Internetreisebüros Überraschender Höhenflug
Hamburg - Die Reisebranche trudelt. Konjunkturflaute und Terrorangst machen den Anbietern zu schaffen. Der Kampf um die Kunden ist härter geworden. Doch nicht alle Unternehmen, die sich mit Reisen beschäftigen, gehören zu den Verlierern der derzeitigen Flaute. Billiganbieter und Internetfirmen punkten in der Krise.
Statt Einbrüchen erleben die Onlinefirmen einen Aufschwung, von dem manch ein Unternehmen nur träumen kann. Da ist von Steigerungsraten im zwei- und dreistelligen Bereich zu lesen natürlich auf niedrigem Niveau. Doch eines wird deutlich: Längst wird im Internet nicht mehr nur nach Informationen gesucht, immer mehr Nutzer buchen direkt.
Expedia.com punktet
Und die Bilanz kann sich sehen lassen: Erste Unternehmen melden schwarze Zahlen wie beispielsweise die ehemalige Microsoft-Beteiligung Expedia.com. Das Online-Reisebüro setzte im dritten Quartal 2002 165,8 Millionen Dollar um. Der Nettogewinn lag bei 20,1 Millionen Dollar.
Auch bei dem in zehn Ländern Europas aktiven Lastminute.com zeigen die Zahlen nach oben. Zwar schloss das Unternehmen das Geschäftsjahr 2002 mit einem Verlust ab, im vierten Quartal 2002 schrieb die Internetfirma immerhin ein Ebitda von 4,41 Millionen Euro. Das Gesamttransaktionsvolumen lag bei etwa 73,9 Millionen Euro, für das Geschäftsjahr 2002 sogar bei rund 387,7 Millionen Euro. Bis Ende 2003 will Lastminute.com profitabel sein.
Opodo streckt Fühler aus
Vom Internetboom will auch der Online-Reiseanbieter Opodo profitieren. Das Unternehmen wurde erst vor einem Jahr von acht europäischen Airlines unter anderem Lufthansa, British Airways und Air France - gegründet. Reisewillige können hier Flüge buchen. Künftig sollen Pauschalreisen das Angebot komplettieren.
"Wir sind bereits mit verschiedenen Anbietern im Gespräch", sagt David Scowsill, Chief Executive Officer (CEO) von Opodo, gegenüber manager-magazin.de. Der Manager trat erst vor wenigen Wochen das Amt des CEOs an. Nun sollen unter seiner Führung Kundenzahlen und Umsätze weiter steigen. Neben Komplettangeboten setzt Scowsill dabei auch verstärkt auf Geschäftskunden.
Opodo.de gehört hier zu Lande mittlerweile zu den beliebtesten Reise-Websites (Nielsen Netratings). 2,5 Millionen Nutzer besuchen die Site pro Monat, heißt es. Es sei ein gutes erstes Jahr gewesen, resümiert der Unternehmenschef. "Gnade der späten Geburt", mag da einer urteilen, denn das Unternehmen startete erst wenige Tage nach dem 11. September 2001. Die Erwartungen mussten sicherlich dementsprechend von Anfang an niedrig angesetzt werden, die Steigerungsraten sind also hoch. 2004 will Scowsill aber den Break-even erreichen.
Ob es gelingt? Zahlen zu Umsatz und Ergebnis will Scowsill nicht nennen. Dass einer der Eigner möglicherweise ungeduldig werden könnte, erwartet der CEO nicht. "Wir sind ein Langzeitinvestment", so der Manager selbstsicher. Im kommenden Jahr solle aber ein weiterer Gesellschafter bei Opodo einsteigen, sagt er. Im Zuge dessen würden die Fluggesellschaften ihre Anteile senken. Wer der neue Partner sein wird, lässt Scowsill offen.
Lufthansa im Aufwind
Bei Lufthansa weiß man von diesem Vorhaben noch nichts. Der Konzern wolle aber an Opodo festhalten, heißt es. Das Internet hat als Vertriebsweg, bei dem man auf Provisionen an Händler verzichten kann, bereits einen festen Platz in der Konzernstrategie. Derzeit verkauft die Airline drei Prozent der Tickets übers Netz. Und das solle mehr werden, erklärt Amelie Lorenz, Pressesprecherin von Lufthansa, gegenüber manager-magazin.de. "2005 rechnen wir damit, dass der Ticketverkauf übers Internet einen zweistelligen Prozentanteil einnehmen wird."
Auch andere Fluggesellschaften rechnen mit einem starken Anstieg bei den Internetbuchungen. Und vieles spricht dafür: Einer Studie von Nielsen Netratings zufolge übertreffen die Internetangebote der Fluglinien bei den Besuchen derzeit sogar die Zuwachsraten der Reisebüros. Lufthansa verbuchte beispielsweise innerhalb eines Jahres einen Anstieg von 442 Prozent, British Airways von 170 Prozent und KLM von 137 Prozent.
Ryanair und Co. zeigen, wo es lang geht
Auslöser für den Boom mögen unter anderem die Billigairlines wie Ryanair, Easyjet, Berlin Air oder der neue Billigflieger Hapag-Lloyd Express sein. Für 29 Euro nach Rom, für 19 Euro nach London im Preisdumping sind die neuen Fluglinien Profis und damit locken sie die Kunden ins Netz. Denn die meisten der Niedrigpreisanbieter setzen beim Vertrieb insbesondere auf das Internet.
Und es funktioniert. Ryanair ist in den schwarzen Zahlen, Easyjet ebenfalls. Letztere Gesellschaft generiert rund 90 Prozent der Umsätze übers Netz. "Die Airlines erziehen ihre Kunden", kommentieren Branchenkenner schon die Entwicklung.
Die Online-Konkurrenz hofft nun, dass die Akzeptanz für Internetkäufe weiter steigt. "Wir profitieren vom Engagement der Billigairlines", sagt auch Opodo-Chef Scowsill. Und ganz leise entsteht da die Hoffnung, dass die Erfolgswelle vielleicht auch noch auf ganz andere Bereiche im E-Commerce überschwappen könnte.