Provinz Guandong diesen Anschluss an die TV-Moderne dem Medien-Tycoon Rupert Murdoch.
Seit 2002 ist Murdochs Kanal Xing Kong Wei Shi, was soviel heißt wie Sternenhimmel, auf Sendung. Als Teil von News Corp.'s Asien-Tochter Star Group schenkt Xing Kong dem Publikum in der nahe Hongkong gelegenen Provinz Guangdong "Court-TV" und andere Leckerbissen. Unter anderem eine Talkshow namens "Kleine Kaiser greifen zum Mikrofon", mit verwöhnten Kinder als Protagonisten und "Operationstheater", eine Reality-Show zur besten Sendezeit, die Chirugie zum Melodrama macht.
Der Kanal ist der beliebteste auf Mandarin-Chinesisch ausgestrahlte Kabelsender der Provinz. Nachrichten, Reportagen und ähnliche Formate sucht man bei Xing Kong vergebens. "Oh nein", sagte Senderchef Chris Wu dem amerikanischen Magazin "Newsweek", "Politik machen wir nicht. Das dürfen wir nicht."
Am Beispiel des News Corp-Ablegers lässt sich die Situation auf Chinas Fernsehmarkt recht gut verdeutlichen: Zwar gibt es seit 2002 einige Schritte in Richtung einer Liberalisierung, aber die Regierung in Beijing achtet weiterhin sehr sorgfältig darauf, vollständige Kontrolle über die Medien zu behalten.
Riesige Chancen und riesige Schwierigkeiten
Riesige Chance und riesige Schwierigkeiten
Das Potenzial des Marktes ist gewaltig, aber die Schwierigkeiten sind es ebenfalls. Laut einer Studie der Hamburger Beraterfirma Skillnet soll der TV-Markt bis 2010 um jährlich 13,3 Prozent wachsen. Der gesamte Werbemarkt hat laut der Studie ein Wachstumspotenzial von 14,2 Prozent pro Jahr; von circa 10,9 Milliarden Dollar im Jahr 2002 auf etwa 31,5 Milliarden Dollar im Jahr 2010.
Das Fernsehen ist das Medium mit der größten Reichweite, die Studie geht von circa 1,2 Milliarden Zuschauern in China aus. Derzeit existieren ungefähr 1230 TV-Sender im Reich der Mitte. Malte Barth, Managing Partner bei Skillnet, sagt im Gespräch mit manger-magazin.de, dass mit einer Konsolidierung des Marktes zu rechnen sei.
Dementsprechend groß ist das Interesse ausländischer Medienunternehmen, einen Fuß in die Tür zu diesem viel versprechenden Markt zu bekommen. RTL hat vor kurzem eine strategische Partnerschaft mit Chinas Staatsfernsehen CCTV bekannt gegeben.
Aber solche Kooperationen sind kompliziert und verlangen vor allem viel Geduld. Auf die Frage nach dem genauen Inhalt dieser Partnerschaft bleibt Christian Körner, Leiter der Unternehmenskommunikation bei RTL, vage. Verständlich, schließlich machen die momentanen Restriktionen eine tatsächliche Zusammenarbeit schwierig. Im Vordergrund dürften darum das Pflegen von Verbindungen für eine weniger regulierte Zukunft stehen.
Der Import und die Ausstrahlung ausländischer TV-Produktionen unterliegt strengen, teils skurilen Regeln. So dürfen etwa nur 25 Prozent des täglich gesendeten Programms ausländischer Herkunft sein. Und im Ausland produzierte Filme dürfen nicht zur besten Sendezeit gezeigt werden.
In China wird zwischen geförderten, beschränkten und verbotenen Investments unterschieden. Nachrichtenagenturen, Produktion, Publikation sowie das Management von TV und Radiostationen gehören zu den verbotenen Investments. Aber, so die Skillnet-Studie: Ausnahmen bestätigen die Regel, die Berater verweisen wieder auf Murdoch und Star TV.
Eiserne Freundschaft mit Chinas Regime
Eiserne Freundschaft mit Chinas Regime
Aber auch News Corp darf seine Formate nicht selbstständig in China produzieren, sondern muss mit einem chinesischen Partner zusammenarbeiten. Rupert Murdoch, laut Skillnet-Studie ein vorbildlicher "Early Mover", ist der Konkurrenz um einen Schritt voraus und scheut dafür keine Mühen. Nachdem der gebürtige Australier schon die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hat, um seine Senderfamilie Fox in den USA zu etablieren, ist er nun auf eisernem Freundschaftskurs mit der chinesischen Führung.
Er untersagte beispielsweise seinem Verlag Harper Collins die Veröffentlichung eines China-kritischen Buches von Chris Patten, dem ehemaligen Gouverneur von Hongkong. Und den Dalai Lama bezeichnet Murdoch schon mal als "einen alten Mönch, der in Gucci-Schuhen herumschlurft."
Trotz dieses Einsatzes ist Sendelizenz von Murdochs Xing Kong auf die Region Guangdong beschränkt, in der allerdings fast 100 Millionen Menschen leben. Dort hat auch der chinesische Ableger des Musiksenders MTV eine Sendeberechtigung erhalten. Die Provinz gilt als Versuchslabor für eine vorsichtige Liberalisierung des Medienmarktes. Laut Expertenmeinung, aus dem einfachen Grund, dass sich durch die Nähe zu Hongkong solche Inhalte sowieso nicht unterdrücken lassen.
MTVs Mutterhaus Viacom gibt sich alle Mühe, es dem "Early Mover" Murdoch nachzutun und hat im April 2004 drei Partnerschaften mit chinesischen Medienunternehmen bekannt gegeben. Beabsichtigt ist unter anderem eine Kooperation des chinesischen Staatsfernsehens CCTV und dem Viacom-Kindersender Nickelodeon. Diese Zusammenarbeit sollte problemlos sein; Zeichentrickfilme sind in China sehr beliebt und werden zu 80 Prozent aus dem Ausland importiert.
Die Entwicklung des chinesischen Fernsehmarktes vorherzusagen, scheint indes ein Ding der Unmöglichkeit. Anders als bei anderen Industriezweigen ist China durch seinen Beitritt zur WTO keine Verpflichtungen einer Liberalisierung eingegangen. Die Öffnung des Marktes hängt also im Wesentlichen von der politischen Entwicklung ab. Und dazu lässt sich auch ein Kenner der Materie wie Malte Barth von Skillnet kein Statement entlocken.