Analysten haben den Online-Dienst AOL im Visier. Der Medienkonzern soll sich von der defizitären Internetsparte trennen. Derweil wurde erneut ein Aktionärsklage wegen falscher und irreführender Aussagen eingereicht.
New York/Philadelphia - Der Druck auf den weltgrößten Medienkonzern AOL Time Warner wächst. Nach Milliarden-Abschreibungen und angeblichen Bilanzfälschungen fordern Wall-Street-Experten jetzt den Verkauf des Online-Dienstes AOL.
Michael Gallant, Analyst bei CIBC World Markets, sagte gegenüber dem "Wall Street Journal": "Sie sollten den Unternehmensbereich America Online ausgliedern, um die Wachstumszahlen des Konzerns nicht immer wieder zu verderben." Ein Konzernsprecher bestritt derartige Pläne. Auch sprechen die hohen Schulden von AOL in Höhe von 28,5 Milliarden Dollar gegen einen möglichen Verkauf.
Sollte die Außenstände bei einer Trennung zum Großteil auf das Konto von AOL übergehen, wäre es fraglich, ob der Online-Dienst allein die Schulden abbauen könnte. Würden sie umgekehrt Time Warner angelastet, würde die Gefahr bestehen, dass das Kredit-Rating des Konzerns leidet.
Ganz ausgeschlossen werden kann eine Trennung jedoch nicht. Wenn sich die Situation bei AOL nicht in ein bis zwei Jahren ändert, könnte eine radikale Umstrukturierung fällig werden, hieß es gegenüber dem "Wall Street Journal" aus Unternehmenskreisen.
Neue Klage eingereicht
Derweil droht AOL Time Warner in den USA erneut eine Sammelklage. Wie die Anwaltskanzlei Berger & Montague in Philadelphia mitteilte, wollen Anleger, die zwischen Oktober 2000 und Juli diesen Jahres AOL-Wertpapiere gekauft haben, gegen das Unternehmen vorgehen.
Dem Medienkonzern werde vorgeworfen, falsche und irreführende Erklärungen über die Werbeumsätze seit dem dritten Quartal 2000 veröffentlicht zu haben. Ferner hätten AOL-Mitarbeiter auf Grund von Insider-Informationen zehntausende Aktien Gewinn bringend verkauft.
Bereits vergangene Woche waren ähnliche Klagen wegen angeblicher Bilanzierungstricks gegen AOL Time Warner und den Wirtschaftsprüfer Ernst & Young eingereicht worden.