Kampagne "Arm sein ist geil"
Recklinghausen/Bielefeld - "Krankheit ganz billig", "Geizen auch bei den Kranken - das ist geil!", ätzen die Schlagzeilen auf dem Flugblatt. "Arm sein ist geil", provoziert die Kampagne "Satire" des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen.
"Geiz ist die Strategie, dem Anderen etwas vorzuenthalten, um möglichst selbst noch davon zu profitieren", predigt Volker Brockhoff, Referent des Kirchenkreises, in der WDR-Sendung "Monitor" (8. Januar 2004). Der Sozialstaat sei angeblich zu teuer geworden legt Hans Hubbertz, Industrie- und Sozialpfarrer des kleinen Kreises nach, und damit definiere der Staat Leute, die Sozialleistungen empfangen, als zu teuer.
"Wir haben eine Idee gesucht, wie man auf witzige, bissige Art dem Zeitgeist in unserem Land den Spiegel vorhalten kann", erzählt Brockhoff gegenüber manager-magazin.de. Für ihren Kreuzzug gegen die Ungerechtigkeit setzten sie sich an ihre Computer und entwarfen Flyer. Rund 20.000 "Satire"-Broschüren, die in Layout und Typografie stark an den Elektronikfachmarkt Saturn erinnern, verschickten sie per Post und im Internet. Unterschiedliche Slogans zierten die Seiten der Broschüre, alle angelehnt an die Werbekampagne von Saturn, aber inhaltlich bezogen auf die Sozialkürzungen.

Armut: Schon ab 67,- Euro zu haben
Foto: DDP
Arbeitslosigkeit: Für lau
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Perle: Statt 30 nur noch einen Euro pro Stunde
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Krankheit: Kostenlos
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Die engagierten Kirchenmänner wettern auf ihre Weise gegen das Reformpaket der Bundesregierung. "Wenn die Agenda 2010 wirklich durchgesetzt wird, werden die Sozialleistungsempfänger, die sich selbst als Schnäppchenjäger verstehen, zu Schnäppchen des Sozialstaats", sagt Hubbertz. Doch damit stießen sie nicht nur auf Verständnis.
Zuviel Geiz ist auch nicht geil. Saturn machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Der Elektronikhändler droht mit rechtlichen Schritten, falls die Verbreitung des Flugblattes nicht eingestellt werde. Satire wie diese schädige das Geschäft des Geiz-Gottes. "Der Flyer war handwerklich gut gemacht", beteuert Bernhard Taubenberger, Pressesprecher von Saturn, gegenüber manager-magazin.de anerkennend: "Kompliment an die kreativen Köpfe, die ihn entwickelt haben." Genießen können Hubbertz und Brockhoff ihre Aufsehen erregende Kampagne allerdings nicht.
"Der Flyer ist tendenziell imageschädigend für unseren Konzern", so Taubenberger, "da er von vielen als Kritik an unserem Hause verstanden wird." Die Recklinghausener stellten daraufhin die Distribution ein, seither ist der Fall für Saturn "definitiv erledigt". Die beiden Gottesdiener aber brüten schon über neuen Ideen. "Das Thema liegt uns nach wie vor am Herzen", sagt Brockhoff und schmunzelt.