Software-Fehler Wie Sie Haftungsschäden vermeiden

Mit der IT-Branche soll es wieder aufwärts gehen. Software-Entwickler hoffen auf lukrative Aufträge. Doch bei allen Projekten steht die Haftungsfrage auf der Prioritätenliste ganz weit oben. Rechtsexperte Ulrich Bäumer sagt, was Sie bei der Vertragsgestaltung beachten müssen.

Frankfurt - Nach Jahren der Stagnation und teilweise rückläufigen Umsätzen befindet sich die IT-Branche seit Anfang 2004 wieder auf Wachstumskurs. Bei vielen Beratungsunternehmen und Software-Entwickler geht es dabei zunächst darum, die in den vergangenen Jahren ausgelaufenen Rahmenverträge mit den Auftraggebern zu verlängern oder neu abzuschließen.

Im Rahmen der Verhandlungen dieser Verträge steht dabei ein Thema immer ganz oben auf der Prioritätenliste: die Haftung. Gemeint ist dabei die Haftung des Beratungsunternehmens bei der Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung oder des Software-Entwicklers für die Fehler der Software.

Andere wichtige Vertragsthemen, wie zum Beispiel die Gewährleistung, die Abnahmeregelung, mögliche Vertragsstrafen und ein Verfahren zu Änderungsanforderungen (Change-Request) treten gegenüber der Diskussion über eine mögliche Haftungsbegrenzung oder auch einen Haftungsausschluss erfahrungsgemäß in den Hintergrund.

Bekanntes Beispiel für die Bedeutung der Haftungsfrage bei Großprojekten aus jüngster Vergangenheit ist der Toll-Collect-Vertrag zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Betreiberkonsortium. Die Frage der Haftung für Software-Fehler spielte dabei zwischen den Vertragsparteien eine so große Rolle, dass der Vertrag zwischenzeitlich gekündigt wurde. Auslöser hierfür war die - aus Sicht des Verkehrministeriums zu weitgehende - Haftungsbegrenzung.

Aus wirtschaftlicher Sicht wird schnell klar, warum die Frage der Haftungsregelung zentrale Bedeutung hat. Dienstleister oder Software-Entwickler sind selten bereit, ein über die Vergütung hinausgehendes Risiko in einem IT-Projekt oder bei der Erstellung einzugehen. Auf der anderen Seite wollen Auftraggeber verständlicherweise alle mit dem Projekt zusammenhängenden Risiken ausschließen.

Was im Vertrag stehen sollte

Was im Vertrag stehen sollte

Bei optimaler Ausschöpfung der gesetzlichen Regelungen und auch der durch die Rechtsprechung geschaffenen Freiräume lässt sich die Haftungsfrage in jedem Projektvertrag und bei jedem Vertrag über die Erstellung von Software so lösen, dass beide Vertragsparteien ihre Risiken abdecken können und letztlich der Projekterfolg nicht gefährdet wird.

Dabei sind bei der Ausgestaltung und Verhandlung der Projektverträge folgende Szenarien zu unterscheiden:

  • Projektvertrag als "allgemeine Geschäftsgrundlage": Stellen die Projektvertragsentwürfe "allgemeine Geschäftsgrundlagen" dar, das bedeutet, benutzt der Verwender die Vertragsdokumente für eine Vielzahl von Projekten und sind diese Vertragsbedingungen vorformuliert, so schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) einen Rahmen vor, der auch die Frage der Haftungsregelung eingrenzt. Durch allgemeine Geschäftsbedingungen kann die Haftung des Dienstleisters oder Software-Entwicklers nur für die einfache Fahrlässigkeit eingeschränkt werden und dies auch nur, soweit es sich dabei nicht um die Verletzung von "Kardinalpflichten" (das heißt vertragswesentliche Pflichten, wie zum Beispiel die ordnungsgemäße Erstellung des Pflichtenbuchs) handelt. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kann daher zum Beispiel keinesfalls die Haftung für grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden.
  • Projektvertrag als Individualvereinbarung: Anders die Gesetzeslage und der durch die Rechtsprechung gezogene Rahmen bei der Verwendung von Individualvereinbarungen. Damit werden Vertragsbestandteile bezeichnet, die zwischen den Vertragspartnern ernsthaft diskutiert wurden und bei denen die Möglichkeit besteht, dass die vorgeschlagenen Vertragsbestandteile im Rahmen einer Verhandlung abgeändert werden können. In diesem Fall kann auch der Haftungsrahmen auf Grund der allgemeinen Vertragsfreiheit anders ausgestaltet werden. Es kann zum Beispiel der Dienstleister oder der Software-Entwickler seine Haftung für die grobe Fahrlässigkeit ausschließen, und auch die Haftung für Verletzungen von Kardinalpflichten bei einfacher Fahrlässigkeit kann in diesem Fall wirksam ausgeschlossen werden.

In ein starres Korsett gepresst

In ein starres Korsett gepresst

Obwohl der gesetzliche Rahmen auf den ersten Blick ein starres Korsett bei der Frage der Ausgestaltung der Haftung vorzugeben scheint, ist es sowohl für den Auftraggeber als auch für den Dienstleister oder Software-Entwickler möglich, zumindest im Rahmen von Individualvereinbarungen eine angemessene Lösung der Haftungsfrage zu finden. Da das gesetzliche Leitbild jedoch nicht immer zu angemessenen Lösungen führt, ist eine optimal ausformulierte Haftungsregelung im jeweiligen Rahmen- oder Projektvertrag zwingend erforderlich.

Möglichkeiten der Haftungsregelung
bei der Verwendung von "allgemeinen Geschäftsbedingungen" und
bei der Verwendung von Individualvereinbarungen
 
Vorsatz
grobe Fahrlässigkeit
einfache Fahrlässigkeit
entgangener Gewinn
unbegrenzte Haftung
X | 0
X
   
begrenzte Haftung  
0
X = außer Kardinalpflichten

0 = inkl. Kardinalpflichten
 
Ausschluss der Haftung      
X | 0
Legende: X steht für mögliche Regelung in allgem. Geschäftsbedingungen,
0 steht für entsprechende Regelungen in Individualvereinbarungen.

Hat es der Dienstleister oder der Software-Entwickler jedoch geschafft, im Rahmen der Vertragsverhandlung seine Formulierung bei der Haftungsfrage durchzusetzen, so steht der Durchführung des Projektes beziehungsweise der Erstellung der Software aus seiner Sicht meist nichts mehr im Wege.

Danach dürfte der Dienstleister oder Software-Programmierer aufgrund von Software-Fehlern jedenfalls im Rahmen der Haftung finanziell nicht mehr einzusetzen haben, als er als Vergütung zuvor eingenommen hat.

Den größten Fehler bei der Frage der Haftung, den Dienstleister oder Software-Entwickler machen können, ist daher, die Haftungsfrage nicht vertraglich zu regeln, sondern das starre Korsett des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuerkennen.

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