Siemens Handys für euch, Netze für uns
München - Den Konkurrenten Nokia und Motorola kann der Siemens-Konzern bei der Handy-Herstellung nicht das Wasser reichen, jüngst zog auch Samsung an den Deutschen vorbei. Nun haben sie offenbar Grundzüge eines Paktes ausgehandelt, der den gänzlichen Ausstieg aus dem Mobiltelefon-Geschäft besiegeln könnte.
Noch auf der Computermesse Cebit strotzte Siemens-Vorstand Volker Jung vor Zuversicht. Beim Marktanteil auf dem globalen Handy-Markt liege Siemens an Position drei, und das solle und werde auch so bleiben.
Ein klarer Irrtum: Während Siemens auf dem Heimatkontinent Europa weiter klar die Nummer zwei hinter dem überragenden Marktführer Nokia bleibt, hat Samsung die Deutschen weltweit überflügelt. Ihr Marktanteil liegt bei 9,5, der von Motorola bei 15,7 und der von Nokia bei 35,6 Prozent. Siemens hingegen erreicht 8,4 Prozent der neuen Kunden.
Handys für euch, Netze für uns
Seit Tagen wird nun darüber spekuliert, dass die Deutschen die harte Konsequenz aus dem Zurückfallen ziehen könnten und ihre Handy-Herstellung komplett aufgeben und in einem Tauschgeschäft an Motorola weiterreichen könnten. Nachdem bereits das Internetportal "ChicagoBusiness.com" von einem derartigen, möglichen Deal erfahren haben wollte, schreibt auch die "Financial Times Deutschland" (FTD) unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise, über die Grundzüge des Geschäftes bestünde bereits Einigkeit.
Wenn Substanz hinter den Spekulationen steckt, stärkt jeder der Konzerne eine seiner bereits soliden Sparten und gibt eine andere auf: Siemens erhielte von Motorola die derzeit immer noch klar defizitäre Netzsparte und würde in diesem Bereich zur Nummer zwei hinter dem Marktführer Ericsson avancieren.
Um einen Schlag 25 Prozent mehr Marktanteil
Motorola würde mit der Übernahme der Handy-Produktion von Siemens seine Position hinter Nokia klar verbessern und voraussichtlich den Marktanteil in Europa deutlich steigern können.
Dass Motorola auf dem Heimatkontinent von Nokia und Siemens nur magere 8,1 Prozent des Marktes kontrolliert, wurmt die Amerikaner schon lange. Weltweit könnte sich der Marktanteil Motorolas mit einem Schlag auf 25 Prozent erhöhen. Vordergründig also ein Geschäft, das für beide Seiten Vorteile zu bieten scheint.
Indes: Der Siemens-Konzern gibt bisher keinerlei konkrete Stellungnahme zu den Gerüchten ab. Gerüchte kommentiere man nicht, sagte eine Sprecherin am Montag. Nach Informationen des "ChicagoBusiness.com" verhandeln die beiden Konzerne zudem schon seit rund einem Jahr über ein solches Tauschgeschäft.
Die Gespräche seien aber schon mehrfach an einem toten Punkt angelangt. Als Knackpunkt gilt unter anderem die Preisfrage. Die "FTD" berichtet, Siemens verlange zusätzlich zum reinen Spartentausch einen Aufschlag von Motorola. Die Amerikaner ihrerseits hätten gefordert, bei der Netzsparte ihren wichtigen Kunden Nextel behalten zu dürfen, schreibt das US-Portal.
Siemens dementiert
Siemens stellte mittlerweile klar, dass sich das Unternehmen vom Handy-Geschäft nicht trennen will. Der für das Arbeitsgebiet Information und Kommunikation zuständige Siemens-Vorstand Volker Jung sagte am Dienstag in München, das sei nicht vorstellbar.
Berichte über den Tausch mit Motorola kommentierte Jung nicht. Er sagte lediglich, Siemens spreche mit Motorola und mit einer Reihe von Firmen über Kooperationen oder andere Möglichkeiten zur Kostensenkung.
Hinzu kommt, dass Siemens das Handy-Geschäft trotz Branchenkrise und Verlust von Marktanteilen weiter für profitabel hält. Zudem spielen die Handys eine wichtige Rolle für das Image des deutschen Elektronik-Konzerns, der ansonsten für weitaus weniger trendgemäße Produkte wie Haushaltsgeräte bekannt ist. Siemens-Chef Heinrich von Pierer selbst hat wiederholt mit Handys für Kameras posiert.
Unklar bleibt auch, was bei einem Tausch-Deal mit Motorola aus der Marke Siemens werden würde. Es gilt als denkbar, dass Motorola den Namen aufgeben würde. Möglich ist auch, dass die Amerikaner für Siemens Geräte produzieren, die weiter unter der Marke Siemens vertrieben werden und sich geringfügig von den Motorola-Fabrikaten unterscheiden. So baut Motorola bereits UMTS-Handys für Siemens.
Protest gegen drohenden Stellenabbau
Unterdessen werden Siemens-Mitarbeiter in Nordrhein-Westfalen am Dienstag weiter gegen den drohenden Arbeitsplatzabbau demonstrieren. In Düsseldorf wollen sie am Vormittag zur Staatskanzlei ziehen und die Unterstützung der Landesregierung einfordern.
Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet, dass von den landesweit 10.000 Arbeitsplätzen bei Siemens bis zu 4000 abgebaut und in andere Unternehmen ausgelagert werden. Außerdem drohe ein Absenken von Tarifstandards. Bereits in der vergangenen Woche gab es eine Demonstration in Köln.