Pixelpark Im Kreuzfeuer

Paulus Neef hatte auf der gestrigen HV keinen leichten Stand. Entlassungen, hohe Verluste, Ärger mit Boris Becker und der katastrophale Aktienkurs sorgten für schlechte Stimmung in Berlin. Am Ende jedoch wurden Vorstand und Aufsichtsrat entlastet.

9.30 Uhr:

Am Veranstaltungsort, der ehemaligen Kongresshalle in der John-Foster-Dulles-Allee, haben sich etwa 50 Aktionäre eingefunden. Die Atmosphäre ist noch sehr entspannt, einige Teilnehmer haben bereits auf einem der rund 400 Stühle im Saal Platz genommen und blättern in Prospekten.

Im Eingangsbereich stehen jüngere Aktionäre und diskutieren. Einer von ihnen, Ende 20 und eigens aus Flensburg angereist, gibt sich zuversichtlich. "Ich habe Vertrauen in Paulus Neef", sagt er. "Momentan ist der Aktienkurs natürlich eine Katastrophe, aber dem Vorstand wird schon was einfallen. Der schafft das..."

Sein etwas älterer Nachbar kann diese Zuversicht nicht teilen. "Pixelpark war bislang mein größtes Börsendesaster. Weil Bertelsmann daran beteiligt ist, war ich anfangs sehr optimistisch, aber jetzt stehe ich mit über 60 Prozent Verlust da."

9.45 Uhr: Vor der Veranstaltungshalle ergibt sich ein Gespräch zwischen dem mm.de-Reporter und einem ehemaligen Mitarbeiter von Pixelpark. Es handelt sich um einen jungen Mann, Mitte 30, der auf seinen früheren Arbeitgeber heute nicht mehr gut zu sprechen ist. Nachdem er das Unternehmen von Anfang an begleitet hat, ist er vor zwei Jahren frustriert ausgestiegen.

Seine Analyse der jetzigen Situation fällt hart aus. "Pixelpark ist eine Bastelbude", sagt er, "die Motivation der Mitarbeiter ist unter Null. Schon 1998 sind die besten Leute weggegangen, weil Paulus Neef nicht mehr in der Lage war, mit seinen Kollegen zu sprechen. Man hatte das Gefühl, man redet mit einer Wand."

Für die Zukunft von Pixelpark ist er sehr skeptisch. Seine Fazit: "Es gab zu lange kein betriebswirtschaftliches Denken in dem Unternehmen. Das rächt sich jetzt. Die einzige Rettung sehe ich ihn der Übernahme durch einen großen Konzern."

10.10 Uhr: Das Podium ist inzwischen vollständig besetzt. Dort sitzen: COO Peter Ostermann, CFO Anette Koch, Paulus Neef, Klaus Eierhoff (Bertelsmann), Dr. Reinhard Liedl (Bertelsmann Aufsichtsrat) und Peter Zencke von SAP. Paulus Neef beginnt mit seiner Rede. Der Unternehmensgründer wirkt sichtlich angeschlagen.

10.15 Uhr: Neef geht auf die Entwicklung der vergangenen Monate ein. Er sagt: "Wir haben Fehler gemacht, aber auch das Marktumfeld hat sich deutlich verschlechtert. Die vergangenen Jahre waren wesentlich einfacher, inzwischen ist die Situation von Grund auf verändert."

Sein Unternehmen sieht Neef nach wie vor als Full-Service-Dienstleister. Ein klares Signal, dass sich an der Positionierung vorerst nichts geändert hat.

10.25 Uhr: Paulus Neef hat seine Rede beendet. Der Applaus ist sehr verhalten, einige Aktionäre hatten offenbar mehr erwartet.

Finanzvorstand Anette Koch übernimmt und beginnt mit ihrer Rede. Auch sie wirkt etwas angeschlagen, wie ein Fußballtrainer, der sich nach einem verlorenen Spiel der Presse stellen muss.

10.30 Uhr: Anette Koch geht ebenfalls auf die aktuelle Situation und den Umsatzrückgang ein. Auch sie verweist auf das Marktumfeld, das sich dramatisch verschlechtert habe. Außerdem erläutert sie, warum der Allianz-Auftrag schiefgelaufen ist. Eine Äußerung lässt sich einige Anwesende im Saal aufhorchen. Sie redet von personellen Überkapazitäten und führt aus, die Effizienz der einzelnen Mitarbeiter sei gesunken. Das kommt bei den Pixelpark-Angestellten im Saal nicht gut an...

10.40 Uhr: Anette Koch beendet ihre Rede, nachdem sie noch einmal betont hat, dass Bertelsmann fest an einen langfristigen Erfolg von Pixelpark glaubt. Allerdings gibt sie auch zu, dass man etwas Probleme mit der Akquisition neuer Kunde habe.

10.48 Uhr: Die erste Fragerunde beginnt. Es spricht Dirk Roth von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Er sagt: "Das einstige Vorzeige-Unternehmen Pixelpark ist zum Vorreiter der Negativ-Entwicklung am Neuen Markt geworden. Die Wirtschaftlichkeit ist auf der Strecke geblieben. Unser Geld wird vernichtet. Wenn es so weiter geht, müssen wir auf der nächsten HV möglicherweise über die Auflösung der Gesellschaft reden. Zurzeit ist Pixelpark ein Cash Burner erster Güte." Seine Ausführungen stoßen bei den Aktionären auf große Zustimmung, der Applaus fällt deutlich stärker aus als bei Neef und Koch.

10.55 Uhr: Der nächste Redner tritt nach vorn, der Pixelpark-Mitarbeiter und -Aktionär Markus Kömpken, der dem Unternehmen seit sechs Jahren angehört. Auch er findet kritische Töne: "Lieber Paulus, nicht nur die Anleger haben Dir vertraut, sondern auch die Mitarbeiter. Wer ist denn jetzt für die Fehler der Vergangenheit verantwortlich?" Er wirkt sehr aufgebracht und frustriert.

11 Uhr: Die erste Antwortrunde beginnt. Als erster ergreift Paulus Neef das Wort. Er geht auf das Effizienzprogramm ein und stellt ein Vier-Säulen-Programm vor, das unter anderem beinhaltet, dass der Vertrieb gestärkt werden soll. Interessantes Detail: Neef sitzt direkt neben Klaus Eierhoff von Bertelsmann, mit dem er alle Äußerungen vorher kurz abspricht.

11.10 Uhr: Die zweite Fragerunde beginnt. Ein Mitglied der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS) meldet sich zu Wort. Er attackiert Klaus Eierhoff und äußert den Vorwurf, der Aufsichtsrat habe die Schieflage zu spät erkannt und nicht früh genug reagiert. Außerdem will er wissen, was denn nun an den Gerüchten sei, Bertelsmann wolle sich von Pixelpark trennen.

Es berichtete live mm.de-Redakteur Karsten Schmidt

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