Lycos Europe Keine Gewinne vor 2006
Gütersloh - Eigentlich haben Internetportale und Online-Dienstleister derzeit allen Grund zum Lachen: Die Klickzahlen steigen, die Werbeerlöse ebenfalls, und selbst die lang umstrittenen Bezahlinhalte spülen langsam Geld in die Kassen. Nur bei Lycos Europe scheint der Trend noch nicht angekommen zu sein. 21,6 Millionen Euro hat die ehemalige Nemax-50-Gesellschaft im vergangenen Quartal umgesetzt - ein Minus von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Besserung ist momentan nicht in Sicht: Anlässlich einer Telefonkonferenz zum aktuellen Quartalsbericht räumte Lycos-Europe-Chef Christoph Mohn ein, dass sein Unternehmen frühestens in drei bis fünf Jahren mit Gewinnen rechnet.
Als einen der Gründe für den Umsatzrückgang führt Mohn das weiterhin schwache Werbeaufkommen an. "Vor allem der im Oktober 2002 ausgelaufene Werbevertrag mit Bertelsmann wirkt nach", so der Vorstandschef. Zwar wurden einige Verlustbringer verkauft, unter anderem die norwegische Internetplattform "Nofa", doch die dadurch generierten Anzeigenumsätze sind damit ebenfalls abhanden gekommen.
Auch für die kommenden Monate erwartet Mohn höchstens ein "leichtes Anziehen der Werbeausgaben". Diese Einschätzung überrascht. Denn nahezu alle Prognosen und Experten rechnen auch für dieses Jahr wieder mit einem zweistelligen Wachstum für Reklameaufwendungen, zumindest im Bereich der Onlinewerbung.
Strategie wie zu Dotcom-Boomzeiten
Lycos Europe jedenfalls plant nicht an Werbung zu sparen und will kräftig ins Marketing investieren. "Sicher werden diese Ausgaben zunächst weiteres Kapital verbrennen", so der CEO, "aber wir erhoffen uns dadurch eine höhere Bekanntheit und Nutzung unserer Dienste und in Zukunft höhere Umsätze." Ähnliche Strategieaussagen, die an die goldenen Dotcom-Boomjahre erinnern, waren auch schon zur Präsentation des vergangenen Quartalberichts zu hören.
Dennoch sind die Umsätze des Gütersloher Unternehmens bis auf die Ausnahme des gerade vergangenen Quartals seit mehr als einem Jahr rückläufig. In gesamten ersten Halbjahr 2003 hat Lycos Europe 42,4 Millionen Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Minus zum Vorjahreszeitraum von 32 Prozent.
Das Ebitda (Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) weist ein Minus in Höhe von 20,4 Millionen Euro aus. Immerhin konnte das Internetportal den Jahresfehlbetrag um 81 Prozent auf 27,2 Millionen Euro verringern.
Hohe Firmenwert-Abschreibungen
Der letztjährige Verlust in Höhe von 147,1 Millionen Euro sei allerdings nur wegen Firmenwert-Abschreibungen von knapp hundert Millionen Euro außergewöhnlich hoch gewesen.
Als Hoffnungsträger für steigende Erlöse gelten der neue Partner Google und neue Bezahldienste: Rund sieben Millionen Euro werde der Deal mit der weltweit führenden Suchmaschine einbringen. In etwa die Summe, die durch die Kündigung des Werbeabkommens mit Bertelsmann verlustigt gegangen ist. Das so genannte Google-Agreement sieht zum einen vor, dass die Suchergebnisse verbessert werden sollen, und zum anderen, dass Google Werbeanzeigen für die Mitgliederseiten von Lycos Europe liefern wird.
Investments in Produktentwicklung
"Außer in Marketing werden wir auch verstärkt in die Produktentwicklung investieren", kündigt Mohn an. Ziel sei es, den stark wachsenden Markt für Bezahl- und Shoppingdienste besser bedienen zu können. So planen die Gütersloher ihre Programme zum Erstellen von Webseiten zu verbessern sowie die SMS und MMS-Dienste auszubauen.
Allen negativen Zahlen und Entwicklungen zum Trotz gibt sich Christoph Mohn weiter optimistisch: "Wir haben stetes Wachstums und sehen uns bestens positioniert für die Zukunft."
Auch die Pläne des spanischen Telefonica-Konzerns, den größten Lycos-Europe-Anteilseigner Terra Lycos als eigenständiges Unternehmen vom Markt zu nehmen, sorgt für keinerlei Besorgnis: "Wenn es uns überhaupt betrifft", so Mohn, "dann sehe ich für die nächste Zeit keinerlei Änderungen."