Verlagshäuser Go East
Wegen der lahmen Anzeigensituation in Deutschland und der größeren Wachstumschancen investieren Springer, Gruner+Jahr, Burda Verlag, der Heinrich Bauer Verlag und die WAZ-Verlagsgruppe schon seit einiger Zeit verstärkt in Polen, aber auch in Ungarn, Tschechien und Co.
Einheimische Verlage haben mitunter das Nachsehen. In Bulgarien hat die Essener WAZ-Gruppe laut einer Studie der Europäischen Journalisten Föderation (EJF) mit Lokalausgaben bereits dortige Verlage zur Aufgabe gezwungen. Da der Medienmarkt in ganz Osteuropa als sensibel gilt, wird die Rolle ausländischer Verlage besonders kontrovers diskutiert.
Freimut Duve, ehemaliger OSZE-Beauftragter für Medienfreiheit und Träger des Bundesverdienstkreuzes, hält die Konzentration deutscher Verlage in Osteuropa für bedrohlich und warnt vor einem dortigen Medien-Zarentum ohne Meinungsvielfalt. Er appelliert schon seit Jahren an die westlichen Verlage, sich in Osteuropa Verhaltensregeln zum Schutz der Pressefreiheit zu unterwerfen.

Bauers Bravo für Tschechen: Postery wie gewohnt in der Heftmitte

Die polnische Frauenzeitschrift Twoj Styl: Beratung für alle Lebenslagen aus dem Hause Heinrich Bauer

"Fakt": Die Boulevardzeitung des Axel Springer Verlags mauserte sich blitzschnell zur zweitgrößten Tageszeitung Polens
Foto: DDP
Gala Plus in Polen: Klatsch und Tratsch über internationale und hiesige Prominente
Titel deutscher Verlage in Osteuropa: Bitte klicken Sie einfach auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen. |
Duve fordert einheitliche Regeln für westeuropäische Medienkonzerne, die in Osteuropa Zeitungen und Verlage kaufen. Allerdings setzt die OSZE nicht auf Zwang, sondern auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Die WAZ-Gruppe sagte für eine solche Vereinbarung zum Schutze der Medienfreiheit und Meinungsvielfalt als erster großer deutscher Medienkonzern ihre Unterstützung zu. Bei den anderen steht eine solche Entscheidung noch aus.
Polen in der Hand deutscher Verlage
Polen in der Hand deutscher Verlage
Wie die OSZE fordert auch die EJF Hilfen für die Beitrittsländer, um journalistische Leitlinien in jedem Konzern zu verankern und Medienfreiheit sowie Meinungsvielfalt zu gewährleisten.
Derzeit ist eine bedrohliche Konzentration deutscher Verlage vor allem in Polen zu befürchten. Mit knapp 40 Millionen potenziellen Lesern lockt das Land die großen westlichen Verlage schon seit Jahren. Der Hamburger Heinrich Bauer Verlag ist im Geburtsland des Komponisten Frédéric Chopin mit 21 Titeln das führende Medienhaus im Zeitschriftenmarkt. Die polnische Gesellschaft Wydawnictwo Bauer in Warschau publiziert die Titel mit einer Auflage von insgesamt rund zehn Millionen Exemplaren.
In Polen verzeichnet die Bauer-Gruppe nach den USA und Großbritannien den höchsten Auslandsumsatz. In den übrigen osteuropäischen Staaten ist Bauer jedoch nur vereinzelt vertreten.
"Fakt" größte Tageszeitung Polens
Den zweiten Platz unter den Zeitschriftenverlagen belegt in Polen nach eigenen Angaben der Axel Springer Verlag. Für den Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner ist die Internationalisierung des Verlages im europäischen Kerngeschäft erfolgsentscheidend. In Großbritannien versucht er sein Glück bei der zum Verkauf stehenden Hollinger-Gruppe. In Polen erscheinen bereits 15 Zeitschriften, eine Zeitung und mehrere Sondertitel aus dem Hause Springer.
Bisher ambitioniertestes Springer-Objekt: Die Boulevardzeitung "Fakt". Das polnische Pendant zur "Bild" steigerte innerhalb eines Monats seine Auflage um 9,3 Prozent auf rund 374.000 und war bereits zwei Monate nach dem Start im Oktober die in Auflage und Reichweite zweitgrößte Tageszeitung des Landes. Im März verkaufte der Verlag im Durchschnitt 551.860 Exemplare.
100 Millionen Euro Umsatz im Ausland
Zum Vergleich: Die Verlagsgruppe Passau (VGP) investiert bereits seit Ende der achtziger Jahre massiv in Osteuropa und gehört nach eigenen Angaben in Polen, Tschechien und der Slowakei zu den größten drei Verlegern von Tageszeitungen. Die VGP beschäftigt allein in Polen rund 2300 Mitarbeiter, erreicht jedoch mit allen Titeln zusammen nur eine tägliche Auflage von rund 590.000. Springer verkaufte im Dezember allein von "Fakt" durchschnittlich rund 540.000 Stück.
Im Vergleich mit der VGP beschäftigt Springer mit 500 Mitarbeitern relativ wenige Menschen. Dass nur ein Deutscher dort angestellt ist, gehört zum Konzept des Verlagshauses. In den Redaktionen sollen Einheimische arbeiten. "Diese Leute können sich auf die Besonderheiten ihres Landes einstellen, denn sie sind dort ja zuhause", heißt es von Unternehmensseite.
Auch Ungarn ist ein attraktiver Markt
Auch Ungarn ist ein attraktiver Markt
Ungarn und Frankreich sind neben Polen derzeit die stärksten Auslandsmärkte für Springer. Zusammen verzeichnet der Verlag in den drei Ländern einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro. Das machte im vergangenen Jahr bei einem Gesamtumsatz von knapp 2,4 Milliarden Euro einen Anteil von 4,2 Prozent aus.
In Ungarn ist Springer nach eigenen Angaben vor der finnischen Gruppe Sanoma und dem schweizerischen Verlagshaus Ringier der größte Verleger des Landes und bringt dort 18 Zeitschriften und zehn Zeitungen heraus.
Der Verlag will weiter im Ausland expandieren und in Form von Lizenzen, Joint Ventures oder eigenen Ausgaben Titel herausbringen. Auf Übernahmen will das Unternehmen verzichten, da diese sehr langwierig seien und der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden bedürften. "Unser Ziel ist es, in fünf bis zehn Jahren einen Umsatzanteil von 30 Prozent im Ausland zu erreichen", so Wiele. Noch ist es nicht so weit: Der Anteil des Auslandsumsatzes liegt derzeit noch bei 17 Prozent.
Auch G+J konzentriert sich auf Polen
Konkurrent G+J erzielt mit 62 Prozent des Gesamtumsatzes dreieinhalb mal so viel Umsatz im Ausland wie Springer. Doch der überwiegende Teil kommt nicht aus Osteuropa, sondern aus den USA.
In Osteuropa konzentriert sich die Bertelsmann-Tochter nur auf den polnischen Zeitschriftenmarkt und bringt dort neun Titel heraus. Aus den Investitionen in Ungarn, Tschechien und der Slowakei stieg G+J aus. Der Verlag hatte dort vor allem in Tageszeitungen investiert. Im Zuge seiner geänderten Strategie, sich auf Zeitschriften zu konzentrieren, verkaufte das Medienhaus Anfang des Jahres alle Beteiligungen an Ringier. G+J will aber mit dem schweizer Verlag beim Launchen von Zeitschriften weiter zusammen arbeiten.
Ringier, der in der Schweiz unter anderem die auflagenstärkste Tageszeitung des Landes "Blick" herausbringt, verzeichnete 2003 in Mittel- und Osteuropa - schon ohne die Zukäufe - einen Umsatz von rund 146,8 Millionen Euro. Am Gesamtumsatz von Ringier machte das einen Anteil von 22,5 Prozent aus.
Doch Alexander Adler, Unternehmenssprecher von G+J, lässt alle Optionen offen. Weitere Investitionen seien überall denkbar, sagte er gegenüber manager-magazin.de. G+J könne für Übernahmen - auch in Osteuropa - 200 Millionen Euro locker machen, hieß es von Unternehmensseite. Jedoch sei ein solides Umfeld die Bedingung. "Wir machen unsere Geschäfte nur mit verlässlichen Partnern in einem verlässlichen wirtschaftlichen Umfeld", sagte Adler.
WAZ-Gruppe investiert in Südosteuropa
WAZ-Gruppe investiert in Südosteuropa
"Die Märkte entwickeln sich gerade erst", so der Unternehmenssprecher. "Wir wollen besonders unsere Stammmarken stärken." G+J musste 2003 einen Umsatzrückgang um 12 Prozent auf 2,48 Milliarden Euro hinnehmen. Der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebita) stieg leicht auf 238 Millionen Euro. Für Polen spreche, dass man den Markt kenne und ein gutes Team vor Ort habe. "Polen ist ein großer, wichtiger Markt für uns", so Adler. "Im Vergleich mit anderen Beitrittskandidaten ist der Zeitschriftenmarkt in Polen reifer."
Anfang vergangenen Jahres brachte G+J in Polen die Frauenzeitschrift "Glamour" heraus und verkauft inzwischen durchschnittlich 300.000 Exemplare pro Ausgabe. Mit Wissenschaftsmagazinen wie "Focus" und "National Geographic", dem Promiblatt "Gala" und weiteren Frauenzeitschriften belegt der Verlag nach eigenen Angaben den dritten Platz im polnischen Zeitschriftenmarkt. Die Redaktionen würden wie bei Springer mit einheimischen Mitarbeitern besetzt. "Die Zusammenarbeit mit ihnen ist wichtig, um passende Produkte zu schneidern", so Adler. Die Geschäftsführer seien jedoch meist Deutsche.
Die Essener WAZ-Gruppe sieht sich indes schon einen Schritt weiter und investiert nicht mehr nur in den EU-Beitrittsländern. Das Unternehmen blickt nach Südosteuropa. "Anders als in den relativ gefestigten Märkten Polens, Tschechiens und der Slowakei sehen wir in Kroatien und Mazedonien ein großes Wachstumspotenzial", so die WAZ-Geschäftsführung gegenüber manager-magazin.de. Die Einheimischen punkteten durch ihre hohe Motivation und gute Allgemeinbildung.
"Rechtzeitig das Feld bestellen"
Die Mediengruppe vertreibt in Südosteuropa 20 Tageszeitungen sowie mehrere Wochenzeitschriften und Monatspublikationen. Der Konzern verbucht nach eigenen Angaben bereits 40 Prozent des Umsatzes im Ausland, größtenteils in Südosteuropa.
"Der EU-Beitritt Ungarns, Polens, Tschechiens und der Slowakei wirkt sich zusätzlich motivierend auf den Innovationsprozess in diesen Ländern aus", so WAZ-Sprecher Klossek. Der Verlag wolle durch Investitionen in Redaktions- und Drucktechniken in Südosteuropa "rechtzeitig das Feld bestellen". In Zukunft wolle die WAZ-Gruppe gezielt in Beteiligungen oder Neugründungen investieren.
Die Geschäftsführung sieht die Chancen auf den Märkten parallel mit der Demokratisierung der Länder wachsen. Bulgarien und Kroatien begleite die WAZ-Gruppe "zu einem demokratischen, modernen und ökonomisch erfolgreich ausgerichteten Staat seit Jahren mit Genugtuung". Das eigene Verhalten sei für ein erfolgreiches Auslandsgeschäft ebenso bedeutend. Die wichtigste Regel in neuen Märkten beschreibt Klossek so: "If you are in Rome, do as the Romans do" - Verhalte dich stets wie die Einheimischen.