Kirch-Gruppe Kabale und Kannibalen
München Sollten die Gespräche zwischen Banken und Gesellschaftern rund um die Medienkonzerne von Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch endgültig scheitern, will die Kirch-Gruppe nach Informationen aus Insiderkreisen bis Montag Insolvenz beantragen. Wenn das Imperium Kirch einstürzen sollte, würde das die deutsche Medienlandschaft in ihren Grundfesten erschüttern.
Dabei gilt der Einstieg der Medienmogule Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch keinesfalls als gesichert. Die italienische Delegation hatte schon in der vergangenen Woche einmal demonstrativ die Verhandlungen verlassen und war zurück nach Mailand gereist.
Nach Einschätzung der Beteiligten könnte auch die massive Kritik aus der Politik an einer möglichen Übernahme der KirchMedia durch ausländische Unternehmer wie Italiens Ministerpräsident Berlusconi eine Rolle gespielt haben. Vor allem Nordrhein-Westfalens Regierungschef Wolfgang Clement sprach sich immer wieder gegen einen Einstieg des italienischen Regierungschefs und Medienunternehmers bei Kirch aus.
Bertelsmann-Chef Middelhoff gibt sich gelassen
Die deutsche Medienkonkurrenz, allen voran RTL-Eigentümer Bertelsmann, zeigt sich hingegen gelassen angesichts eines möglichen Einstiegs der Medienmogule Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi in den deutschen Fernsehmarkt. "Wir haben keine Angst vor neuen Wettbewerbern", sagte Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff der Tageszeitung "Welt".
Als naheliegendste Folge der Kirch-Pleite gilt die Insolvenz des Bezahlsenders Premiere. Der Pay-TV-Kanal hatte bereits den Abbau von rund 800 seiner 2400 Arbeitsplätze angekündigt. Die Milliardeninvestitionen in Premiere gelten als Hauptgrund für die finanzielle Schieflage der Kirch-Gruppe. Im vergangenen Jahr erzielte der Sender vor Steuern und Zinsen einen Verlust von fast einer Milliarde Euro. Mit rund 2,4 Millionen Abonnenten blieb Premiere weit hinter den Planzahlen zurück.
Unklar ist, welche weiteren Teile der Kirch-Gruppe letztendlich der drohenden Insolvenz zum Opfer fallen. Zum Medienkonzern mit Sitz in Ismaning bei München gehören rund 65 Unternehmen und Beteiligungen mit insgesamt 9.500 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro.
Endgültig geschlossen werden mit größter Wahrscheinlichkeit die Lokalsender TV München, TV Berlin und Hamburg 1. Insgesamt sind dort über 300 Angestellte beschäftigt. Die Zukunft des Deutschen Sportfernsehens hingegen, eine hundertprozentige KirchMedia-Tochter, ist genau so ungewiss wie die des Spartensenders Neun live, an dem Kirch über ProSieben SAT.1 beteiligt ist.
Die drei großen Kirch-Sender jedoch wollen von Krise nichts wissen. Aus den Sendern Sat.1, ProSieben und Kabel 1 dringen Durchhalteparolen und trotzig demonstriertes Selbstbewusstsein. Am Programm, sagen die Sprecher am Freitag, werde sich für die Zuschauer nichts ändern. Sie wollen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass ihre Existenz gesichert sei und ihr Programmprofil nicht angetastet werde - egal, wer die 52 Prozent KirchMedia-Anteil an der ProSiebenSat.1 Media AG übernehme. Aber: Medienexperten teilen den Zweckoptimismus der Sender so nicht.
"Es wird keine Veränderungen geben"
"Bei uns wird es keine Veränderungen geben", sagt eine Sprecherin des Münchner Privatsenders ProSieben, der mit einem Vorsteuerergebnis von 262 Millionen Euro im vergangenen Jahr die lukrativste Kirch-Beteiligung war. Bei ProSieben sind immerhin erfolgreiche Komiker wie Michael Herbig, Thomas Hermanns oder Stefan Raab zu Hause.
Vor größeren Umwälzungen könnte Sat.1 stehen, auch wenn es im Sender heißt, man stehe vor keinen Veränderungen. Immerhin bescherte das Jahr 2001 Sat.1 einen Verlust von 77 Millionen Euro. Nach Einschätzung von Branchenkennern gibt es Sparpotenzial im Management.
Abgesehen von der ungewissen Zukunft der Fußball-Bundesliga würden Programmflächen wie der traditionell schwache Vorabend oder die Wochenenden auf dem Prüfstand stehen. Auch der zweite Gewinn bringende Sender, Kabel 1, will sich nicht vor den Umwälzungen fürchten. Der Sender verweist auf seine "Cash Cows" im Bereich Filmklassiker, Serien und Showneuauflagen wie "Was bin ich?".
Gravierender ist die Situation bei den kleinsten Sendern, an denen Leo Kirch über seine Firma Kirch Media beteiligt ist. Der Nachrichtensender N 24, der seit seiner Gründung vor gut zwei Jahren noch keine Gewinne erzielen konnte, steht nach Einschätzung von Beobachtern vor dem Ende. Er könnte gekauft und - da er wertvolle Kabel-Frequenzen belegt - für andere Zwecke genutzt werden. "Zeitungsverlage stehen Gewehr bei Fuß", sagt Schulz.
Warum sollte nicht auch Herbert Kloiber (Tele München) zugreifen, ein ehemaliger Gefolgsmann Kirchs und alter Hase in der Branche? Er geht Ende April mit der Neuauflage von Tele 5 an den Start und sucht Plätze im Kabelnetz.