Kirch-Krise Springer legt sich quer
München/Frankfurt - Überraschende Wende im Poker um die Springer-Anteile des Medien-Tycoons Leo Kirch: Die Commerzbank hat ihr Mandat für die Übernahme des Aktienpakets an den angeschlagenen Münchener Konzern zurückgegeben.
Die 40-prozentige Beteiligung am Hamburger Axel Springer Verlag gilt als ein Filetstück der Kirch-Gruppe. In dem verschachtelten Konzern gehört sie zur KirchBeteiligungs GmbH, die als einzige der drei Kirch-Bereiche bislang keinen Insolvenzantrag gestellt hat.
Im Februar hatte bereits die HypoVereinsbank Kirch 1,1 Milliarden Euro für das Paket geboten, dann aber einen Rückzieher gemacht. Damit ist nun die Deutsche Bank am Zug.
Keine Einigung über Vinkulierung
Deren Sprecher Dierk Hartwig äußerte sich am Freitagabend zu der neuen Situation gelassen: "Das ändert nichts an unserer Position. Wir bemühen uns um eine Lösung im Einklang mit den Interessen des Hauses Springer." Zu Detailfragen wollte Hartwig keine Stellungnahme abgeben.
In Bankenkreisen hatte es zuvor geheißen, das alleinige Interesse der Deutschen Bank bestehe darin, ihren fällig gestellten Kirch-Kredit abzulösen. Sollte das Paket nun der Bank zufallen, würden der Kirch-Gruppe damit voraussichtlich mehrere Hundert Millionen Euro weniger zufließen als bei einer Übernahme durch andere Institute.
Die Commerzbank begründete am Freitagabend ihre jüngste Entscheidung damit, dass man sich mit Springer nicht über die freie Verwertung der Aktien nach einer Haltefrist von drei Jahren habe einigen können. Der Finanzkonzern wollte gemeinsam mit der Dresdner Bank, der halbstaatlichen BayernLB und der Verlegerwitwe Friede Springer das Aktienpaket übernehmen und in drei Jahren an die Börse bringen.
Da es sich bei den Aktien aber um vinkulierte Namensaktien handelt, setzt ein Kauf die Zustimmung des Vorstands voraus. Alle beteiligten Banken zeigten sich überrascht, dass die Vereinbarung noch geplatzt ist. Noch am Morgen hatte sich die Commerzbank zuversichtlich gezeigt, in der nächsten Woche eine Lösung zu präsentieren.
"Wir hatten einen fertigen Deal"
"Wir hatten bis Freitag 16 Uhr einen fertigen Deal, an dem auch die Deutsche Bank beteiligt war, der vorsah, die Vinkulierung nach drei Jahren aufzuheben, damit die Aktien leichter am Markt platziert werden können", sagte ein mit der Transaktion vertrauter Banker gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Springer-Sprecherin Edda Fels erklärte dagegen, der Verlag habe immer deutlich gemacht, dass die Vinkulierung nicht zur Debatte stehe. "In diesem Punkt haben wir es nicht an Deutlichkeit fehlen lassen", sagte die Sprecherin. Das bisher diskutierte Banken-Modell sah vor, dass Verlagserbin Friede Springer ihren Anteil am Verlag um fünf Prozentpunkte auf 55 Prozent erhöht.
Was wird aus der KirchBeteiligungs GmbH?
Das Springer-Paket fällt damit an die Deutsche Bank, deren Kirch-Kredit über 720 Millionen Euro damit besichert war. In Bankenkreisen hieß es, Europas größtes Kreditinstitut wolle sich schnell um eine Lösung im Einvernehmen mit Springer bemühen und das Paket nicht behalten. Die Bank könne damit rechnen, mehr als 720 Millionen Euro zu erzielen.
Die Springer-Sprecherin sagte, es bestehe mit der Deutschen Bank Einigkeit über das Aktienpaket. Ein Sprecher der Bank wollte dies aber nicht bestätigen.
870 Millionen Euro Erlös waren geplant
Die gescheiterte Lösung der Commerzbank hätte einen Erlös für das Springer-Paket für 870 Millionen Euro vorgesehen, hieß es in Bankenkreisen. 150 Millionen Euro wären an die BayernLB und die beiden US-Investmentbanken Lehman Brothers und JP Morgan gegangen, die Kirch seinen riskanten Einstieg in die Formel 1 finanziert hatten.
Die drei Formel1-Banken hätten zudem einen so genannten Besserungsschein erhalten, der zusätzliche Zahlungen vorsah, wenn das Aktienpaket einen höheren Erlöse nach der Haltefrist erzielt hätte, hieß es weiter.
Der Springer Verlag hatte im vergangenen Jahr erstmals in seiner 50-jährigen Geschichte einen Verlust erwirtschaftet. Analysten sehen die Vinkulierung der Aktien als Nachteil, weil die Zustimmung des Vorstands die Spekulationsmöglichkeiten verringere. Abschreckend sei für Investoren auch der minimale Streubesitz von weniger als zehn Prozent.
Von Seiten der Kirch-Gruppe war am Freitagabend keine offizielle Stellungnahme zu bekommen. Unternehmenssprecher Hartmut Schultz wollte sich auch nicht zu der Frage äußern, ob die KirchBeteiligungs GmbH & Co KG, bei der das Springer-Aktienpaket liegt, wegen der Mandatsrückgabe in der nächsten Woche Insolvenz anmelden wird.
Am Mittwoch hatte die KirchPayTV als zweiter der drei Kirch-Bereiche beim Amtsgericht München Insolvenzantrag gestellt. KirchPayTV ist die Muttergesellschaft des verlustreichen Abo-Senders Premiere. Der Sender ist aber nach Worten des Premiere-Chefs Georg Kofler nicht direkt betroffen.
Der Sendebetrieb solle uneingeschränkt fortgesetzt werden, versicherte er. Um Premiere aus der Verlustzone zu führen, will er 1.000 der 2.400 Arbeitsplätze streichen und mit Programmlieferanten die Preise nachverhandeln.
WM-Übertragung gefährdet?
Unterdessen machen Meldungen die Runde, die Übertragung der Fußball-WM in Japan und Südkorea in drei Wochen sei durch den Zusammenbruch der Kirch-Gruppe im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gefährdet. Die ARD allerdings wies einen entsprechenden Zeitungsbericht zurück.
"Es ist absolut sicher, dass ARD und ZDF wie vereinbart 25 WM-Spiele übertragen werden", sagte ARD-Sprecher Rüdiger Oppers am Freitagabend der Nachrichtenagentur Reuters. Von Drohungen der neuen Kirch-Geschäftsführung, die Rechte wegen Insolvenz des Kerngeschäfts KirchMedia zurückzuziehen, ließen sich die Sender nicht beeindrucken.
Geschäftsführer Ziems sorgt für Diskussionen
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte unter Berufung auf den neuen KirchMedia-Geschäftsführer Hans-Joachim Ziems berichtet, die WM-Übertragung könne auf insolvenzrechtliche Probleme stoßen. Wenn das Insolvenzverfahren wie geplant am 1. Juni per Gerichtsbeschluss eröffnet werde, könnten die TV-Rechte an KirchMedia zurückfallen, habe Ziems gewarnt, berichtete die Zeitung vorab aus ihrer Samstagsausgabe.
ARD und ZDF zählten dann zu den vielen Gläubigern des Unternehmens. Von Kirch gab es keine Stellungnahme zu dem Bericht.
50 Millionen Euro Restbetrag gefordert
Ziems sagte der Zeitung dem Vorabbericht zufolge, die Anstalten müssten für die Weltmeisterschaft 2002 noch einen Restbetrag von 50 Millionen Euro zahlen, der bisher an einen Vertragsabschluss für die WM 2006 in Deutschland gebunden sei.
Damit würden die Anstalten Sicherheit für die WM in Asien bekommen. ARD-Sprecher Oppers wies dies zurück. Die öffentlich-rechtlichen Sender hätten einen Vertrag mit KirchMedia abgeschlossen und dafür bezahlt.
KirchMedia, die am 8. April Insolvenz angemeldet hatte, hat im Einvernehmen mit den Gläubigern und dem Fußball-Weltverband Fifa die WM-Übertragungsrechte in die KirchSport ausgegliedert. Im Zuge der Insolvenz wären die Rechte sonst an die Fifa zurückgefallen, die eine Vermarktung kaum mehr hätte realisieren können.
Drei wackelige Säulen
Die Kirch-Gruppe war bislang einer der größten Medienkonzerne Europas rund um Film, Fernsehen, Fußball und die Formel 1. Zur Gruppe mit Sitz in Ismaning bei München gehören rund 65 Unternehmen und Beteiligungen mit insgesamt 9500 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro.
Unter der Dachgesellschaft TaurusHolding, die zu 100 Prozent der Kirch Unternehmensstiftung gehört, ruht der Konzern auf drei Säulen:
1. KirchMedia:
In der KirchMedia mit 5500 Beschäftigten sind der Rechtehandel und der TV-Konzern ProSiebenSAT.1 gebündelt. Auch wenn die Geschäfte innerhalb der KirchGruppe schwer zu durchschauen sind, galt die KirchMedia bisher als profitabel. Die Gesellschaft hielt auch die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga und die Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Kern des Filmrechtehandels der KirchMedia sind eine 11 000 Titel umfassende Spielfilmbibliothek und 40 000 Stunden Fernsehserien.
Zu den Gesellschaftern der KirchMedia gehört neben Kirchs TaurusHolding (72,62 Prozent) auch Leo Kirchs Sohn Thomas Kirch (6,54 Prozent). Außerdem sind Unternehmen des italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi (knapp 5 Prozent), der Medienkonzern News Corp von Murdoch (2,48 Prozent), die REWE-Gruppe (5,71 Prozent) sowie die Investmentgesellschaft Kingdom Holdings des saudischen Prinzen Al Walid (2,48 Prozent) und Finanzinvestoren beteiligt.
2. KirchBeteiligungs GmbH:
Die zweite Gesellschaft der Kirch-Gruppe ist die KirchBeteiligungs GmbH. Sie umfasst unter anderem die 40-prozentige Beteiligung am Axel Springer Verlag.
3. KirchPayTV:
Größtes Sorgenkind der Kirch-Gruppe war bisher der KirchPayTV-Bereich mit dem Bezahlsender Premiere. In dieser Dachgesellschaft sind die Beteiligungen im Bezahlfernsehen und Filmrechte für PayTV-Programme gebündelt. Der Sender Premiere gehört als Kernstück zu 100 Prozent zur KirchPayTV.
An der Dachgesellschaft hält die TaurusHolding 69,75 Prozent. Rupert Murdochs BSkyB ist mit 22 Prozent beteiligt. Für diesen Anteil hatte er Ende 1999 knapp 1,5 Milliarden Euro gezahlt und Kirch so dringend benötigte Liquidität verschafft. Weitere Gesellschafter der KirchPayTV sind die Kingdom Holding von Prinz Al Walid (3,12 Prozent) und Finanzinvestoren.
Premiere erzielte in den vergangenen Jahren Milliardenverluste. 2001 stieg das Minus vor Steuern und Zinsen noch einmal auf 989 Millionen Euro. Der Umsatz ging leicht auf 813,1 Millionen Euro zurück. Die Zahl der Abonnenten stagnierte bei 2,4 Millionen Kunden und blieb damit weit hinter den ursprünglichen Planungen zurück.
Seit 1986 Abofernsehen in Deutschland
Zur KirchPayTV gehört unter anderem auch eine 40-Prozent- Beteiligung am Teleclub. Bei dem Schweizer Bezahlsender hatte Kirch 1984 das Abenteuer PayTV gestartet. Chef von Premiere und der KirchPayTV ist Georg Kofler.
Abofernsehen gibt es in Deutschland schon seit 1986. Kirch hatte damals den Schweizer Teleclub nach Deutschland ausgedehnt, aber nur 100.000 zahlende Zuschauer erreicht. Daraufhin gründete er zusammen mit Bertelsmann und dem französischen Pay-TV-Betreiber Canal plus Premiere.
Dreistellige Millionenverluste
1996 gründete Kirch einen zweiten Pay-TV-Sender, das Digitale Fernsehen DF1, das eine schier unbegrenzte Zahl von Kanälen, Pay-per-View-Angeboten und Internet-Verknüpfungen ermöglichte. Mit der D-Box zum Decodieren der Signale hatte er den Schlüssel für das digitale Fernsehzeitalter in der Hand - so Kirchs Vision, die Investoren und Banken teilten.
Die beiden konkurrierenden Abosender machten jedoch dreistellige Millionenverluste. Die Franzosen und Bertelsmann stiegen aus, worauf Kirch DF1 und Premiere zusammenlegte und Murdoch an Bord holte.