Premiere Nagravision geknackt
Ein neues Verschlüsselungssystem sollte die rund eine Million Schwarzseher des Pay-TV-Senders aussperren. Doch nun ist offenbar auch das als sehr sicher geltende Nagravision geknackt worden.
München - Vor wenigen Wochen schaltete Deutschlands einziger Pay-TV-Sender Premiere Anzeigen in den Tageszeitungen. Die Stilrichtungen Trauer und Geburt richteten sich vor allem an die schätzungsweise eine Million Schwarzseher des Senders.
Was der Sender damit sagen wollte, war klar: In der Traueranzeige verabschiedete sich der Sender von seinem alten und geknackten Verschlüsselungssystem Betacrypt und damit von den Schwarzsehern. Die Geburtsanzeige hieß den Nachfolger Nagravision willkommen. "Wir haben nun eine einbruchssichere Panzerverglasung", gab sich Premiere-Chef Georg Kofler damals verzückt.
Und jetzt das: Die Computerzeitschrift "C't" berichtet in ihrer neuen Ausgabe, dass das hochgelobte Verschlüsselungssystem doch geknackt wurde. Über eine Software kann das Codewort auf der Premiere-Chipkarte ausspioniert werden, so das Magazin. In Internetforen kursierten bereits die entsprechenden Lösungen. Eine einzige gültige Abokarte reiche aus, damit theoretisch beliebig viele Zuschauer Premiere "gratis" sehen können.
"Das System ist nicht geknackt"
Nach Ansicht des Senders ist Nagravision aber sicher. "Das System ist definitiv nicht geknackt", sagte ein Premiere-Sprecher. Zumindest werde es mit Hilfe der neuen Verschlüsselung auch in Zukunft keinen neuen Massenmarkt für Schwarzseher mehr geben.
Dennoch musste der Sprecher einräumen: "Natürlich gibt es in diesem Bereich theoretische Umgehungsmöglichkeiten." Bei dem neuen Verschlüsselungssystem seien diese aber extrem aufwendig. Zudem sei es einfach, den Weg bis zum Täter zurückzuverfolgen.
Die für den "C't"-Bericht verantwortlichen Redakteure bestätigten gegenüber dem "Handelsblatt", dass das Verfahren sehr aufwendig sei. Doch versierten Technikern werde es mit dem Software-Trick weiter möglich sein, sich einen Zugang zu erschleichen, so die Autoren.
Die Schwarzseher waren für Premiere in den vergangenen Jahren ein großes Problem. Unter dem alten System Betacrypt gab es einen lebhaften Handel mit gefälschten Karten.
Der Sender selbst schätzte die Zahl der nicht zahlenden Kunden auf bis zu 1,5 Millionen. Anfang November stellte Premiere auf das neue System "Nagravision" um. Der Schwarzmarkt der Nachbaukarten sei damit erst einmal trocken gelegt, hieß es auch in dem "C't"-Bericht. Es gebe aber Möglichkeiten, das neue System zu umgehen.
Premiere hofft, dass nun zahlreiche bisherige Schwarzseher ein Bezahl-Abonnement bestellen. Der Sender rechnet in den ersten sechs Monaten nach Umstellung auf das neue System mit bis zu 200 000 zusätzlichen Kunden. Derzeit liege man mit den Zahlen über Plan, sagte der Sprecher. "Wir sehen eindeutig einen Effekt."